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Forschen mit Praxispartnern

Untersuchen, fragen, besser machen

Prof. Dr. Frederike Masemann aus dem Department Information setzte zusammen mit ihren Master-Studierenden und in Kooperation mit der Hamburger Sozialbehörde eine explorative Befragung zur Informationspolitik für Schutzsuchende aus der Ukraine um. Über welche Kanäle informieren sich Schutzsuchende in Hamburg? Finden Schutzsuchende passende Informationsangebote und helfen diese ihnen weiter? Hier schreibt sie über den Ausgangspunkt und die Ergebnisse dieses besonderen Studienprojektes.

Am 24. Februar dieses Jahres hat Russland den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine in unserer unmittelbaren europäischen Nachbarschaft begonnen. Millionen Ukrainer*innen sind seitdem aus ihrer Heimat geflüchtet – etwa 20.000 Menschen haben in der Hansestadt Hamburg Schutz gesucht.
Mein Forschungsinteresse liegt im Feld Medien, Migration und Integration. Zudem hatte auch unsere Familie eine ukrainische Mutter mit ihren beiden Kindern aufgenommen und mich die Situation der Schutzsuchenden so beschäftigt, dass ich zusammen mit unseren Master-Studierenden gern etwas tun wollte.

So haben wir in Kooperation mit der Sozialbehörde eine explorative Befragung zur Informationspolitik für Schutzsuchende aus der Ukraine aufgesetzt. Wir wollten herauszufinden, über welche Kanäle sich Schutzsuchende in Hamburg informieren und ob das Informationsangebot die Bedarfe der Schutzsuchenden adäquat abdeckt. Unser Ziel war es, der Sozialbehörde konkrete Anregungen zur weiteren Verbesserung des eigenen Informationsangebots mitgeben zu können.

Methode der Befragung
Um ein möglichst genaues Bild des Informationsverhaltens der Schutzsuchenden zu bekommen, entwickelten wir einen Online-Fragebogen mit offenen und geschlossene Fragen zu Informationskanälen und -angeboten. Geschlossene Fragen dienten der Skalierung der Ergebnisse. Offene Fragen hingegen gaben Raum für individuelle Anregungen. Wir haben das Online-Umfragetool „Unipark“ genutzt. Zunächst wurde die Befragung mit Hilfe von Übersetzungstools auf Russisch und Ukrainisch übersetzt und dann von Muttersprachler*innen überprüft. Hier und bei den Testläufen haben uns auch Kolleg*innen aus der Ukraine an der HAW Hamburg unterstützt.

Parallel dazu haben die Studierenden ein Plakat mit einem QR-Code gestaltet, der direkt zur Umfrage führt und die Verteilung und Weitergabe der Befragung online und offline erleichtert. 

Das macht das Profil der HAW Hamburg für mich aus: Verantwortung übernehmen und eigeninitiativ Beiträge leisten mit Forschungsansätzen, die praktische Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragen liefern.

Prof. Dr. Frederike Masemann

Zentrale Ergebnisse der Befragung
Die Befragung erreichte insgesamt 472 Aufrufe innerhalb des kurzen, einwöchigen Befragungszeitraums. 67 Teilnehmende haben die Befragung komplett abgeschlossen. Die Ergebnisse sind folglich nicht repräsentativ, können aber als ersten Impuls interessante Hinweise geben, auf was in Zukunft bei der Bereitstellung von Informationsangeboten für Schutzsuchende besonders geachtet werden sollte und an welcher Stelle sich weiterführende Untersuchungen anbieten.

1. Schutzsuchende sind über das Smartphone online. Sie beschaffen sich Informationen hauptsächlich über Social Media und Messenger. Es wird vorwiegend nach Informationen auf ukrainisch oder russischer Sprache gesucht. Die zwei häufigsten gesuchten Themen sind: Unterkünfte und Sprachkurse.
2. Die meisten Befragten sind auf die Stadt Hamburg durch die Familie aufmerksam geworden. Informationen über die Stadt und die Angebote werden in der Regel erst bei der Ankunft eingeholt. Das Angebot der Stadt Hamburg kennen zwei Drittel der Befragten über Tipps von Freunden und Bekannten. Die Informationen sind weitgehend für die Nutzer verständlich und leicht auffindbar. Textdarstellungen werden bevorzugt.
3. Die App „GERMANY4UKRAINE“ kennen nur rund 10 Prozent der Befragten. Informationen aus der App können nur teilweise die Fragen der Teilnehmer*innen beantworten. Die meisten wünschen sich lieber gebündelte, aktuelle und geprüfte Informationen zu Hamburg.
4. Messenger Dienste werden fast zu 100 Prozent von den Befragten genutzt. Telegram und Viber sind die meistgenutzten Kanäle. Die Messenger dienen vorwiegend zur Kontaktaufnahme mit Familienmitgliedern. Eine Vielzahl an Teilnehmer*innen gab an, auch Chat-Gruppen erstellt zu haben.
5. Informationen in den Unterkünften bleiben relevant und werden über direkte Kontakte der Schutzsuchenden geteilt. Informationen, die vor Ort von Helfenden bekanntgegeben werden und Informationen auf der Webseite der Stadt Hamburg, sind ebenso genutzte Angebote.

Erste Handlungsempfehlungen für die Praxis auf Basis der Befragungsergebnisse
Informationsangebote für Schutzsuchende in Hamburg sollten:

  • über Smartphones jederzeit abrufbar und für mobile Endgeräte responsiv optimiert sein
  • in den Landessprachen verfügbar, übersichtlich in Textform strukturiert und auf Inhalt und Aktualität geprüft sein
  • verstärkt über Social Media bekannt gemacht werden
  • über Chatgruppen in Messengerdiensten verbreitet werden
  • neben den online Verbreitungswegen auch offline über Aushänge an offiziellen Stellen und in Unterkünften sowie über Helfer*innen an die Zielgruppen herangetragen werden

Es bestehen auch erste Ideen für anknüpfende Forschungsaktivitäten: Einrichtung einer Fokusgruppe zu speziellen Informationsangeboten wie das der Stadt Hamburg zur Optimierung der Inhalte, Darstellungsformen und Gestaltung. Sowie qualitative Interviews mit einzelnen Schutzsuchenden für ein tiefergehendes Verständnis der Informationsbedarfe und -suche zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Und Pilotprojekte für die verstärkte Verbreitung von Informationsangeboten über Soziale Netzwerke, in Chatgruppen und über Chatbots.

Kontakt

Dr. Frederike Masemann
Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft
Prodekanin Lehre Fakultät DMI, Leiterin Department Information

frederike.masemann (at) haw-hamburg (dot) de

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Studierenden über das Projekt 

Erste Handlungsempfehlungen 

Ukraine in Hamburg - FINK. Hamburg berichtet

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