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EU-Projekt FORCE: Forschung für mehr Kreislaufwirtschaft

Das EU-Projekt "FORCE – Cities Cooperating for Circular Economy" an der HAW Hamburg forscht für die Kreislaufwirtschaft. Die Wiederverwendung von Elektro-Altgeräten steht bei dem Hamburger Forscher-Team im Mittelpunkt.

Kreislaufwirtschaft

Kreislaufwirtschaft visualisiert

Das weit verbreitete Verständnis von wirtschaftlicher Aktivität basiert auf dem linearen Modell „take – make – use and dispose“. In Zeiten von knapper werdenden Ressourcen und wachsendem Konsum ignoriert die Gesellschaft dabei die wirtschaftlichen und umweltbezogenen Kosten: Ressourcen werden erschöpft und als Müll entsorgt.

Das EU-Verbundprojekt "FORCE –Cities Cooperating for Circular Economy" erforscht seit 2016 in vier europäischen Städten die Möglichkeit, Wertschöpfungskreisläufe für unterschiedliche Stoffe zu entwickeln. Das Ziel ist es, Materialien so lange wie möglich im Kreislauf zu halten und so wenig wie möglich Müll zu produzieren. Die Hamburger Partner im Forschungsverbund sind dabei für den Bereich der Elektroaltgeräte verantwortlich. Das Forschungs- und Transferzentrum für Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement (FTZ-NK) an der HAW Hamburg koordiniert unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Leal die Aktivitäten zur kommerziellen Nutzbarmachung von Projektergebnissen für die Projektpartner.

Warum Kreislaufwirtschaft?

Laut dem „Circularity GAP Report“ von 2018 arbeitet bisher nur neun Prozent der Weltwirtschaft im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Dabei bietet diese eine Alternative, da der Wert von Produkten, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Wertschöpfungskreislauf gehalten und dadurch die Müllproduktion reduziert oder sogar vermieden werden kann.

Grundlage für Überlegungen zum Kreislaufprinzip ist die Tatsache, dass in einer Welt mit begrenzten Ressourcen nur Produktionsverfahren mit einem geschlossenen Recyclingkreislauf (stofflicher Kreisschluss) fortgeführt werden können. Denn irgendwann werden die bislang genutzten, nicht erneuerbaren Rohstoffe als Quellen aufgezehrt sein. Bisher ist das Recycling vieler Metalle aus Elektroschrott in den Industrieländern unrentabel. Hier können verbesserte Rückgewinnungstechniken und recycling-freundliche Bauarten der Geräte helfen: denn die Wiederverwendung der Geräte muss im Vordergrund stehen. „Als rohstoffarmes Land ist Deutschland im zunehmenden Maße auf den Import von Rohstoffen angewiesen, von denen einige teilweise von der europäischen Kommission als kritisch eingestuft wurden“, schreibt Dr. Henning Wilts, Leiter des Geschäftsfelds Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft benötigt jedoch einen System- und Perspektivenwechsel. Dieser Paradigmenwechsel bietet gleichzeitig neue Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum und Innovationen, die mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze einhergehen. Denn dem Recycling von Gütern, bei dem unter anderem Abfallprodukte als Sekundärrohstoffe wiederverwertet werden, kommt eine Schlüsselfunktion zu: In der Kreislaufwirtschaft (circular economy) gelangen die eingesetzten Rohstoffe über den Lebenszyklus einer Ware hinaus wieder vollständig in den Produktionsprozess zurück. „Die Kreislaufwirtschaft nimmt den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild und versucht, kaskadische Nutzungen ohne Abfälle (zero waste) und ohne Emissionen (zero emission) zu erreichen.“ (H. Wilts). Dies rekurriere wieder auf das ursprüngliche menschliche Wirtschaften, das von jeher ein Kreislaufsystem war.

EU-Forschung zur Kreislaufwirtschaft

Um dem Anspruch einer nachhaltigen Wirtschaft in Europa gerecht zu werden, hat die EU-Kommission im Jahr 2015 einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft aufgelegt (European Commission 2015). In diesem Aktionsplan sind viele Maßnahmen zur Förderung des wirtschaftlichen Umbaus zusammengefasst. Sie beinhaltet auch die Förderung von Forschungsprojekten im Rahmen des EU-Förderprogramms HORIZON 2020. Einer der Hauptschwerpunkte des Förderprogrammes ist „Abfall“. „Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Transformation der linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft, in der der Abfall eines Prozesses zum sekundären Rohmaterial eines anderen Prozesses wird“, erläutert Projektkoordinator Prof. Walter Leal, Leiter des FTZ-NKs an der HAW Hamburg.

Forschung im EU-Projekt FORCE

Das Projekt FORCE vereint 22 nationale wie internationale Partner. Entsprechend der Zielsetzung, Abfall zu reduzieren oder ganz zu vermeiden, entwickelt FORCE neue Konzepte für die Wiederwertung und Weiternutzung von Kunststoff, Biomasse, Elektroaltgeräten und Holz. Der Fokus in Hamburg liegt dabei auf den Elektroaltgeräten. Die darin enthaltenen Metalle sollen im Wertstoffkreislauf gehalten werden. „Dabei geht es nicht nur um rein technische Entwicklungen. Ein wichtiger Ansatz im Projekt ist die stärkere Vernetzung und Kooperation aller Beteiligten des Wertschöpfungskreislaufes“, sagt Prof. Leal.

„Wir am FTZ-NK leiten das Arbeitspaket `Exploitation, replication and market deployment activities´ (Wirtschaftliche Nutzung, Vervielfältigung und Markteinführung) und sind für die Koordinierung aller Aktivitäten zur kommerziellen Nutzbarmachung von Projektergebnissen zuständig“, fasst Prof. Leal seinen Forschungspart im EU-Projekt zusammen. Ziel sei es, Business-Modelle für den Markt zu entwickeln. „Wir führen in unterschiedlichen Städten Business-Stakeholder-Workshops durch, um Beteiligte der Wertschöpfungskreisläufe zusammenzubringen und Erfahrungen auszutauschen.“

Die Projektleitung für die diversen Abfallströme haben die beteiligten europäische Städte untereinander aufgeteilt. „In Kopenhagen liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Plastik, in Genua auf Holz und in Lissabon auf Biomasse“, so Leal.

Ziele von FORCE bis 2020

Für die einzelnen Stoffströme Kunststoff, Biomasse, Elektroaltgeräte und Holz sollen Netzwerke mit beteiligten Akteuren aller Stufen des Wertschöpfungskreislaufes aufgebaut werden. Mit Partnern aus Stadtverwaltungen, Betrieben und Wissenschaft sowie mit Bürgerbeteiligung werden gemeinsam öko-innovative Lösungen entwickelt.

· Am Ende sollen zehn anwendungsorientierte Lösungen für die Sparten Plastikabfall, Elektroaltgeräte, Biomasse und Holzabfall für den Endverbrauchermarkt entwickelt worden sein.

· Ein Governance-Modell für Städte basierend auf einer sogenannten „value-chain-partnership“ (Partnerschaft für die Wertschöpfung) soll bereitgestellt werden. Das Modell zielt auf die Vernetzung aller am Wertschöpfungskreislauf beteiligten Institutionen: vom Designer bis zum Müllsammler und Wiederverwerter.

· Mit Hilfe digitaler Technologien werden große Datenmengen über gebrauchte Elektrogeräte und deren Marktwert ermittelt und Anwendern zur Verfügung gestellt.

· Eine breite Kommunikation der Ergebnisse des Projektes im Rahmen der FORCE Academy mit Veranstaltungen für Unternehmen, Bevölkerung und Politik soll erfolgen. Die FORCE Academy dient im Projekt als Drehscheibe für den Wissenstransfer und den Austausch von Best-Practice-Beispielen unter Experten.

Neues Denken schafft neue Produkte

Dem Design kommt im Kreislauf eine entscheidende Rolle zu. Innovative Lösungen für Produkte und Prozesse ohne Müllerzeugung benötigen neue Grundsätze für das Design. „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette sollen Rohstoffproduzenten, Produktdesigner, der Handel, Konsumenten und auch abfallwirtschaftliche Akteure gemeinsam an optimierten Lösungen arbeiten, anstatt sich weiterhin alleine auf `ihre´ Elemente der Kette (optimierte Rohstoffgewinnung, Prozessoptimierung, verbesserte Recyclingquoten etc.) zu konzentrieren“, schreibt Wilts.

Noch werden in vielen Bereichen der Wertschöpfungskette entsprechend des linearen wirtschaftlichen Denkens „nur die Nachbarn rechts und links involviert“, erklärt Leal. „Für den echten Kreislauf muss aber zum Beispiel beim Design die Phase nach der Nutzung schon mitgedacht werden und die Beteiligten müssen Informationen austauschen. Jeder in der Wertschöpfungskette Involvierte, muss über alles Bescheid wissen. Das erfordert ein neues Denken. Erst so können Produkte wirklich nachhaltig entwickelt werden.“
(Autorinnen: Katharina Jeorgakopulos/Ivonne Stresius. Quellen: Henning Wilts, Deutschland auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft, FES 15/2016 und Wikipedia)

 

Kontakt

HAW Hamburg
Forschungs- und Transferzentrum für Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement (FTZ-NK)
Prof. Dr. Walter Leal
Tel: ++49 .40 42875-6313
walter.leal2 (at) haw-hamburg (dot) de

Ivonne Stresius
Tel: ++49 .40 42875-6107
Ivonne.stresius (at) haw-hamburg (dot) de

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