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Corona-Pandemie

Wie gesund leben wir?

Das Corona-Virus hat unseren Alltag stark verändert. Das gilt nicht nur für Kontaktbeschränkungen oder die Maskenpflicht, sondern auch für unsere Ernährung und sportliche Aktivitäten. Eine Forscher*innengruppe der HAW Hamburg will deshalb das veränderte Bewegungs- und Essverhalten in Zeiten der Corona-Pandemie untersuchen.

Eine Frau mit Gesichtsmaske vor einem Gemüseregal im Supermarkt

Frau mit Gesichtsmaske: Einkaufen im Supermarkt in Zeiten der Corona-Pandemie.

Unser Alltag findet dieser Tage unter erschwerten Bedingungen statt. Einschränkungen gibt es in fast allen Lebensbereichen. Auch Bewegung und Ernährung sind da keine Ausnahme. Die meisten Sportstätten und Fitnessstudios haben seit Ende März geschlossen. Einzig der Breitensport macht gerade erste kleine Schritte in Richtung Normalität – Fußballtraining mit Abstand, Schwimmen mit Abstand, Fitnesskurse im Freien und mit Abstand. Vorher mussten wir uns ganz allein fit halten – mit Spaziergängen, Joggen oder dem Heimworkout mit Videoanleitung. Dazu führt der Umzug ins Homeoffice und damit der Wegfall von Arbeitswegen bei vielen Menschen zu weniger Bewegung.

Auch auf unsere Ernährung hat die aktuelle Covid19-Pandemie Auswirkungen. Kantinen und Restaurants bleiben weitestgehend geschlossen. Viele Menschen müssen nun täglich für sich oder gleich die ganze Familie kochen. Und der Wocheneinkauf wird in Zeiten von Kontaktverboten und Abstandregeln zum gut geplanten Akt. Gleichzeitig boomen Lieferdienste und die internationale Süßwaren-Industrie vermeldete in den letzten Wochen starke Gewinne. Sorge um die Zukunft, Stress im Homeoffice und weniger Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung verleiten zum Naschen.

Der großen Bandbreite solcher Corona-Auswirkungen auf unser Ess- und Bewegungsverhalten widmet sich ein neues Forschungsprojekt am Department Ökotrophologie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Geleitet wird das Vorhaben von den Ernährungswissenschaftlerinnen Prof. Dr. Sibylle Adam und Prof. Dr. Anja Carlsohn und der Medizinerin Prof. Dr. Nina Riedel.

Das aktuelle Forschungsvorhaben hat zum Ziel, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten während der Covid19-bedingten Einschränkungen systematisch zu erfassen, darzustellen und zu analysieren.

Prof. Sibylle Adam, Ernährungswissenschaftlerin

Unser Essverhalten wird durch die Umwelt beeinflusst

„Uns interessiert vor allem, welchen Einfluss eine so große Einschränkung des Alltags auf unsere tägliche Ernährung und die Bewegung hat. Wie gesund wir essen und wie viel wir uns bewegen, hängt oft auch stark von äußeren Faktoren ab – zum Beispiel von der vorhandenen Zeit für die Planung und Zubereitung von Mahlzeiten, von dem Vorhandensein und dem Angebot in Mensen und Kantinen oder Mittagstischen in Restaurants, von Supermärkten in der Nähe oder auch von der Möglichkeit, aktiv in der Freizeit oder auch am Arbeitsplatz zu sein“, erklärt Sibylle Adam, Professorin für Ernährungswissenschaften. Bisher wisse man nur sehr wenig darüber, wie sich zum Beispiel wochenlanges Arbeiten im Homeoffice, ein Kontaktverbot oder die Angst vor einer Corona-Ansteckung auf die Lebensmittelauswahl, das Essenverhalten oder die körperliche Aktivität auswirkt.

Eine große Befürchtung der Ernährungsexpertinnen: Der Corona-Lockdown könnte schon vorher in großen Teilen der Gesellschaft vorhandene Probleme weiter verstärken und zwar Übergewicht und Bewegungsmangel. „Wir wissen, dass in Deutschland ernährungsbezogene Risikofaktoren mit Abstand die Hauptursache für den Verlust gesunder Lebensjahre darstellt“, ergänzt Anja Carlsohn, Professorin für Ernährungswissenschaften. Aus Angst vor einer Ansteckung, durch den Wegfall von Arbeitswegen und ohne die Motivation einer Sportgruppe wird sich weniger bewegt. Das von der WHO als Minimum zur Aufrechterhaltung der Gesundheit empfohlenen Ausmaß von 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität pro Woche könnte in Corona-Zeiten für noch mehr Menschen als vorher schwer erreichbar zu sein.

Schon „vor Corona“ schafften das nur knapp 35 Prozent der Frauen und 44 Prozent der Männer. Außerdem deuten der aktuelle Boom der Lieferdienste und die zuletzt starken Gewinnzahlen der Süßwarenindustrie daraufhin, dass sich die Menschen tendenziell weniger gesundheitsförderlich ernähren als im normalen Alltag. Doch es gibt auch Gegen-Trends: Es gibt einen großen Boom von digitalen Sportangeboten – digitale Turnstunden für Kinder, Yoga-Videos zu Hause und Fitness-Apps für Hobbysportler. Kochen und bewusste Ernährung erleben dieser Tage in den sozialen Netzwerken einen großen Boom.

Unklar ist allerdings, wie lange diese kreativen Lösungen Bestand haben. Eine These: Je länger die Einschränkungen dauern, desto stärker nimmt die Motivation nur Zuhause zu trainieren ab. Gleiches gilt für die gesunde Ernährung. Wurde anfangs noch viel selbst gekocht, greifen die Menschen im Laufe der Pandemie-Einschränkungen möglicherweise immer häufiger zu Fertiggerichten. Im schlimmsten Fall führen Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung während eines längeren Lockdowns zu einer Zunahme von Übergewicht und erhöht damit auch das Risiko für Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Online-Fragebögen sollen das Ess- und Bewegungsverhalten ergründen

„Angesichts einer Vielzahl von Hypothesen und spürbarer Trends ist es umso spannender und wichtiger, sich ein umfassendes Bild der Auswirkungen zu machen“, erklärt Adam. Genau dafür haben die Forscherinnen eine quantitative Querschnittsstudie und eine Längsschnittstudie mit verschiedenen Online-Fragebögen entwickelt. Abgefragt werden dabei unter anderem die Speisenauswahl und Mahlzeitengestaltung während der Covid19-bedingten Einschränkungen. In einer weiteren Stichprobe wird das Training von Sportlern vor und während der COVID19-bedingten Einschränkungen untersucht.

Auch ein Fragebogen zur „häuslichen Lebensmittelbevorratung“ haben die Forscherinnen entwickelt und steht auch schon online. In der Längsschnittstudie ist außerdem die Analyse detaillierter Verzehrprotokolle vor und während der Einschränkungen geplant. „Der systematische Überblick über das Ess- und Bewegungsverhalten und mögliche Veränderungen ist aber nur der erste Schritt“, beschreibt Adam die Forschungsziele. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich im besten Fall weitere gesundheitliche Langzeitfolgen der Corona-Pandemie abschätzen oder sogar Handlungsempfehlungen für zukünftige Pandemien ableiten. Geplant ist außerdem, auf der Grundlage der Studie, weitere Erhebungen über einen fortlaufenden längeren Zeitraum durchzuführen, um die Veränderungen des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens auch über die Zeit nach der ersten Infektionswelle von COVID19 in Deutschland weiterzuverfolgen. (Autor: Birk Grüling)

Hier geht es zu den laufenden Umfragen:

Hauptfragebogen: https://www.umfrageonline.com/s/a764b73

Ernährungsverhalten: https://www.umfrageonline.com/s/51442b1

Lebensmittelhäufigkeiten (FFQ): https://www.umfrageonline.com/s/bbff8b1
 

HIER GEHT ES ZUR PRESSEMITTEILUNG (3. JUNI 2020)

Kontakt

Fakultät Life Sciences
Department Ökotrophologie

Prof. Dr. Sibylle Adam, Professorin für Ernährungswissenschaft: Sibylle.Adam (at) haw-hamburg (dot) de

Prof. Dr. Anja Carlsohn, Professorin für Ernährungswissenschaft: Anja.Carlsohn (at) haw-hamburg (dot) de

Prof. Dr. Nina Riedel, Professorin für Ernährungsmedizinerin: nina.riedel (at) haw-hamburg (dot) de

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