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EU-Forschungsprojekt

Bioplastik im Fokus – auch Thema des Aktionstags Aufklärung 2.0

Einen breiten Raum am Forschungs- und Transferzentrum Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement (FTZ NK) nimmt die Frage ein, wie man herkömmliche Kunststoffe ersetzen kann, um auf diese Weise eines der größten Probleme unseres Planeten lösen zu können: Die weltweite Verschmutzung mit Plastikmüll.

Kunststoffe sind ewig haltbar in Meeren und gefährden die Umwelt

Fangnetze aus Plastik im Meer und am Strand

Im Oktober 2019 startete unter der Leitung von Professor Dr. Dr. Walter Leal, dem Gründer des FTZ NK, das Projekt „Bio-plastics Europe“. Bei dem Verbundprojekt, das im Rahmen des EU-Programms Horizon2020 mit 8,4 Millionen Euro gefördert wird, geht es zum einen um die Entwicklung nachhaltiger Materialien: sogenannte biobasierte Kunststoffe. Zum anderen sollen nachhaltige Lösungen entwickelt werden, welche die Kunststoffstrategie der Europäischen Union unterstützen und sich an der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft orientieren. Alles zusammen dient dem Ziel, die Schäden, die Plastikmüll in der Umwelt anrichtet, zu vermeiden oder mindestens erheblich zu senken. Besonders wichtig ist das bekanntermaßen für die Ökosysteme der Meere, aber auch für die Lebensräume an Land. Außerdem trägt der künftige Einsatz von biobasierten Kunststoffen dazu bei, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.

In diesem bis 2023 laufenden Projekt vereinen sich zwei wichtige Anliegen von Professor Leal: Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement „ganzheitlich und durch anwendungsorientierte Projekte zu erarbeiten“, erklärt er. Mit der Gründung des FTZ NK im Jahr 2007 an der HAW Hamburg wollte er „sicherstellen, dass Projektergebnisse in die Praxis umgesetzt werden.“

Die im Rahmen des EU-Bioplastik-Projektes entwickelten neuen Materialien sollen aus nachwachsenden Rohstoffen stammen, möglichst ohne dabei in Konkurrenz zur Lebensmittel-Produktion zu stehen. Zu den 22 Projektpartnern gehören Hochschulen aus einem Dutzend europäischer Länder von Finnland bis Italien, wissenschaftliche Einrichtungen sowie einige Unternehmen der Verpackungsindustrie. Die gesamte Wertschöpfungskette soll mit einbezogen werden, vom Materialproduzenten über die Verbraucher bis zur Kompost- und Recyclingbranche.

Das schafft eine solide Basis für die Weiterentwicklung jener Kunststoffe, die weniger gefährlich für Mensch und Umwelt sind.

Professor Dr. Dr. Walter Leal, Gründer des FTZ-NK und Leiter des Projekt „Bio-plastics Europe“

„Seit Beginn des Projektes wurden elf Forschungsarbeiten veröffentlicht und fünf Prototypen für biobasierte Kunststoffe entwickelt,“ resümiert Leal. „Außerdem wurde mit der Erstellung eines Sicherheitsprotokolls begonnen, um die Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von Bioplastik gewährleisten zu können.“ Zu den Schwerpunkten gehört auch, die Lebenszyklen von Produkten aus ökologischer und ökonomischer Sicht zu bewerten, innovative Produkte zu entwickeln sowie Geschäftsmodelle für eine effiziente Wiederverwendung der eingesetzten Materialien. Die Forscher erarbeiten produktspezifische Testverfahren, auf deren Basis später einmal EU-weit gültige Standards festgelegt werden können. Im Fokus steht die Herstellung von Lebensmittel-Verpackungen und Ausrüstung in der Landwirtschaft, Schifffahrt, Fischerei, Aquakultur oder von Spielzeug.

Die Schwierigkeit bei der Herstellung von alternativen Kunststoffen besteht darin, derartige Materialien so aufzubereiten, dass deren thermo-mechanischen Eigenschaften mit denen von Plastik vergleichbar sind. Dazu ist allerdings der Einsatz von Chemikalien notwendig. Und weil nach Gebrauch von nachhaltigen Kunststoffen diese Chemikalien bei der Zersetzung wieder freiwerden, müssen auch deren potenzielle Folgen für die Umwelt untersucht werden.

Wie das Ausgangsmaterial der Kunststoff-Prototypen auf Pflanzen und Tiere an Land oder in Gewässern wirken, untersuchen Wissenschaftler ebenfalls, sowohl im Labor als auch in Feldstudien. „Das schafft eine solide Basis für die Weiterentwicklung jener Kunststoffe, die weniger gefährlich für Mensch und Umwelt sind“, sagt der Biologe Leal, der an der HAW Hamburg Klimafolgenmanagement und Gesundheit lehrt und als international bekannter Klimaexperte auch zu den Leitautoren des Weltklimarates (IPCC) gehört. Außerdem verfügt er über viel Erfahrung mit nationalen und internationalen Projekten, deren Gesamtvolumen bei über 80 Millionen Euro liegt. 

Bei medizinischen Masken besteht derzeit ein Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Effektivität, für den es noch keine Lösung gibt.

Masterstudentin Maren Fendt schreibt ihre Abschlussarbeit im Rahmen des internationalen Studiengangs „Health Sciences“ am FTZ-NK

Ein spezielles Thema, das seit der Corona-Pandemie jeden Menschen im Alltag betrifft, ist der massenhafte Einsatz von medizinischen Schutzmasken, sogenannte OP- und FFP-Masken. Sie bestehen zum Großteil aus Kunststoffen, die biologisch nicht abbaubar sind und in der Umwelt mehrere hundert Jahre fortdauern. Kunststoffe enthalten zudem Chemikalien (z. B. Weichmacher), die das Hormonsystem von Menschen und Tieren beeinflussen können. Was das allerdings für den Gebrauch von medizinischen Masken bedeutet, ist bislang unklar. Reine Baumwollmasken hingegen wären diesbezüglich zwar unbedenklich und auch umweltverträglicher, schützen aber nicht effektiv genug vor dem Corona-Virus. Somit bestehe derzeit ein „Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Effektivität, für den es noch keine Lösung gibt“, erläutert Maren Fendt, die sich für ihre Masterarbeit im Rahmen des internationalen Studiengangs „Health Sciences“ am FTZ-NK mit diesem Konflikt beschäftigt. Dahinter steht ein potenziell riesiger Markt. „Viele Forschergruppen und Start-ups versuchen, nachhaltige und effektive Masken zu entwickeln“, sagt Fendt. „Aber im Moment geht es nicht ohne Kompromisse.“ 

Text: Monika Rößiger

Weitere Informationen:

Die HAW Hamburg veranstaltet am 2. Juni einen Aktionstag zu einer neuen Aufklärung mit einer Keynote von Prof. Ulrich von Weizsäcker. Mit dem digitalen Aktionstag will die HAW Hamburg einen Beitrag leisten, Hochschulen als Räume des Zukunftsdenkens zu gestalten. Studierende, Expert*innen und die interessierte Öffentlichkeit diskutieren im Rahmen des Aktionstags das Thema Nachhaltigkeit gemeinsam und fachübergreifend aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen.

Weitere Forschungsprojekte am FTZ NK:

  • Klimanutzung und Landnutzung in Gambia (CCLUM)
  • Epidemiologische Überwachung von Infektionskrankheiten in Subsahara Afrika (ESIDA)
  • Klimabildung in den Gesundheitswissenschaften und Public Health (KlimaGESUND)

www.haw-hamburg.de/ftz-nk/

Kontakt

Fakultät Life Sciences
Department Gesundheitswissenschaften
Prof. Dr. Walter Leal (BSc, PhD, DSc, DPhil, DeD, DL, DLit)
Leiter des FTZ-NK
T +49 40 428 75-6313
walter.leal2 (at) haw-hamburg (dot) de
 

FÜR RÜCKFRAGEN DER MEDIEN
Dr. Katharina Jeorgakopulos
Pressesprecherin und Pressereferentin
T +49 40 428 75 91 32
presse (@) haw-hamburg.de

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