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Seniorprofessur statt Ruhestand

Flugangst und Viren durch Licht bekämpfen

Seit dem 1. Oktober 2021 ist Dr.-Ing. Roland Greule, Professor für Beleuchtungs- und Lichttechnik, Farbmetrik und Eventtechnik, nach 25 Jahren aus dem regulären Dienst ausgeschieden. Oder doch nicht? „Von der Möglichkeit einer Seniorprofessur hatte ich von einem Kollegen erfahren. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas an der HAW Hamburg gibt.“

Seniorprofessor Dr. Roland Greule ist Lichtexperte am Department Medientechnik

Dr.-Ing. Roland Greule ist nun Seniorprofessor am Department Medientechnik

Statt in den Ruhestand zu gehen, leitet er nun das Forschungs- und Transferzentrum Digital Reality (FTZ-DR), übernimmt dort das Networking, führt Forschungsprojekte durch und hält weiterhin Vorlesungen am Department Medientechnik. Zusätzlich kümmert er sich mit Kolleg*innen der Fakultät Design, Medien und Information (DMI) um die XXL LED-Wand, die 2019 im Forum Finkenau aufgehängt wurde. „Wir wollten herausfinden, welche Inhalte wir dort spielen können. Corona hatte unserer Beschäftigung dann erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

Der Aufbau des FTZ-DR in der Hamburger HafenCity war sein letztes Großprojekt als regulärer Professor an der HAW Hamburg. „Es kommen dort Studierende, Start-Ups und Unternehmen zusammen“, erzählt er. Das Ziel ist, mittels Virtual Reality (VR) Licht in unterschiedlichen Umgebungen zu simulieren. „Firmen fragen bei uns an und geben den Start-Ups Projektaufträge. So können wir uns als Einrichtung profilieren. Ebenfalls können Studierende in diesen Projekten mitarbeiten, was für sie konkrete Praxiserfahrung bedeutet.“ Diese enge Verbindung von Theorie und Praxis sei am FTZ-DR deshalb „vorbildlich gelungen“ und sozusagen ein Lebenswerk.

Diese enge Verzahnung durchzieht das gesamte Berufsleben von Roland Greule. Nach seinem Studium der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Biomedizinische Technik und Lichttechnik mit abschließender Promotion an der TU Karlsruhe, heute das KIT, ging er direkt in die Praxis zur Firma Zumtobel in Dornbirn, Österreich. „Ein Lehrauftrag an der FH Karlsruhe brachte mich auf die Idee, in die Lehre zu gehen. Ich stellte fest, dass ich dafür ein ganz gutes Händchen habe.“ Nach weiteren Jahren der Selbständigkeit wurde er 1996 Professor für Beleuchtungs- und Lichttechnik an der HAW Hamburg. Als stellvertretender Leiter des Departments Medientechnik und Prodekan Forschung baute er in diesem Zeitraum mit Kolleg*innen aus dem Games-Bereich zunächst das Games-Labor auf, dann folgte das FTZ-DR mit dem Masterstudiengang Digital Reality.

„Das FTZ-DR war sozusagen die logische Konsequenz und Folge aus der vorausgegangenen Gründung des Games-Labors an der Fakultät DMI. Ich brachte die technische Lichtexpertise mit, die Gamer die Fähigkeit, Oberflächen künstlerisch zu gestalten und in Echtzeit zu simulieren. Sie hatten die großen Rechner, ich die Lichtmittel – das passte gut zusammen.“ Von nun an konnte er Licht in aufwendig gerechneten Umgebungen mit einer VR-Brille in 3D simulieren.

Licht würde von jedem unterschiedlich wahrgenommen werden, erklärt er. Es durch eine VR-Brille in einer dreidimensionalen virtuellen Umgebung zu simulieren, vereinfache den Kommunikationsprozess. „Hellblau ist eben nicht hellblau, sondern ein subjektiv interpretierter Farbton. Durch die VR-Brille aber sehen wir alle das gleiche und reden auch über das gleiche.“ So könne zum Beispiel ein Kunde in der gewünschten simulierten Umgebung die genauen Lichtverhältnisse direkt erleben und sie, als die Lichtexpert*innen, unterschiedliche Lichtkonzepte erproben. „Das bringt insgesamt viel Spaß und Erkenntnisse.“

Diesen Simulationsprozess von Licht am Rechner nennt man Rendering. Hier kommt es vor allem auf die genaue Berechnung der Oberfläche und der Lichtleistung „in Echtzeit“ an. „Als Ingenieur bin ich hier pedantisch, denn das Ergebnis muss stimmen.“ Ein Beispiel für solch eine gemeinsame Simulation von Lichttechniker*innen und Gamer*innen war die Gestaltung des FTZ Digital Reality. „Wir haben der Fakultätsleitung unsere Lichtkonzepte mittels VR vorgeführt und überlegt, wieviel Licht benötigen wir wo. Man konnte wirklich in den simulierten Raum hineinspazieren und sich darin unsere Ideen vorführen lassen.“

Seine Lichtkonzeption baut dabei auf Emotionen und dem Wohlfühleffekt auf. „Ich orientiere mich bei meiner Idee von Licht am natürlichen Tageslicht. Morgens ist das Licht hell mit viel Blauanteil, abends gemütlich warm mit viel Rotanteil.“ Die natürlichen Lichtverhältnisse lösen unterschiedliche Reaktionen im Menschen aus und steuern den Biorhythmus. Helles blaues Licht macht wach und konzentriert, dunkles und rötliches Licht macht müde und entspannt. „Diesen natürlichen Prozess gilt es, durch die Lichttechnik zu unterstützen. Aus diesem Grund ist man im Freien viel fitter. Würden meine Studierenden ihre Mathearbeit draußen schreiben, gäbe es wohl kaum jemanden, der durchfiele“, erklärt er und lacht. Und auch im Flieger würde diese Technik funktionieren. „Flugangst kann Passagieren genommen werden, wenn beim Start viel helles bläuliches Licht vorhanden ist. Im Laufe des Fluges verdunkeln wir das Licht und drehen mehr rote Farbtemperatur hinein, so dass die Menschen sich auf ihren Sitzen entspannen oder sogar einschlafen.“

Hellblau ist eben nicht hellblau, sondern ein subjektiv interpretierter Farbton. Durch die VR-Brille aber sehen wir alle das gleiche und reden auch über das gleiche.

Seniorprofessor Dr.-Ing Roland Greule, Professor für Beleuchtungs- und Lichttechnik, Farbmetrik und Eventtechnik

Licht hat aber auch noch einen anderen entscheidenden Effekt auf die Umwelt. Es hat keimabtötende Wirkung, dabei werden Viren und Bakterien zwar nicht vollständig abgetötet, aber inaktiviert, so dass sie sich nicht mehr vermehren können. Gerade in Corona-Zeiten ist dies ein probables Mittel, um zum Beispiel Schulräume, Geschäftsräume, Restaurants oder eben Flugzeugkabinen zu reinigen. Gemeint ist das UV-C. Als UV-C-Strahlung wird Ultraviolettstrahlung im Wellenlängenbereich von 100 bis 280 Nanometer bezeichnet. Von der Sonne erzeugt, ist es die kurzwelligste UV-Strahlung, wird aber bereits vor ihrem Auftreffen auf der Erdoberfläche fast komplett von der Erdatmosphäre absorbiert.

„Es gibt zwei Arten mit dieser UV-C Strahlung umzugehen“, erklärt Greule. Einmal kann man es indirekt als UV-C-Röhren in Räumen einsetzen, „man darf aber nicht hineinschauen, denn es schädigt die Augen“. In dieser Funktion reinigt es fortwährend und sehr effektiv die Luft, in dem es Keime, Erreger oder eben Viren inaktiviert. Ein anderer Weg wäre, die UV-C Strahlung direkt einzusetzen. Hier müsste man abwarten, bis die Menschen den Raum, die Gaststätte oder eben die Kabine verlassen haben. Eine Person in Schutzanzug und Brille würde anschließend durch diese gehen und Sitze, Tische und andere Flächen direkt bestrahlen. „Innerhalb von zehn bis 15 Minuten wäre der Raum keimfrei“, sagt Lichtexperte Greule. Bislang aber wird diese Technik kaum eingesetzt. „Wir haben hier ein Akzeptanzproblem. Strahlungen werden grundsätzlich als gefährlich wahrgenommen und kommen als Mittel zur Virenbekämpfung daher bei uns kaum in Frage“, so seine Erklärung. „Hier ist aber noch viel Luft nach oben“. Eine Pilotstudie dazu ist bereits in Arbeit. Von Ruhestand also keine Spur.

Text: Katharina Jeorgakopulos

Kontakt

Fakultät Design, Medien, Information (DMI)
Department Medientechnik
Prof. Dr. Roland Greule
Seniorprofessor für Lichttechnik
T +49 40 428 75-7664
roland.greule (at) haw-hamburg (dot) de

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