006-Stoffeigenschaft ändern

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Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Heute soll es um die Hauptgruppe "Ändern der Stoffeigenschaft" gehen. Dieses Thema wurde ausdrücklich von unseren Studierenden gewünscht. Das liegt vermutlich daran, dass die Verfahren aus dieser Gruppe in der Fertigungstechnikvorlesung meistens weggelassen werden. Die wichtigen Themen werden aber freundlicherweise von den Kolleg:innen aus dem Institut für Werkstoffkunde und Schweißtechnik abgedeckt.

Heute also ein Überblick:

Diese Hauptgruppe aus der DIN 8580 sticht ein wenig aus dem restlichen Ordnungsschema heraus: Der Zusammenhalt bleibt erhalten, die Form bleibt gleich, es ändern sich nur die Eigenschaften eines Werkstücks. Dass diese Eigenschaften über das hinausgehen, was wir Maschinenbauingenieur:innen als erstes in den Kopf bekommen, merkt man, wenn wir uns die Gruppen und Untergruppen ansehen.

Interessant sind hierbei der Nachsatz und die Anmerkung aus der Norm. Ich zitiere: "Unvermeidbar auftretende Formänderungen gehören nicht zum Wesen dieser Verfahren." bzw. "Verschiedene Formänderungsverfahren der Hauptgruppen 2-5 sind unvermeidbar von Änderungen der Stoffeigenschaften begleitet, [..]".

Es ist also häufig weder möglich, die Form eines Werkstücks zu verändern, ohne auch seine Eigenschaften zu beeinflussen, noch die Eigenschaften gezielt zu verändern, ohne die Form anzutasten.

Schauen wir doch einmal auf die Gruppen:

Verfestigen durch Umformen: Bei den Kaltumformverfahren tritt der Effekt der Kaltverfestigung auf. Soll heißen: Je mehr ich etwas umforme, desto fester wird der Werkstoff. Hauptsächlich geschieht dies durch das Wandern und gegenseitige Blockieren von Versetzungen im Kristallgitter. Ich denke, dass ich dazu mal eine eigene Folge machen werde. Wenn ich also ein Blech durch zwei Walzen schicke, um es dünner zu machen, dann gehört das Verfahren in die Hauptgruppe 2 "Umformen", wobei ich unter Umständen ignoriere, dass es dabei fester wird. Walze ich ein Blech mit dem Ziel, dass es hinterher eine höhere Festigkeit besitzt, dann gehört dasselbe Verfahren auf einmal in die Hauptgruppe 6 "Stoffeigenschaft ändern". Es geht immer um das Ziel, das ich erreichen möchte.

Wärmebehandeln: Dies ist, denke ich, die unter Maschinenbauingenieur:innen bekannteste dieser Gruppen. Hier finden sich alle Verfahren, die durch Wärme Eigenschaften wie Festigkeit, Zähigkeit, Duktilität oder Härte eines Werkstoffs beeinflussen: Härten, Weichglühen, Aushärten und andere. Aber auch das Tiefkühlen, um zum Beispiel ein Werkstück temporär spröder zu machen, gehört hier hinein.

Thermomechanisches Behandeln kombiniert Wärme und Formänderung. Hier gewinnt gerade das Heißisostatische Pressen bei Additiven Bauteilen wieder an Bedeutung.

Die Geschichte des "Sinterns" ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Denn häufig wird dieser Begriff für den gesamten Fertigungsprozess der Pulvermetallurgie verwendet. Dabei ist laut Norm nur das "Backen" der Sinterteile im Ofen gemeint. Das Brennen beim Töpfern gehört auch dazu.

Magnetisieren gehört ebenfalls in diese Hauptgruppe. Mal ist es beabsichtigt, mal eher störend.

Beim Bestrahlen fällt mir aus dem Maschinenbau aktuell nicht viel ein, außer dass man vielleicht Kunststoffe unter UV-Licht aushärten oder künstlich altern lassen kann. Wenn ich dazu recherchieren und eine eigene Folge machen soll, schreibt es mir bei Twitter oder per Mail. Die Kontakte gibt's im Abspann.

Die photochemischen Verfahren, speziell das Belichten, sind in der Druckindustrie und bei einigen additiven Verfahren zu finden.

So weit so gut. Diese Hauptgruppe von Fertigungsverfahren ist etwas speziell und wie schon gesagt überlassen wir Personen der Fertigungstechnik diese Themen gerne den Werkstoffkundlern. Wobei auch das eigentlich wieder eine künstliche Trennung von verwandten Professionen ist.

Um mal eine alte Weisheit aus der Musikbranche zu zitieren: Aus einer schlechten Fertigungstechniker:in kann immer noch eine gute Werkstoffkundler:in werden. Oder war es andersherum?

Und zum Schluss noch der Tipp für die Prüfungen: Für eine Formel oder Einheit, die man hinschreibt, kann man Punkte bekommen. Welche, die man weglässt, geben garantiert keine Punkte.

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers