Die noch immer aktuelle Studie, veröffentlicht im Februar 2023 im renommierten Fachjournal Appetite (https://doi.org/10.1016/j.appet.2022.106382), zeigt: In Deutschland verbreiten sogenannte "Kid Influencer" auf YouTube in großem Stil Werbung für ungesunde Lebensmittel. Und zwar genau dort, wo es am sensibelsten ist – in den Kinderzimmern.
Die Studie unter Leitung von Prof. Dr. Stephan G.H. Meyerding vom Department Ökotrophologie an der Fakultät Life Sciences der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg untersuchte die Inhalte von vier der beliebtesten deutschsprachigen YouTube-Kanäle, die von Kindern unter 13 Jahren betrieben werden. Jasmin D. Marpert, zweite Autorin der Studie, war verantwortlich für die Datenerhebung.
Das Forscherteam analysierte 373 Videos – darunter jeweils die 50 beliebtesten und die 50 neuesten der vier Kanäle. Das Ergebnis: In rund 70 Prozent der Videos wurden Lebensmittel oder Getränke gezeigt, häufig auch bekannte Marken. In 89 Prozent dieser Fälle aßen oder tranken die jungen YouTuber die Produkte selbst – was deren Einfluss auf gleichaltrige Zuschauer verstärken dürfte.
Besonders alarmierend: Zwei Drittel der markengezeigten Produkte, bei denen eine Nährwertbewertung möglich war, erhielten im Nutri-Score die schlechtesten Kategorien D oder E. Marken wie McDonald’s, Kinder, Pringles, Coca-Cola oder Nutella tauchten besonders häufig auf – meist ohne Kennzeichnung als Werbung.
Kinder sind durch Influencer*innen-Werbung besonders gefährdet
„Diese Videos suggerieren Normalität und Spaß – doch sie vermitteln auch, dass Cola und Chips zum Alltag gehören“, warnt Studienleiter Prof. Meyerding. „Gerade Kinder können die Werbebotschaften kaum als solche erkennen – und sind deshalb besonders beeinflussbar.“ Zwar wurden auch gesunde Lebensmittel wie Obst oder Gemüse gezeigt – doch meist im Rahmen von „Challenges“, bei denen gesunde Optionen als Strafe und Süßigkeiten als Belohnung inszeniert wurden. So wird ein verzerrtes Bild von Ernährung transportiert.
Die Implikationen der Studie sind weitreichend:
- Für die Politik: Die aktuelle Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie greift zu kurz. Striktere gesetzliche Regelungen – wie etwa ein Werbeverbot für ungesunde Produkte vor 21 Uhr oder im Internet – könnten helfen, Kinder besser zu schützen. Großbritannien hat hier bereits Maßnahmen angekündigt.
- Für Eltern: Viele unterschätzen den Einfluss von YouTube-Videos. Es lohnt sich, gemeinsam mit Kindern über Inhalte zu sprechen, Werbung zu entlarven – und zu hinterfragen, warum Schokolade plötzlich so cool wirkt.
Die Studie macht deutlich: Wenn Kinder andere Kinder beeinflussen – und dabei Zucker, Fett und Werbung im Spiel sind – ist ein kritischer Blick dringend nötig. Denn was heute Klicks bringt, könnte morgen die Gesundheit beeinträchtigen.