031-Funkenerosion

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik.


Als Umformer muss ich ja neidlos gestehen, dass so ein 5-Achs-Fräsbearbeitungszentrum einigermaßen spannend ist. Aber leider produziert es Späne und ist darum nicht für einen Mitarbeiter der spanlosen Formgebung geeignet. Abgesehen davon hat auch die Zerspanung Grenzen. Da kommt doch tatsächlich ein Kunde und möchte einen 1mm schmalen rechteckigen Durchbruch ohne sichtbaren Eckenradius und mit einer Tiefe von 70mm in ein Werkstück mit einer Härte von HRC65 eingebracht bekommen.

Ich möchte euch heute ein Verfahren vorstellen, mit dem das durchaus machbar ist. Aber, wie gesagt, ohne Späne: Die Funkenerosion.
Nehmen wir die Härte. Sie ist definiert als der Widerstand gegen das Eindringen eines anderen Körpers. Eine Bearbeitung ohne Berührung wäre also gut.
Kein Eckenradius? Da sollte sich das Werkzeug besser nicht drehen. Und für das extreme Aspektverhältnis (das ist die Tiefe zur Breite) sollten die Prozesskräfte besser nicht so groß sein.


Und jetzt kommt 1770 Joseph Priestley ins Spiel. Er beschreibt als erster wissenschaftlich, dass elektrische Entladungen eine abtragende Wirkung haben können.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts dann wollten Natalja Lasarenko und Boris Romanowitsch eigentlich untersuchen, wie man die Schäden an Schaltkontakten verringert, die durch den Schaltfunken entstehen, als sie sich überlegten, dass man den Effekt auch gezielt verwenden könnte. Sie nannten das Verfahren Funkenerosion.


Ich beginne mal von außen nach innen. Ähnlich wie beim Fräsbearbeitungszentrum benötigen wir eine Werkzeugmaschine. Die Werkzeugmaschine benötigt mindestens 3 Achsen. Sie sind dafür da, die Elektrode (das Werkzeug beim Funkenerodieren) und das Werkstück zueinander zu positionieren und zu bewegen.
Dann benötigen wir heutzutage noch eine CNC-Steuerung, noch eine Ähnlichkeit. Diese kann vielleicht über DIN- oder PAL-Code programmiert werden, oder mittels WOP, der werkstattorientierten Programmierung.


Nun komme ich zu den Unterschieden. Der Arbeitsraum befindet sich in einem Behälter. Dieser wird später mit einer sehr speziellen Flüssigkeit gefüllt.
Und für diese Flüssigkeit benötigen wir auch noch ein ganzes Aggregat, das eine Pumpe, einen Filter und optimalerweise auch einen Kühler umfasst.
Und zusätzlich gibt es noch den Funkengenerator, der ganz gezielt die gepulste, elektrische Energie zur Verfügung stellt.
Damit begebe ich mich in den Arbeitsraum. Dort befindet sich auf dem Maschinentisch vielleicht eine Spannvorrichtung, mit der das Werkstück davon abgehalten wird, beim Füllen des Behälters weggeschwemmt zu werden. Da wir bei der Funkenerosion ja fast keine Prozesskräfte haben, können wir auf übermäßiges Spannen wie beim Drehen oder Fräsen verzichten.
Am Maschinenkopf wird das Werkzeug befestigt, beim Funkenerodieren meist Elektrode genannt. Diese ist häufig aus Kupfer, Kupferlegierungen oder Graphit hergestellt.


Nach dem Ausrichten und Antasten, die Maschinensteuerung muss ja wissen, wo sich das Werkstück befindet, wird die Elektrode bis auf einen feinen Arbeitsspalt an das Werkstück herangefahren. Der Arbeitsspalt reicht je nach Verfahren von wenigen Tausendsteln bis wenigen Zehntelmillimetern.
So sieht die Ausgangssituation aus.
Dann gehen wir mal dichter an den Arbeitsspalt mal heran. Ich schaue von der Seite darauf und nehme unten die Oberfläche des Werkstücks an, dann kommt der Spalt und obendrüber schwebt die Elektrode.
Um einen Funken oder vielleicht besser einen Plasmakanal zu erzeugen, wird an Werkzeug und Werkstück eine Spannung angelegt. Damit der Strom nicht direkt anfängt zu fließen, muss sich im Arbeitsspalt ein sogenanntes Dielektrikum befinden: Ein elektrisch nicht leitendes Medium. Luft ist z. B. ein Dielektrikum. Sie wird beim Funkenerodieren aber nur in Spezialfällen verwendet. Üblicherweise verwendet man deionisiertes Wasser, also eines, in dem weniger freie Ionen enthalten sind, als in Leitungswasser, oder speziell angepasstes Petroleum.
In dieser Großaufnahme benimmt sich der Aufbau jetzt wie ein Kondensator. Oben Ladung (die Elektrode meist positiv), unten entgegengesetzte Ladung (das Werkstück meist negativ), dazwischen das Dielektrikum. Die Stärke des elektrischen Feldes ist abhängig von der Ladung, der Kondensatorfläche und dem Dielektrikum, die Spannung ist unter anderem abhängig vom Abstand.
Wenn wir jetzt noch beachten, dass die Oberflächen ja technisch rau sind, dann werden sich irgendwo im Arbeitsspalt zwei „Berge“ gegenüberstehen. An dieser Stelle sind also Feldstärke und Spannung am größten.
Hier findet jetzt zunächst eine Feldionisation statt. Das elektrische Feld klaut einem Dielektrikumsatom ein Elektron. Dieses wird zur Elektrode beschleunigt und das Rest-Ion zum Werkstück. Auf dem Weg dorthin findet dann zusätzlich lawinenartig eine Stoßionisation statt. Es bildet sich, wie bei einem Gewitterblitz, ein elektrisch leitender Kanal und der Strom beginnt zu fließen. Dabei bildet sich ein Plamakanal, in dem Temperaturen bis zu 12.000K herrschen können. Dieser Kanal schmilzt nun an den Oberflächen des Werkstückes und der Elektrode einen winzigkleinen Bereich des Werkstücks auf. Ein Teil verdampft auch. Es würde hier und jetzt zu weit führen, wenn ich noch erklären würde, warum am Werkstück mehr Abtrag stattfindet, als Verschleiß an der Elektrode.
Währenddessen verdampft auch noch mehr Dielektrikum und es bildet sich eine wachsende Dampfblase um das Plasma. Da wir aber kein großes Loch an dieser einen Stelle erreichen wollen, sondern nur die „Berge“ abtragen, schalten wir die Spannung wieder ab.
Die Wärmequelle fehlt, die Dampfblase kollabiert wieder und das zurückströmende Dielektrikum spült den größten Teil der Schmelze von den Oberflächen.
Nach einer kurzen Pause wird die Spannung wieder eingeschaltet und die nächste Entladung wird sich an einer anderen Stelle bilden, da ja die eben genutzen Bergspitzen jetzt abgetragen wurden. So wird statistisch an jeder Stelle der Oberfläche eine Entladung stattgefunden haben, wenn wir es oft genug durchführen. Zur Eingrenzung: Wir sprechen bei den Impuls- und Pausenzeiten von wenigen Mikrosekunden und kommen so auf Tausende bis Millionen Entladungen pro Sekunde.
Wenn so die Oberflächen abgetragen wurden, wird der Arbeitsspalt größer und die Elektrode muss vom Vorschub nachgeführt werden. So bildet sich die Form des Werkzeugs als Negativ äquidistant mit dem Arbeitsspalt im Werkstück ab.
Dabei werden je nach Quelle mehrere Erodierverfahren unterschieden: Das Senkerodieren, bei dem die Elektrode im Prinzip das genaue Negativ des Werkstücks darstellt, z. B. ein Schmiedegesenk oder eine Spritzgussform. Einige unterscheiden hiervon das Bohrerodieren, bei dem die Elektrode zylindrisch ist und aus Verschleißgründen während des Prozesses mit konstanter Drehzahl gedreht wird. Daneben gibt es noch das Drahterodieren, auch erosives Schneiden genannt. Hierbei ist die Elektrode ein dünner Draht, der durch das Werkstück bewegt wird. Dabei können prismatische oder sogar konische Werkstücke aus einem Rohteil herausgeschnitten werden, z. B. als Schneidstempel und Matrize beim Stanzen. Daneben gibt es noch ein paar Sonderformen, wie das funkenerosive Fräsen, das funkenerosive Polieren oder die Mikroerosion.
Zum Ende fasse ich noch einmal kurz die Vor- und Nachteile zusammen:
Die Nachteile:

  • Werkzeug und Werkstück müssen elektrisch leitfähig sein
  • Es ist nicht das schnellste Verfahren
  • Es benötigt zum Teil mehrere individuell hergestellte Werkzeuge
  • Ein Mineralölderivat als Dielektrikum
  • Es benötigt eine Absaugung für die Metall- und Petroleumdämpfe

Die Vorteile:

  • Kaum Prozesskräfte
  • Extreme Aspektverhältnisse möglich
  • Die Härte ist irrelevant.
  • Oberflächenrauheit in gewissem Rahmen einstellbar
  • Keine Riefenbildung an der Oberfläche durch aperiodisches Oberflächenprofil aus lauter winzigen „Kratern“.

Dass die Oberfläche eine gewisse Wärmebehandlung erfährt, kann ein Vorteil oder ein Nachteil sein.


Beim Funkenerodieren handelt es sich also um ein Verfahren, bei dem mithilfe eines Minigewitters sehr harte Werkstücke bearbeitet werden können. Cool, oder?
Für diejenigen, die sich das ganze einmal anschauen wollen, verlinke ich auf der Homepage ein Video, das Studierende der HAW Hamburg über dieses Verfahren erstellt haben.

 

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers

Shownotes

DIe Funkenerosive Senkanlage  (IPT @ HAW Hamburg)