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Gleichstellungsbeauftragte Christiane Prochnow-Zahir nimmt Abschied

Christiane Prochnow-Zahir war 18 Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte der HAW Hamburg. Vier Präsidentenschaften und wechselnde Präsidien prägten ihre Amtszeit. Trotz der Wechsel gelang es ihr, Genderaspekte in alle Bereiche der Hochschule zu integrieren. In diesem Interview schaut sie zurück auf eine bewegte Zeit: "Bye Bye Alma Mater HAW Hamburg!"

Mit welchem Gefühl verlassen Sie Ende April die HAW Hamburg?
Christiane Prochnow-Zahir: Rückblickend hat die Hochschule mich und meine Familie als Alma Mater und „gütige Mutter“ 18 Jahre lang genährt; und das nicht nur durch den Lebensunterhalt, sondern auch durch die Beteiligung an der Kinderuni, dem Girls‘ und Boys Day, der Nacht des Wissens und durch die Debatten zur Positionierung der Wissenschaft in Hamburg. In dieser Zeit sind dazu meine beiden Kinder herangewachsen. So gehört die HAW auch zu ihrer Lebensgeschichte.

Was waren Ihre Aufgaben an der HAW Hamburg?
Prochnow-Zahir: Seit 2002 bin ich als Gleichstellungsbeauftragte für den wissenschaftlichen Bereich tätig und werfe einen kritischen Blick auf die Strategien und Entwicklungen der Hochschule, die ich beratend begleite. Zusätzlich leite ich die Stabsstelle Gleichstellung und setzte hier Pläne und Projekte um. Diesen Spagat zwischen kritischer Beratung und Umsetzungsauftrag auszutarieren, war eine anspruchsvolle, manchmal auch an meine Grenzen heranreichende Aufgabe. Dabei stand ich nicht alleine da, sondern fand häufig Unterstützung bei dem Kreis der Führungskräfte, den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Hochschulbereichen, den anderen Gleichstellungsbeauftragten und dem Personalrat.

Ich finde, dass Gleichstellungsengagement kein Abstellgleis sein darf und wir als Gleichstellungsbeauftragte berufliche Entwicklungsperspektiven haben sollten. Die Aufgaben erweiterten sich kontinuierlich. Es galt, eine familiengerechte Hochschule für alle Beschäftigten und Studierenden mit dem Familienbüro zu schaffen, mehr Frauen für die MINT-Studiengänge, mehr Männer für die sozialen Bereiche zu gewinnen, ein Mentoringprogramm für Studierende anzubieten und sich für eine geschlechtergerechte, diskriminierungssensible und diversitybewusste Hochschule einzusetzen.

Ihr Engagement für die Gleichstellung ist eng mit den beiden Vizepräsidentinnen Prof. Ulrike Arens-Azevedo und seit 2007 mit Prof. Dr. Monika Bessenrodt-Weberpals verbunden?
Prochnow-Zahir: Unser Einsatz für die Gleichstellungs- und Diversity-Arbeit hat über die Hochschule hinaus Einfluss auf die FHH genommen. In Zukunft ist an der HAW Hamburg das Amt der Gleichstellungsbeauftragten klar von dem Aufgabenbereich einer Stabsstelle des Präsidiums abgegrenzt. Darauf bin ich gespannt.

Was zeichnet eine erfolgreiche Gleichstellungsbeauftragte aus?
Prochnow-Zahir: Schon als Kleinkind bescheinigte mir meine Mutter großes Beharrungsvermögen und viel Geduld beim Sitzen und Beobachten. Diese Fähigkeit ist – humorvoll betrachtet - wohl eine Grundvoraussetzung für das Amt. Denn die fast monatlich stattfindenden Hochschulsenatssitzungen seit 2002 und die vielfältigen Ausschüsse des Hochschulsenats erforderten viel „Sitzfleisch“.

Dabei zielten meine Beiträge darauf, das Gender Mainstreaming und Genderaspekte in alle Bereiche der Hochschule zu integrieren. Wichtig waren für mich, neben dem Fachlichen, ein gutes Verständnis für die vielfältigen Aufgaben in der Hochschule zu entwickeln, die widerstreitenden Interessen zu verstehen, als Gleichstellungsbeauftragte mutig Standpunkte zu vertreten und gleichzeitig zu vermitteln. Die Gremienarbeit befriedigte mein Interesse, die HAW Hamburg mit zu reformieren. Dabei kooperierte ich mit vielen Menschen an unterschiedlichen Aufgaben. Sie alle haben mich beeindruckt und meine Zeit an der HAW bereichert.

Was waren Ihre einschneidenden Erlebnisse an der HAW Hamburg?
Prochnow-Zahir: Die unerwartete Beendigung der Amtszeit von Präsident Dr. Hans-Gerhard Husung, die verschiedenen Anläufe von Findungskommissionen für seine Nachfolge, die Gründung des Hochschulrats und das nur langsam wachsende Vertrauen zwischen einem per Gesetz entmachteten Hochschulsenat und einem installierten Hochschulrat. Überhaupt war die HAW sehr mutig, sich von einer Präsidentin und einem Präsidenten sowie einem Kanzler vorfristig zu trennen. Den bei meinem Amtsantritt 2002 amtierenden Kanzler Frank Eisoldt schätze ich immer noch für seine Organisationsentwicklung der Präsidial- zur Hochschulverwaltung mit gemeinsam von Beschäftigten und Führungskräften erarbeiteten Führungsleitlinien.

Und welche Aufregung gab es, als die HAW ihre Bau- und Architekturbereiche an die Gründung der Hafen City Universität verlor. Es fielen damit auch engagierte Gleichstellungsbeauftragte dieser Fachbereiche weg. Dazu vermisse ich nach Gründung der vier Fakultäten immer noch die gemeinsamen Sitzungen von dreizehn Fachbereichsvertretungen in der Erweiterten Hochschulleitung. Mit den Studierenden aus dem AStA und im Hochschulsenat hatte ich oft Verbündete für die Gleichstellungsthemen, den Schutz vor Diskriminierung und für eine gerechte, demokratische und dem Frieden verpflichtete Hochschule.

Was sind die größten Erfolge für die Gleichstellung an der HAW Hamburg
Prochnow-Zahir: Das damals neu von mir ins Leben gerufene, hochschulpolitische Frauenforum und der auch mit männlichen Vertretern besetzte Gleichstellungsausschuss, der Professorinnen-Stammtisch, die vielen Workshops mit überaus engagierten Gleichstellungskolleginnen und -kollegen zu Stärken- und Schwächenanalysen. Auch deshalb steht die HAW Hamburg heute bundesweit so erfolgreich mit ihren Gleichstellungskonzepten da. Und die Gleichstellung ist ja auch für manches Berufungsverfahren unbequem. Widersprüche zu Beschlüssen der Berufungsausschüsse habe ich öfter verfasst. Ich schätzte die oft hitzigen, aber sachlich geführten Streitgespräche im jeweiligen Vermittlungsausschuss sehr.

Die HAW Hamburg ist eine der wenigen Hochschulen, die alle Vorgriffprofessuren für Professorinnen, demnächst acht, über das Professorinnen-Programm von BMBF und BWFG realisieren konnte. So gewannen wir auch Gender- und Diversity-Expertise durch einige Professorinnen neu hinzu. Unser hochschuleigenes Modell der HAW tenure-track-Professuren zeigt seit 2003 Erfolge darin, Professorinnen, insbesondere für die Ingenieurwissenschaften und Informatik, zu gewinnen. Ich war an diesen Personalplanungen meist eng beteiligt.

Als Sprecherin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten aller Hochschulen der Freien und Hansestadt Hamburg von 2003 bis 2017 sah ich meine Aufgabe darin, uns Gleichstellungsbeauftragte und Referentinnen zu vernetzen. Unsere Stellungnahmen zur Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes und die zum Hamburgischen Gleichstellungsgesetz wurden zum Beispiel gemeinsam in regelmäßigen Jourfixes mit der jeweiligen Senatorin in der LaKoG beraten.

Besonders rechne ich es uns als Erfolg an, dass die FHH das hochschulübergreifende Programm zur wissenschaftlichen Karriereförderung von Frauen „Pro Exzellenzia“ installiert hat. Die HAW Hamburg kann stolz darauf sein, dieses hochschulübergreifende Programm zur Qualifizierung von Frauen für Führungspositionen und mit vielen Promotionsstipendien zu haben.

Welchen persönlichen Herausforderungen standen und stehen Sie gegenüber?
Prochnow-Zahir: Ich durfte manchen Widerstand gegen mich nicht persönlich nehmen. Das führte dann meist zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Und sich alle drei Jahre neu dem Hochschulsenat zur Wahl für eine weitere Amtszeit zu stellen, war ebenfalls eine Hürde und ein andauerndes Sich-Beweisen-Müssen. Denn nicht jeder Hochschulsenat stand dem Gleichstellungsauftrag aufgeschlossen gegenüber.

Mir hat es viel Freude und auch manch schlaflose Nacht bereitet, über Jahre hinweg hartnäckig Präsidien und die Politik von Pro Exzellenzia zu überzeugen. Für mich waren wir in der LaKoG ein Rudel Löwinnen, das sich gegenseitig bei der Jagd auf das gemeinsame Ziel stützte, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft zu verankern. Ein weiteres wichtiges Rudel war mein Team in der Stabsstelle Gleichstellung mit meinen Stellvertreterinnen. Besonders galt dies in einer persönlich sehr schwierigen Lebensphase.

Heute, am Ende meines Berufslebens, bin ich zufrieden, ein so gut bestelltes Feld für Gleichstellungsbeauftragte und die Stabsstelle Gleichstellung und Diversity zu hinterlassen. Nun freue ich mich auf sinnlichere Tätigkeiten, wie das Malen, meine kunsttherapeutisch- pädagogischen Angebote, das Gärtnern und Spazierengehen mit Hunden, und vor allem darüber, endlich über Zeithoheit zu verfügen und sie für mehr gemeinsame Unternehmungen mit meinen Familienangehörigen und Freunden zu nutzen. Spirituelle Fragen stehen in den kommenden Lebensphasen im Vordergrund. Denn unsere Lebenszeit ist begrenzt. Der Moment, meine Mitmenschen und jeder einzelne Tag sind mir nun wichtig.

(Das Interview führte Dr. Katharina Jeorgakopulos)

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