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Hamburgs digitaler Verkehrs-Zwilling: Forschungsprojekt hilft Hamburgs Verkehr zu verbessern

Elektromobilität, Verkehr, Logistik und die Koordination von Großereignissen stellen politische Entscheider, Behörden, Planungs- und Krisenstäbe sowie Wirtschaftsvertreter vor große Heraus-forderungen. Mit dem Forschungsprojekt „SmartOpenHamburg“ will die HAW Hamburg in Kooperation mit der Universität Hamburg ein Werkzeug schaffen, das organisatorische und logistische Entscheidungsprozesse unterstützt.

Neue Verkehrskonzepte

Verkehrssituation am Steindamm in Hamburg

Sieht man Verkehr als Ergebnis aus Verkehrsmitteln, Wegen und Regeln wird deutlich, dass es ein hochkomplexes System ist. Deshalb ist es praktisch unmöglich aus dem Bauch heraus vorher-zusagen, welche Maßnahmen welche Auswirkungen auf den Verkehr haben. Um verschiedene „Was-wäre-wenn-Szenarien“ künstlich durchzuspielen, entwickelt das Projekt "SmartOpenHamburg – Ein multi-modales Entscheidungsunterstützungs-System für die Metropolregion Hamburg“ ein Modell, das das Verkehrsgeschehen in Hamburg nachbildet – sozusagen einen digitalen Zwilling.

Mobilität in einer Smart City

Das Thema Mobilität ist ein Teil der sogenannten Smart City. Dazu gehören auch öffentlicher Nahverkehr, intelligentes Verkehrsmanagement sowie Parkraumgestaltung. Laut einer Studie hat Hamburg im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten besonders im Bereich „intelligente Verkehrssteuerung“ Nachholbedarf. Die Hansestadt braucht eine leistungsstarke Verkehrs-infrastruktur und damit verbunden einen gut funktionierenden Güter-, Pendler und Personenverkehr. Um Veränderungen im Mobilitätsverhalten bewusst zu steuern, muss in der mittel- und langfristigen Stadt- und Verkehrsplanung eine ganzheitliche Strategie vorhanden sein.

Das Forschungsprojekt SmartOpenHamburg startete Anfang 2018 als Teilprojekt der Hamburger Informatikplattform ahoi.digital. Es stellt ein Simulationswerkzeug für „Was-Wäre-Wenn-Szenarien“ zur Verfügung und ist in den Bereich smarte Mobilität der Smart City Architektur der Stadt Hamburg eingebettet. Als Gemeinschaftsprojekt von der HAW Hamburg und der Universität Hamburg wird es von Prof. Dr. Thomas Clemen aus dem Department Informatik geleitet. Es setzt sich aus einem interdisziplinären Team mit einer Geographin und fünf Informatikern zusammen.

Hamburgs digitaler Verkehrs-Zwilling: Umsetzung und Zusammenarbeit

Die digitale Stadt, die in dem Projekt bisher entwickelt wurde, besteht bereits aus dem gesamten Straßen- und Schienennetz, sowie Gebäuden und ihren Bewohnern. Jeder Einwohner Hamburgs hat damit theoretisch einen digitalen Zwilling, der seine Wege, die er am Tag zurücklegen muss, plant und Entscheidungen für Verkehrsmittel trifft. Hierfür können die Agenten, das meint die Menschen, auch zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wechseln und die schnellsten Kombinationen wählen. Dabei werden sie von den Fragen „Was muss ich als nächstes tun? Wie komme ich dahin? Und welche Wege muss ich heute noch zurücklegen?“ geleitet. Agenten in dem Modell sind selbstständige Einheiten mit eigenen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten.

Um den aktuellen und zukünftigen Verkehr zu steuern, dokumentierte und analysierte die Projektgruppe nach dem Projektstart 2018 zunächst den Status Quo. Erst nach dieser Bestands-aufnahme können verschiedene „Was-Wäre-Wenn-Szenarien“ durchgespielt werden. Zu dem Projekt gehören neben der Modell-Erstellung und der Simulation auch die Ergebnispräsentation, mit der zum planmäßigen Projektende 2020 die Erkenntnisse zusammengefasst werden.

Je nach Fragestellung werden unterschiedliche Szenarien entwickelt. Aktuell soll der Verkehr möglichst gut nachgebildet werden. Dazu gehören im normalen Stadtverkehr natürlich auch Stau, Baustellen, das Angebot des HVV aber auch die Steuerung bei Großveranstaltungen oder die intelligente Lenkung der Kreuzfahrt-Touristen.

„Die Wahl für oder gegen ein Verkehrsmittel wird grundlegend dadurch beeinflusst, wie gut das Verkehrssystem nutzbar ist. Auch persönliche Wünsche oder Einstellungen – wie zum Beispiel möglichst schnell, preiswert, bequem oder ökologisch ans Ziel zu kommen – spielen eine Rolle. Diese persönlichen Wertungskriterien sind außerdem von Faktoren wie dem Wetter, der Jahres- und Tageszeit, dem Alter oder der eigenen Fitness abhängig“, erklärt Ulfia Lenfers, die Geographin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt.

Hierfür stehen der Projektgruppe um Prof. Clemen Daten die „Urban Data Plattform“ und andere offene Datenquellen zur Verfügung. Außerdem verfügt das Forschungsteam über ein großes Know-how von der Modellentwicklung über Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data bis hin zur Entscheidungsunterstützung. Die enge Zusammenarbeit mit der Hochbahn Hamburg, dem HVV, der Urban Data Plattform, der Senatskanzlei oder auch dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) stellt dafür die Grundlage dar.

„Ein Hauptziel von SmartOpenHamburg ist es, Hamburg zu einer funktionierenden Stadt mit möglichst wenig fahrendem und parkendem Individualverkehr zu machen. Mit den erarbeiteten Konzepten soll das individuelle Mobilitätsverhalten jedes einzelnen so gesteuert werden, dass in der Summe ein besserer Mix aus allen Verkehrsmitteln entsteht. Die Wahl der Verkehrsmittel soll leichtfallen, möglichst in Echtzeit und sowohl nach persönlichen Präferenzen als auch nach externen Einflüssen wie Regen oder erhöhtem Verkehrsaufkommen individuell geschehen“, erklärt Prof. Clemen.

Aus dieser Experimentierumgebung heraus können Wissenschaftler und Experten gemeinsam „Was-wäre-wenn“-Szenarien durchspielen und für verschiedene Fragestellungen analysieren. Die Entwicklung von Szenarien ist dabei nicht auf Themen der Verkehrsplanung und -leitung beschränkt, sondern kann auch Grünflächenplanung, Kindergartenbedarfe und vieles mehr beinhalten.
(Autorinnen: Ulfia A. Lenfers, Britta Sowa, redigiert von Katharina Jeorgakopulos) 

ahoi.digital – Allianz Hamburger Hochschulen für Informatik

ahoi.digital ist eine gemeinsame Initiative der Universität Hamburg, der HAW Hamburg, der TU Hamburg und der HafenCity Universität Hamburg sowie der Wissenschaftsbehörde und versteht sich als übergreifende Informatikplattform in Hamburg. Grundlegendes Ziel von ahoi.digital ist der Ausbau der Informatik an den staatlichen Hochschulen Hamburgs, um damit die Zusammenarbeit mit Hamburger Unternehmen, Behörden und Institutionen zu stärken.

MARS

SmartOpenHamburg ist ein Projekt der MARS Gruppe (mars-group.org). Die Forschungsgruppe beschäftigt sich seit vielen Jahren mit großen komplexen Systemen. Mittels Agenten-basierter Modellierung wurden hier schon unter anderem Fußgänger-Entfluchtungsszenarien, illegaler Holzeinschlag im tropischen Regenwald, Influenzaausbreitung im öffentlichen Nahverkehroder auch Fragen zur Savannenökologie (BMBF Forschungsvorhaben EMSAfrica) bearbeitet. Erst die Erkenntnisse der Ursachen und Wirkungen eines realistisch nachgebildeten Verhaltens sind die Grundvoraussetzung, um zielgruppenspezifische Strategien und Maßnahmen zu entwickeln.

Kontakt

Ulfia A. Lenfers
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt SmartOpenHamburg
MARS-Group
T +49 40 428 75 8411
Ulfia.lenfers( (at) )haw-hamburg (dot) de

 

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