Der Aha-Effekt beim dualen Studium

Marie-Charlott Kuse vor dem Detektor ARGUS auf dem DESY-Gelände.
Marie-Charlott Kuse,studiert dual Elektrotechnik und Informationstechnik
Ein duales Studium kombiniert Theorie- und Praxisphasen. Die Studierenden können das an der Hochschule Gelernte somit gleich praktisch im Unternehmen anwenden. Das steigert die Motivation, erzählt Marie-Charlott Kuse, die Elektrotechnik und Informationstechnik studiert.

Wissenschaftler*innen aus aller Welt kommen nach Hamburg, um am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) zu forschen. Marie-Charlott Kuse und ihre Kolleg*innen sorgen dafür, dass die Anlagen stets sicher und betriebsbereit sind. Das nötige Handwerkszeug lernt die 26-Jährige sowohl an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Hamburg) im dualen Studium „Elektrotechnik und Informationstechnik“ als auch bei DESY, ihrem Ausbildungsunternehmen und Arbeitgeber.

In der Vorlesungszeit sind wir Vollzeit an der HAW Hamburg, in der vorlesungsfreien Zeit dann Vollzeit bei DESY, ziehen den Blaumann über und tauchen ein in die Tunnel der Beschleunigungssysteme

Marie-Charlott Kuse

Ein duales Studium kombiniert Theorie- und Praxisphasen. „Wir orientieren uns an den Semesterzeiten. In der Vorlesungszeit sind wir Vollzeit an der HAW Hamburg, in der vorlesungsfreien Zeit dann Vollzeit bei DESY, ziehen den Blaumann über und tauchen ein in die Tunnel der Beschleunigungssysteme“, erklärt Kuse den Aufbau ihres „praxisintegrierten Studiums“ – so der Fachausdruck der dualen Variante.

Das Besondere am dualen Studium: Das in der Hochschule erworbene Wissen wird durch die zeitnahe praktische Anwendung im Betrieb viel stärker im Gedächtnis verankert – was wiederum die Studienmotivation stärkt. „Unsere dualen Studierenden erleben das, was sie im Hörsaal hören ‚Hands-on‘ im Unternehmen. So wissen sie genau, wofür sie studieren und das motiviert natürlich“, weiß Michael Erhard, Professor für Regelungstechnik am Department Informations- und Elektrotechnik der HAW Hamburg. Schließlich sei beim dualen Studium die Übernahme von Anfang an geplant. „So ist für die Absolvent*innen Jobsuche kein Problem. Und es droht auch kein Praxisschock, denn sie sind von Anfang an in ihre spätere Arbeitswelt integriert“, so Erhard. Die Arbeitswelt wiederum profitiert vom Wissenstransfer aus der Hochschule in die Unternehmen. Die Studierenden tragen neuste wissenschaftliche Erkenntnisse und Impulse direkt in ihre Ausbildungsbetriebe.

Zudem führe der duale Ansatz zu einer besonders fokussierten Studienhaltung, hat der Professor festgestellt. „Der Studienplan ist ja für die dualen wie die klassischen Studierenden derselbe, sie besuchen die gleichen Vorlesungen. Und da lässt sich schon feststellen, dass die Studierenden in der dualen Variante oftmals organisierter und zielgerichteter sind.“

Liegt das vielleicht an der Doppelbelastung eines dualen Studiums? „Nein“, winkt Kuse ab. „Durch die zeitliche Abgrenzung von Hochschul- und Betriebsphasen, können wir uns immer voll und ganz auf die jeweilige Station konzentrieren. Im Grunde sind wir normale Studierende – nur eben ohne Semesterferien“, lacht sie.

Stattdessen haben die dual Studierenden Anspruch auf Urlaub, ganz wie jede*r andere Arbeitnehmer*in auch. „Denn für die Praxisphasen während der Semesterferien werden sie ja bezahlt“, betont Prof. Erhard. „Duale Studierende erhalten ein Gehalt, wie Auszubildende. So müssen sie sich keinen Job neben dem Studium suchen, sondern sind bereits in ihrem zukünftigen Berufsfeld tätig, statt vielleicht in einer Kneipe zu jobben.“

Durch die zeitliche Abgrenzung von Hochschul- und Betriebsphasen, können wir uns immer voll und ganz auf die jeweilige Station konzentrieren. Im Grunde sind wir normale Studierende – nur eben ohne Semesterferien

Marie-Charlott Kuse

Tatsächlich war die (Ausbildungs-)Vergütung ein wesentliches Argument für Kuses Entscheidung, dual zu studieren. „Ich komme aus der Nähe von Halle, bei meinen Eltern zu wohnen war also keine Option. Dank meines Gehalts kann ich mich nun ganz auf das Studium konzentrieren und für meine Miete ist gesorgt.“ Und mit steigendem Gehalt – von Studienjahr zu Studienjahr – entwickelte sich auch Kuses Wohnsituation. „Anfangs hatte ich ein Zimmer in einem Studentenwohnheim, dann eine Ein-Zimmer-Wohnung am Rand von Hamburg und jetzt bin ich mit meinem Freund in eine 3-Zimmer-Wohnung in Wandsbek gezogen.“

Inzwischen steht Kuse kurz vor ihrer Bachelor-Arbeit, die sie als Dual-Studierende mit ihrem Arbeitgeber abgestimmt hat. „Ich werde eine Regelung für den Kältekreislauf bei DESY entwerfen und untersuchen, ob es energetische Optimierungsmöglichkeiten in diesem Bereich gibt.“ Inhalte wie der systematische Entwurf und die Konstruktion von elektrischen und elektronischen Bauelementen sowie Steuer- und Regelungstechnik standen bei Kuse schon früh auf dem Stundenplan – ebenso wie Grundlagen in Mathematik, Physik, Elektrotechnik und Elektronik. „Das heißt jetzt aber nicht, dass wir Tag für Tag Seitenweise Formeln pauken mussten“, beruhigt die angehende Elektroingenieurin. „Es gibt an der HAW Hamburg eine Reihe von Laboren, in denen die Formeln in praktischen Versuchen zur Anwendung kommen.“ So bekommen die Studierenden etwa Schaltpläne auf Papier, die an Schalttischen real nachgebaut werden. Und die anfangs noch kleinen Übungen führen zum Aha-Effekt im Unternehmen, wenn das Große und Ganze deutlich wird. „In unserer Arbeit ist Genauigkeit gefragt. Wir müssen exakt bestimmen, wie viel elektrischer Strom durch eine Anlage fließen soll. Im Gigaherz-Bereich fangen Bauteile leicht an zu schwingen, was zu Schädigungen führen kann. Unsere Aufgabe ist es dann beispielsweise robustere Schaltungen oder optimierte Regler zu entwickeln“, so Kuse.

Unsere dualen Studierenden erleben das, was sie im Hörsaal hören ‚Hands-on‘ im Unternehmen. So wissen sie genau, wofür sie studieren und das motiviert natürlich.

Prof. Michael Erhard

Dazu in der Hochschule ‚gefahrlos‘ üben und experimentieren zu können, sei schon sehr hilfreich, ebenso wie das spielerische Herantasten ans Programmieren. „Eine Aufgabe lautete, einen Code für das Spiel ‚Vier gewinnt‘ zu schreiben“, erzählt Kuse. Was nach Spaß klingt, erwies sich als echte Herausforderung, für die Frusttoleranz gefragt war. „Eine Fehlermeldung jagte die nächste. Aber als das Programm nach gefühlten 100 Versuchen plötzlich genau das tat, was es sollte – das war ein echter Glücksmoment!“ Und gab Zuversicht für ihrem Arbeitsalltag bei DESY. „Wir betreiben bei unserer Arbeit oft Ursachenforschung. Wenn etwas nicht funktioniert, dann bauen wir das Bauteil aus und testen es im Labor. Es kann allerdings schon mal eine Weile dauern, bis wir herausfinden, wo das Problem liegt. Aber wenn du den Fehler gefunden und behoben hast, ist das ein richtig gutes Gefühl.“

Solche Erfolgserfahrungen tragen durchs Studium. Denn ob dual oder klassisch, ein Ingenieurstudium ist fordernd, bestätigt Kuse. Sich von Anfang an zu disziplinieren und den Stoff nicht bis kurz vor die Klausuren aufzuschieben, sondern kontinuierlich am Ball zu bleiben, sei wichtig. „Denn die Klausurenphase kommt irgendwie immer überraschend“, lacht sie.

Text: Yvonne Scheller

Drei Statements von Hans-Jörg Eckoldt

Ansprechpartner für dual Studierende im Bereich Elektrotechnik und Informationstechnik bei DESY

Was sind die Vorteile für dual Studierende bei DESY?
Die spannenden Praxisphasen, in denen das Gelernte sofort umgesetzt werden kann. Unsere dual Studierenden lernen direkt an der Technologie, die für die Beschleuniger eingesetzt wird – und sie lernen und arbeiten in einem internationalen Umfeld. Wer will, kann zudem eigene Projekte umsetzen.

Wie sieht das Bewerbungsverfahren aus?
Die Bewerbung für ein duales Studium erfolgt immer über das Ausbildungsunternehmen und wir suchen dabei nach besonders motivierten Bewerber*innen. Wichtig ist also ein großes Interesse an elektro-technischen Fragestellungen sowie Spaß an Mathematik und Physik. Eine bereits absolvierte Ausbildung wird gern gesehen, ist aber kein Muss.

Warum kooperiert DESY mit der HAW Hamburg?
Das duale Studium schließt ja mit einem Bachelor ab und für die Hochschulausbildung im Bereich Elektrotechnik ist die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg weit vorn.

 

Portrait Hans Joerg Eckoldt

Wichtig ist Spaß an Mathematik und Physik

Hans-Jörg Eckoldt

Duales Studium Elektro­technik und Infor­mationstechnik an der HAW Hamburg

Es stehen zwei Varianten zur Wahl:

  • Praxisintegriertes Studium: Regelstudienzeit 7 Semester, Abschluss Bachelor of Science (B.Sc.).
  • Ausbildungsintegrierendes Studium: Regelstudienzeit 9 Semester, Abschluss Bachelorof Science (B.Sc.) und zusätzlich ein Industrie- und Handelskammer Abschluss (IHK).

Die Bewerbung für ein duales Studium erfolgt bei dem Kooperationsunternehmen. Ist die Bewerbung erfolgreich, ist die Zusage für den Studienplatz an der HAW Hamburg in der Regel nur noch Formsache.

Wichtig:
Unbedingt rechtzeitig bewerben. Bei vielen Unternehmen finden die Bewerbungs- und Auswahlphasen bereits ein Jahr vor Studienbeginn statt.

Der Wechsel von einem dualen Studienformat ins reguläre Studium ist möglich. Ein Wechsel aus dem regulären Studium in ein duales Studienformat ist allerdings nicht möglich.

Weitere Informationen: www.haw-hamburg.de/ti-dual-studierende/