012-Kräfte beim Gießen

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Diesmal soll es um Kräfte beim Sandguss gehen.

Ich vermute, dass es heute kein Kind mehr gibt, das in der Grundschule der Unterrichtseinheit "Schwimmen, Schweben, Sinken" entkommen kann. Also, wie war das nochmal?

Ist die durchschnittliche Dichte eines Körpers gleich der Dichte des umgebenden Mediums, schwebt er darin. Ist die Dichte des Körpers kleiner, steigt er auf, ist sie größer, versinkt er. So weit so einfach.

Vergleichen wir also einmal die Dichten der Werkstoffe beim Sandguss:

Beim Werkstoff des zu fertigenden Werkstücks: Grauguss mit hohem Graphitanteil liegt bei 7,2 g/cm³ oder Stahlguss bei 7,85 g/cm³.
Beim Formstoff, das war die Mischung aus Formsand und Binder: ca. 1,5 g/cm³

Daraus folgt, dass der Formstoff in der Schmelze schwimmen würde. Aber wieso ist das relevant? Wir werfen doch nicht die Form in die Schmelze, sondern füllen die Schmelze in die Form.

Betrachten wir zunächst einen Formkern: Wenn im fertigen Gussteil ein Hohlraum oder eine Bohrung vorhanden sein sollen, wird ein Kern in eine Gussform eingelegt und mit den Kernmarken verankert. Der Kern befindet sich also tatsächlich in der Schmelze. Welche Kräfte wirken jetzt also auf ihn? Die Kerngewichtskraft ist gleich dem Volumen des Kerns mal der Dichte des Formstoffs mal der Erdbeschleunigung

Die Kernauftriebskraft ist gleich dem Volumen des Kerns multipliziert mit der Dichte der Schmelze wieder multipliziert mit der Erdbeschleunigung. Da die Dichte der Schmelze etwa fünfmal so groß ist, wie die des Formstoffs, haben wir ein deutliches Aufschwimmen.

Und dann gibt es da noch das hydrostatische Paradoxon, das besagt, dass der hydrostatische Druck nur von der Füllhöhe der Flüssigkeit abhängt, nicht jedoch von der Form. Da gab es im Physikunterricht dieses Experiment mit den kommunizierenden Röhren in verschiedenen Formen (konisch, zylindrisch, schräg).

Durch diesen Effekt schwimmt auch der Teil des Formstoffs auf, der sich über der Schmelze befindet, wie bei einem Schiff auf dem Wasser. Angenähert berechnet sich die Auftriebskraft aus dem projizierten Querschnitt des Fertigteils (von oben gesehen), der Höhendifferenz zwischen Deckeloberkante und Fertigteiloberkante und der Dichte der Schmelze (die ja hier sozusagen verdrängt wird).

Fassen wir also zusammen:

Nach unten wirken die Gewichtskraft von:

·       Kern
·       Formoberteil oder auch Deckel genannt
·       wenn vorhanden, die Gewichtskraft des oberen Formkastens, die zum Deckel addiert wird

 Nach oben wirken die

·       Deckelauftriebskraft und die
·       Kernauftriebskraft

Wenn die Auftriebskräfte größer sind als die Gewichtskräfte, müssen Zusatzgewichte auf den Oberkasten gestellt oder die Formhälften miteinander verklammert werden. Die Mindestzusatzgewichtskräfte berechnen sich, indem die Auftriebskräfte addiert und davon die Summe der Gewichtskräfte abgezogen wird. Ist das Ergebnis positiv, müssen Zusatzmassen her. Tatsächlich würde man die berechnete Kraft noch mit einem Sicherheitsfaktor multiplizieren und noch einmal die Deckelgewichtskraft abziehen.

Das war’s dann auch schon. Nun ist klar, was Sandguss mit Schiffsbau zu tun hat. So kompliziert ist es dann doch nicht.

Kurz zusammengefasst: Auftriebskräfte addieren, Gewichtskräfte abziehen für die Mindestzusatzgewichtskräfte. Deckelgewichtskraft dazu, Sicherheit draufmultiplizieren und die Deckelgewichtskraft einmal wieder abziehen.

Achtung: Wenn die Profs in der Klausur gemein sind, geben Sie die verfügbaren Hilfsmittel zum Beschweren mit ihrer Masse an, dann müsst Ihr die benötigte Gewichtskraft noch einmal umrechnen.

Zum Schluss noch ein ganz anderes Thema: Immer schön in die sichere Richtung runden!

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers