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Gefahrenabwehr bei Großveranstaltungen

Sicherheitsstrategien für Festivals

Große Festivals und Veranstaltungen finden zwar gerade nicht statt. Aber sicherlich waren einige schon bei solchen Großveranstaltungen und haben sich die Frage gestellt: Was ist, wenn jetzt eine Panik ausbricht? Die Arbeit von Katarina Chmielewski, Absolventin des Studiengangs Gefahrenabwehr, zeigt in ihrer Bachelor-Arbeit mögliche Strategien auf, um auf durch biologische Erreger ausgelöste Massenanfälle von Verletzten auf Großveranstaltungen besser zu reagieren. Für ihre Arbeit erhält sie jetzt am 14. Februar den „Student Award 2021“ des Vereins zur Förderung der Sicherheit von Großveranstaltungen.

Zu dem Wacken Festival kommen bis zu 85.000 Menschen.

Zu dem Wacken Festival kommen bis zu 85.000 Menschen.

Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Terroristen planen einen Anschlag auf ein großes Festival, biologische oder chemische Stoffe werden heimlich eingeschleust, zum Beispiel Bakterien des Stamms Clostridium Botulinum, und versprüht. Die Erkrankung verläuft akut und fieberlos, zuerst treten Seh- und Sprachstörungen auf, dann Lähmungen des motorischen Nervensystems, die zum Erstickungstod führen können. Die Latenzzeit beträgt mehrere Stunden bis Tage und ist abhängig von der aufgenommenen Menge. Das Ausbruchsgeschehen auf dem mehrtägigen Festival fällt erst auf, wenn die ersten kontaminierten Besucher bei den Sanitätern eintreffen – die Besucher des Festivals geraten in Stress.

Ein Anschlag ist ein unwahrscheinliches Szenario
„Das ist zwar ein eher unwahrscheinliches Szenario“, sagt Prof. Dr. Karsten Loer. Er ist Experte für Technik der Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz und hat, bevor er die Professur an der HAW Hamburg antrat, Großereignisse wie Festivals in Sicherheitsfragen beraten. Dennoch ist das Risiko, Opfer von bio-chemischen Anschlägen, sogenannte CBRN-Anschläge, zu werden deutlich gestiegen. Hinzu kommen die – seit der Corona-Pandemie in die Öffentlichkeit gerückten – natürlich eingetragenen Krankheitserreger, die eine Infektionswelle auslösen können. Die Bachelorarbeit „Entwicklung möglicher Strategien bei einem Massenanfall von Verletzten (MANV) durch Biologische Erreger auf Großveranstaltungen am Beispiel des WACKEN OPEN AIR“ von Katarina Chmielewski, Absolventin des Studiengangs Gefahrenabwehr und Studierende bei Prof. Karsten Loer, trifft deshalb einen neuralgischen Punkt.

Vier mögliche Szenarien, um auf biologisch Erreger zu reagieren
Die Arbeit zeigt mögliche Strategieansätze auf, um auf durch biologische Erreger ausgelöste Massenanfälle von Verletzten, kurz MANV, auf einer Großveranstaltung richtig zu reagieren. Das norddeutsche Festival Wacken Open Air (W:O:A) diente ihr hierbei als Fallbeispiel. „Ich war Praktikantin auf dem W:O:A und kenne daher die Veranstalter gut. Dazu habe ich vor meinem Studium eine Ausbildung zur BTA, also zur Bio-Technischen Assistentin gemacht und habe hier meinen thematischen Schwerpunkt“, erklärt Katarina Chmielewski. Bislang gibt es nur unzureichende Möglichkeiten, biologische Erreger zu bestimmen (Detektion). Deren zeitnahe Analyse und Detektion ist aber die Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Strategien.

Festivals in dieser Größenordnung sind temporäre Kleinstädte mit bis zu 85.000 Menschen. Es ist schon eine riesige Herausforderung dort den Hygienestandard einzuhalten.

Prof. Dr. Karsten Loer ist Professor für Technik der Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz am Department Medizintechnik

Festivals in dieser Größenordnung sind temporäre Kleinstädte 
Sicherheitsexperte Prof. Karsten Loer, der der Gutachter der Arbeit war, ergänzt: „Festivals in dieser Größenordnung sind temporäre Kleinstädte mit bis zu 85.000 Menschen, die womöglich eine Woche lang dort wohnen, essen und schlafen. Es ist schon eine riesige Herausforderung dort den Hygienestandard einzuhalten. Auch die Versorgung mit Essen ist eine große Aufgabe. In der Vergangenheit gab es deshalb schon ab und zu Nahrungsmittelvergiftungen durch Verunreinigung. Das waren aber eher kleine Ereignisse, die nicht mit den MANV vergleichbar sind. Corona hat uns aber gezeigt, wie schnell so etwas gehen kann und auch, dass wir auf biologische Erreger in diesem Ausmaß weitgehend unvorbereitet sind. Daher ist die Arbeit der Studierenden Katarina Chmielewski in gewisser Weise wegweisend.“

Chmielewski entwickelt vier Szenarien, in denen sie jeweils einen speziellen Krankheitsausbruch mit einem Erreger durchspielt. Ein Szenario ist das eingangs beschriebene: der geplante, bioterroristische Anschlag. Aber auch unbeabsichtigte Ereignisse wie der Eintrag von dem Coronavirus SARS-CoV-2 wird als Fallbeispiel durchdekliniert, da viele Infizierte keine Symptome zeigen und zum Festival gehen. Dazu können Störungen einen MANV auslösen, zum Beispiel, wenn die Kühlung ausfällt und Speisen verderben. Das vierte Szenario ist der sogenannte Hoax. Damit ist eine Fehlmeldung zur Einschüchterung beschrieben, der in der Regel keine Taten folgen und keine biologischen Erreger freigesetzt werden – der aber als Bedrohung ernst genommen werden muss.

Festivals zu schließen, bedarf hoher Sicherheitsaufkommen
Prof. Loer: „Es liegt im Ermessen der Polizei einzuschätzen, ob es sich um eine leere Drohung, also um einen Hoax handelt oder nicht, damit die Betreiber eines Festivals kein Risiko eingehen. Ein Festival zu schließen, bedarf eines hohen Sicherheitsaufkommens und kann Stresssituationen auslösen. Es aber laufen zu lassen und womöglich Krankheiten weiterzutragen, ist ebenfalls schwierig. Hier muss möglichst schnell eine genaue Gefahrenabschätzung erfolgen; was die Arbeit von Frau Chmielewski ebenfalls beschreibt.“

Insgesamt hat mir das Studium der Gefahrenabwehr an der HAW Hamburg großen Spaß bereitet. Ich fühlte mich gut betreut und habe den hohen Praxisanteil im Studium sehr genossen.

Katarina Chmielewski studierte den Bachelor Gefahrenabwehr an der Fakultät Life Sciences

Katarina Chmielewski, die nach dem Bachelor an der HAW Hamburg heute den Master Geophysics an der Universität Hamburg studiert, freut sich über die aktuelle Auszeichnung mit dem „Student Award 2021“ des Vereins zur Förderung der Sicherheit von Großveranstaltungen VFSG e.V.: „Ich darf meine Arbeit jetzt auf der Digitalen Woche 'Forschung zur Veranstaltungssicherheit' vortragen und treffe dort auf alle Player der Branche – was für mich eine tolle Chance darstellt. Insgesamt hat mir das Studium der Gefahrenabwehr an der HAW Hamburg großen Spaß bereitet. Ich fühlte mich gut betreut und habe den hohen Praxisanteil im Studium sehr genossen“, so ihre Bilanz.

Text: Katharina Jeorgakopulos

Informationen zum Studiengang Gefahrenabwehr (B.Eng.)

Eine Bewerbung für Studieninteressierte ist ab dem 1. Juni bis 31. Juli 2022 möglich.

Informationen zum Studiengang Rettungsingenieurwesen (B.Eng.)

Es gibt noch freie Studienplätze. Studieninteressierte können sich noch bis zum 15. Februar 2022 bewerben. 
 

Kontakt

Fakultät Life Sciences
Department Medizintechnik
Prof. Dr. Karsten Loer
Professor für Technik der Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz
T +49 40 428 75-6503
karsten.loer (at) haw-hamburg (dot) de
 

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