Tüftler sind hier richtig

Beke Kühl
Beke Kühl,Studentin der Elektrotechnik und Informationstechnik
Schiffe nachhaltiger machen oder Kindern die Natur näherbringen – Absolvent*innen des Studiengangs Elektrotechnik und Informationstechnik bieten sich vielfältige Möglichkeiten und gute Berufschancen.

Beim Erarbeiten der mathematischen und technischen Grundlagen ist zwar manchmal Dranbleiben und Durchhalten gefragt, doch bei der praktischen Umsetzung in den Laboren wird vieles schnell „greifbar“. Und der Einsatz lohnt sich, finden Beke Kühl und Bjarne Spalding. Kühl studiert in der klassischen Variante, Spalding dual mit integrierter Berufsausbildung.

An der HAW Hamburg bin ich wegen der praxisbezogenen Ausbildung, aber auch wegen der hochschuleigenen Labs, wie dem 3D Labor oder dem Living Place.

Beke Kühl

In der Bachelor-Arbeit von Beke Kühl geht es um die Entwicklung eines Ultraschall-Adapters für Smartphones, um Fledermäuse zu detektieren. „Mit einer solchen Anwendung lässt sich Kindern und Jugendlichen die Natur einfach und kostengünstig nahebringen“, erklärt die 27-Jährige, die – bevor sie sich für den Studiengang Elektrotechnik und Informationstechnik entschied – mit dem Gedanken an ein Studium auf Lehramt gespielt hatte. Doch das Interesse an Technik war stärker. „Wenn in der Nachbarschaft irgendwo ein Gerät kaputt ging – mein Vater hat es repariert. Bei uns gab es alle nur denkbaren Werkzeuge. Das prägt“, lacht Kühl. Nach dem Abitur zog es sie allerdings zunächst hinaus in die Welt. „Ich war für ein Jahr als Au-pair in den USA, doch noch vor dem Auslandsaufenthalt habe ich mir einen Ausbildungsplatz zur Mechatronikerin bei Dräger in Lübeck gesichert.“ 

Mechatroniker*innen montieren, installieren und warten Maschinen, Anlagen und Systeme. Kühl aber wollte die den Maschinen zu Grunde liegende Technik verstehen – und deshalb studieren. Nach Hamburg kam sie der Liebe wegen und zur HAW Hamburg haben ihr Dräger-Kollegen geraten. „Wegen der praxisbezogenen Ausbildung, aber auch wegen der hochschuleigenen Labs, wie dem 3D Labor oder dem Living Place, wo Smart-Home-Technologie erforscht wird.“ 
 

Modell "Duales Studium": Doppelter Abschluss = doppelte Belastung?

Bjarne Spalding führte sein Ausbildungsunternehmen Siemens Energy zur HAW Hamburg. Auch für ihn stand fest: Ein technisches Studium sollte es sein. „Ich habe beim Schulmusical die Technik übernommen, mich für das naturwissenschaftliche Profil entschieden und auch schon halb mein Hobby zum Beruf gemacht – als selbständiger DJ mit komplettem Veranstaltungstechnik-Equipment“, erzählt der 21-Jährige. Auch in der HAW Hamburg hat Spalding schon aufgelegt. Aber vor allem wollte er dual studieren. Bei der Kombination von Berufsausbildung und Hochschulstudium bewerben sich potentielle Studierende bei den ausbildenden Unternehmen. „Ich hatte tatsächlich mehrere Zusagen, aber bei Siemens hat einfach alles gepasst.“ Also begann er 2017 sein Studium Elektrotechnik und Informationstechnik in der ausbildungsintegrierenden Variante mit Doppelabschluss: Berufsabschluss Elektroniker für Automatisierungstechnik – „da steht jetzt im Sommer meine Prüfung vor der IHK an“ – und nach neun statt sieben Semestern ein Bachelor of Science.

Es ist ein Studium für Tüftler. Wer schon immer gern Geräte auseinandergebaut hat, um sie wieder neu – und möglichst besser – zusammenzubauen, ist hier richtig.

Bjarne Spalding

Doch bedeutet doppelter Abschluss nicht auch doppelte Belastung? „Nicht wirklich“, findet Spalding. „Das duale Studium ist nicht schwieriger als das klassische. Wir besuchen die gleichen Vorlesungen und haben den gleichen Stundenplan. Nur dass wir in den Semesterferien unsere Praxisphasen im Unternehmen durchlaufen.“ Spalding reizte am dualen Studium die Verzahnung von Theorie und Praxis – und die Ausbildungsvergütung. Siemens zahlt seinen Dualstudierenden eine tariflich geregelte Vergütung, die aktuell im ersten Jahr bei knapp 1.050 Euro startet und im vierten Jahr bei gut 1.200 Euro liegt. „Ich bin für das Studium von Neumünster nach Hamburg gezogen und hätte für meine Lebenshaltungskosten nebenbei jobben müssen. So kann ich mich ganz aufs Studium konzentrieren“, sagt Spalding.

Zudem helfe das Ausbildungsunternehmen im Rücken dabei, Hänger im Studium leichter durchzustehen. „Gerade die ersten beiden Semester sind eher trocken. Da stehen die Grundlagen in Mathe, Physik und Programmieren auf dem Stundenplan.“ Überhaupt habe er sich erstmal ins Studieren einfinden müssen. „In der Schule ist mir vieles zugeflogen, an der Hochschule musste ich mir den Stoff oft erst intensiv erarbeiten.“ Das so Gelernte dann aber bei Siemens real anwenden zu können, habe zu echten Erfolgserlebnissen geführt. Besonders gut hat er seinen ersten Außeneinsatz in Erinnerung. „Ich bin bei Siemens in der Schiffbau-Sparte tätig und wurde auf eine Fähre geschickt, um einen Kondensationstrockner zu installieren. Zuvor hatte es an Bord gebrannt, ein Defekt an einem Motor. Der Brand wurde erfolgreich gelöscht. Nun musste alles gründlich durchtrocknen, damit die entstandenen Brandgase nicht den empfindlichen Generator angreifen“, erzählt Spalding.

Auch seine berufliche Zukunft könnte er sich im Bereich Schiffsbau vorstellen. Vor allem der Ansatz, Schiffe grüner zu machen, reizt ihn. So hat Siemens etwa zusammen mit dem norwegischen Schiffsbauer Fjellstrand eine Fähre entwickelt, die nur mit Strom angetrieben wird. „An solchen Zukunftsprojekten würde ich gern mitwirken.“ Das nötige Rüstzeug biete ihm das Studium durchaus, ist Spalding überzeugt. „Es ist ein Studium für Tüftler. Wer schon immer gern Geräte auseinandergebaut hat, um sie wieder neu – und möglichst besser – zusammenzubauen, ist hier richtig.“

Eine gewisse Frustrationstoleranz ist hilfreich

Getüftelt wird auf dem Hochschulcampus am Berliner Tor vor allem in den verschiedenen Laboren, etwa für Automatisierungstechnik, Digitale Systeme oder Elektrotechnik, erklärt Kühl. „Wir fragen zum Beispiel: Wie baut sich ein Magnetfeld auf und wie wirken sich Temperatur oder andere Umwelteinflüsse auf Elektronikkomponenten aus? Durch den Versuchsaufbau begreift man die Zusammenhänge viel besser.“ Dabei sei jedoch manchmal auch ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz gefragt. „Wenn mal Versuche nicht gleich gelingen wollen oder das Gefühl aufkommt, ´ich verstehe aber auch gar nichts` – einfach dranbleiben und Hilfe holen. Die Dozenten sind da“, verspricht Kühl.  

So wie Kühl sind auch ihre vier Kommilitoninnen drangeblieben. Noch immer sind Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen unterrepräsentiert. Probleme mit den überwiegend männlichen Kommilitonen gab es jedoch nicht. „Überhaupt nicht. Der einzige Unterschied lag vielleicht in Äußerlichkeiten. Wenn wir Frauen zum Beispiel ein Anwenderdisplay programmiert haben, musste auch die Optik stimmen“, lacht sie. 

Nach ihrem Bachelor-Abschluss würde Kühl gern weiter studieren, im Masterstudiengang Automatisierung. „Gern an der HAW Hamburg – wenn ich einen Platz ergattere. Mein Notendurchschnitt ist wirklich nicht schlecht, aber es kommt natürlich auch auf die Konkurrenz an.“
Text: Yvonne Scheller

Weitere Informationen:

Informationen zum Studiengang

Fünf Fragen an... Heike Neumann, Professorin für Angewandte Mathematik und Software Engineering an der Fakultät Technik und Informatik sowie Studiengangskoordinatorin des Bachelor-Studiengangs Elektro- und Informationstechnik.