027-Herstellung von Rohren

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Transkript

Heute ist es mal Zeit für die Herstellung von Bauteilen. Oder doch eher Halbzeugen? Egal.

Ein Rohr ist im einfachsten Fall ein beidseitig offener Hohlkörper mit kreisrundem Querschnitt, eigentlich Kreisringquerschnitt. Die Spezialformen als Vierkantrohr usw. lasse ich beiseite. Der Unterschied zum Schlauch? Schläuche sind flexibler.

Ich möchte mich heute damit befassen, auf welche Arten man verschiedene Rohre aus Metall herstellen kann und welche Verfahren dafür zum Einsatz kommen.

Ich nehme mir dafür drei bekannte Beispiele vor: Ein Großrohr, wie z. B. ein Silo, ein Lüftungsrohr und eine Wasserleitung aus Kupfer.

Ein Großrohr  hat eine Wandstärke, die im Verhältnis zum Durchmesser vernachlässigbar gering ist. Beispiele sind, wie schon gesagt, Silogebäude, Ummantelungen von Brückenpfeilern oder einige Schornsteine. Der Durchmesser kann mehrere Meter betragen. Um diese Rohre herzustellen werden Blechtafeln genommen und mittels Biegeverfahren zu Zylindern oder Zylindersegmenten umgeformt. Hier kommt als Möglichkeit das Walzbiegen zum Einsatz. Diese Segmente werden dann wie eine Patchworkdecke zum Rohr zusammengeschweißt. Fertig.

 

Die meisten runden Lüftungsrohre gehören in die Familie der Wickelrohre. Ausgangsmaterial ist ein Blechstreifen, auch Band genannt, das helixförmig im passenden Durchmesser zum Rohr aufgewickelt wird. Das sieht dann so ähnlich aus, wie die Pappröhre im Inneren der Rolle Küchenpapier, der Papiertischdecke oder wie heutzutage die papiernen Trinkhalme. Damit die Konstruktion beim Loslassen nicht sofort wie ein Springteufel auseinanderklappt, wird das Wickeln zum Einen im plastischen Bereich durchgeführt (siehe die Folge zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm) und zum anderen wird die umlaufende Nahtstelle gefügt. Dies kann bei größeren Rohren und Wanddicken durch Schweißen passieren oder, wie meistens bei den Lüftungsrohren durch Falzen. Falzen ist ein Verfahren aus der Gruppe „Fügen durch Umformen“ und erhält irgendwann eine eigene Folge. In Kürze: Die zu verbindenden Kanten werden mindestens einmal umeinander gefaltet, so dass Sie ineinandergreifen. Diese Verbindungsart führt durch die lokale Materialanhäufung und die Kaltverfestigung an der Fügestelle zu einer erhöhten Steifigkeit der Leitung.

Bei kleineren Durchmessern gibt es auch noch die Möglichkeit, das Band in Längsrichtung zu biegen und mit einer Längsnaht zu versehen.

Jetzt komme ich zu dem nahtlos hergestellten Kupferrohr, das viele aus der Haus-Wasser- oder Gasinstallation kennen.

Ich beginne den Weg in der Gießerei, also beim Urformen. Der herkömmliche Weg war, dass hier mittels Strangguss ein Rundmaterial im Durchmesserbereich von 200-400mm hergestellt und in Längen von 1-2 Metern abgelängt wurde. Heutzutage wird auf diese Weise direkt ein großformatiges und dickwandiges Rohr stranggegossen, dann spart man sich den nächsten Produktionsschritt.

Bei der konservativen Herstellung folgt das Strangpressen. Dieses Verfahren sollte nicht mit dem Urformverfahren verwechselt werden, wo das Ausgangsmaterial beim Extrudieren als Granulat vorliegt. 

Ein zylindrischer Kupferrohling wird auf fast 1000°C erwärmt und in die Strangpresse gelegt. Der hydraulische Pressstempel wird durch eine Druckscheibe geschützt. Zunächst wird ein Lochdorn durch das Rohteil geschoben, der so lang ist, dass er bei beginnender Umformung schon in der Düse steckt. Anschließend wird das Material durch den Spalt zwischen Dorn und Düse hindurchgedrückt. Hinter der Düse wird das entstandene recht dickwandige Rohr mit wenigen Zentimetern Durchmesser mit Wasser abgekühlt. Es hat noch keine schöne Oberfläche und ist gegebenenfalls noch etwas wellig.

Ich merke mir mal, dass Episoden zum Stranggießen und -pressen geschrieben werden wollen.

Egal welches Verfahren zum Rohr-Rohling geführt hat, nun muss die Leitung auf die richtigen Innen- und Außendurchmesser gebracht werden. Ab hier erfolgt nur noch Kaltumformung. Das Verfahren heißt Rohrziehen.

Genauer gesagt kommt hier das Hohlgleitziehen zum Einsatz, das in DIN 8594 Teil 2 näher definiert ist. Es gehört in die Gruppe der Zug-Druck-Umformverfahren, da das Werkstück axial durch die Form gezogen, in der Umformzone aber auch durch Druckkräfte belastet wird. Auch für diese Verfahrensfamilie schreibe ich mir mal eine Episode auf die ToDo-Liste.

Grob gesagt nimmt man ein Umformwerkzeug, auch Ziehstein genannt, das einen konischen Durchgang beinhaltet und häufig aus Kaltarbeitsstahl oder Hartmetall besteht. Der Rohrrohling muss an einem Ende auf den Zieldurchmesser gebracht werden. Dies passiert häufig hydraulisch oder durch Hämmern.

Dann wird das verjüngte Ende des Rohteils durch den Ziehstein gesteckt und auf der anderen Seite von einer Zange gegriffen. Je nach Verfahren werden nun eine Stange, ein fester oder ein sogenannter schwimmender Dorn in das Rohr eingeführt, um den Innendurchmesser zu definieren. Dorn und Ziehstein bilden so die Umformzone, auch Ziehhol bezeichnet. Beim Ziehen durch die Umformzone werden nun Innen- und Außendurchmesser verändert und damit der Querschnitt verringert. Laut Grundbedingung der Umformtechnik „das Volumen bleibt konstant“ wird also die Länge entsprechend größer.

Bei diesem Vorgang muss darauf geachtet werden, dass die Ziehkraft, die in der Umformzone benötigt wird, nicht größer wird als die Streckgrenze im Querschnitt des Fertigteils. Sonst würde es nach der eigentlichen Umformung ja noch einmal unkontrolliert verformt werden oder sogar reißen. Daher wird dieser Schritt in verschiedenen Stufen ein paar Mal wiederholt, bis man bei den Zielabmessungen angekommen ist. Bei unserem Kupferrohr ist dabei keine zwischengelagerte Wärmebehandlung notwendig. Je nach Querschnitt am Ende des Prozesses wird das Rohr auf großen Trommeln aufgerollt (natürlich ohne bleibende Formänderung durch Biegen) oder auf passende Längen abgeschnitten.

Voila, ein typisches Kupferrohr ist entstanden.

Es gibt natürlich noch viel mehr Möglichkeiten, Rohre zu produzieren: Sandguss, Schleuderguss, Rohrwalzen und und und. Aber dafür mache ich irgendwann noch eine eigene Episode.

Einen Videotipp habe ich noch: Bei der Sendung mit der Maus gibt es einen sehr gut gemachten Film über die Herstellung von Kanülen, die ja auch nichts anderes als sehr dünne Rohre sind. Dort werden das Biegen des Bandes, das Schweißen und das Ziehen sehr anschaulich dargestellt. Ich verlinke das Video in den Shownotes auf der Homepage www.fertigungstechnisch.hamburg

 

Ach und übrigens: Ist Euch schon mal aufgefallen, dass man Roh-Rohrzucker auch als Rohr-Ohr-Zucker lesen kann? Can’t be unseen. Tut mir leid.

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers

Shownotes

Herstellung einer Kanüle (Biegen, Schweißen, Rohrziehen) bei WDR - Sendung mit der Maus