Pfützen vor einem grauen Garagenkomplex. Eine leere Straßenkreuzung ohne Menschen. Ein Erdhaufen an der Stelle, an der früher eine Autobahnbrücke verlief. Der Bezug zu den Protokollen des NSU-Prozesses, den die Fotos bebildern, erschließt sich dem Leser nicht auf den ersten Blick. Die bekannten Gesichter fehlen. Stattdessen verlassene Landstriche in düsteren Farben, viel bedeckter Himmel, kahle Bäume.
Der Prozess zu den Taten des NSU-Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe interessiert Paula Markert schon länger. Seit anderthalb Jahren arbeitet die Fotografin daran. „Solchen Themen tut es oft gut, wenn sie neben den reinen Fakten auch noch aus einer anderen Perspektive wie zum Beispiel der fotografischen bearbeitet werden.“ Das Magazin der Süddeutschen Zeitung hatte bereits die ersten beiden Jahre des Prozesses mit einer Sonderausgabe dokumentiert. Für die dritte Ausgabe zum Prozessjahr 2015 schickte Markert der SZ-Redaktion initiativ einige ihrer Fotos und schlug eine Zusammenarbeit vor.
Garagen, triste Erdhaufen, eine leere Straßenkreuzung
So fuhr die 33-Jährige im Herbst 2015 auf Spurensuche nach Jena, wo das Trio aufwuchs, sowie nach Zwickau und Chemnitz, wo es im Untergrund lebte. „Eine der Garagen auf dem Foto hatte Beate Zschäpe gemietet. An dem Tag, an dem die Polizei die Garage durchsuchte, ist das Trio untergetaucht. Deshalb habe ich die Garagen fotografiert“, erklärt Paul Markert. Für ihre Recherchen zum Prozess hat sie nicht nur Protokolle und Akten gelesen, sondern auch zahlreiche Personen vor Ort interviewt: Polizisten, Aktivistengruppen oder Anwälte der Nebenkläger. Auch beim Prozess am Oberlandesgericht München nahm sie als Zuschauerin teil.
Im dritten Prozessjahr ging es vor allem darum, woher die Täter kamen und wie das Trio entstand. Entsprechend wählten Paula Markert und die Redaktion die Motive der Fotos aus. „Vieles, was im Zusammenhang mit der Entstehung des Trios passiert ist, kann man gar nicht mehr fotografieren. Es ist mittlerweile verschwunden“, sagt Paula Markert. Wie die inzwischen abgerissene Brücke, von der Böhnhardt und Mundlos 1996 eine Puppe mit Judenstern hängen ließen. Oder das Haus an der Straßenecke, in dem das Trio zuletzt wohnte, und das Beate Zschäpe 2011 in Brand gesetzt haben soll. Hier ist heute nur noch eine große graue Straßenkreuzung mit einem leeren Rasengrundstück zu sehen. „Durch die Leere dieser Fotos entsteht eine Projektionsfläche, die für das Thema ganz wichtig ist. Vieles an den Fällen ist noch ungeklärt oder wird vielleicht nie geklärt werden“, so Markert.
Fotos als Projektionsfläche für Ungeklärtes
„Die Leere der Bilder lässt Raum für diese ungeklärten Gedanken und Gefühle von Ohnmacht.“ Nicht nur durch die Leere der Bildsprache, sondern auch durch die düstere Lichtstimmung wird viel transportiert. Ganz bewusst habe Markert die Fotos nicht bei Sonnenschein im Hochsommer aufgenommen.
Wie kam die Fotografin zu einem Thema, das so komplex ist? „Ich merke, wenn mich ein Thema, über das ich zum Beispiel in den Medien viel gelesen habe, nicht mehr loslässt. Und ich suche mir gerne Themen, die viel Zeit brauchen.“ Neben den Fotos zum NSU-Prozess arbeitet sie immer auch an aktuellen Aufträgen, springt zwischen intensiver Projektarbeit und dem angewandten Tagesgeschäft. „Ich mag diese unterschiedlichen Rhythmen. Im Studium setzt man ja hauptsächlich freie Projekte um und das wollte ich auch nach dem Studium unbedingt so weitermachen.“
"Im Studium habe ich gelernt, meine Sichtweise auf Themen zu entwickeln"
Studiert hat Markert bei Vincent Kohlbecher, Professor für Fotografie an der HAW Hamburg. Dort machte sie 2011 auch ihren Diplomabschluss in Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie. „Im Studium habe ich vor allem gelernt, meine eigene Sichtweise auf die Welt und ihre Themen zu entwickeln, dazu zu stehen und eine individuelle fotografische Umsetzung zu Themen zu finden“, sagt Markert. Beim Ausprobieren und Austauschen mit Professoren und den anderen Studierenden habe sie viel darüber erfahren, wie Bilder funktionieren und wie unterschiedlich Themen umgesetzt werden können.
Für ihre Fotos im Magazin der Süddeutschen Zeitung zum NSU-Prozess hat Paula Markert viel positive Resonanz erhalten. „Ich habe mich total gefreut, dass das geklappt hat.“ Zurzeit arbeitet sie an weiteren Fotografien zu dem Thema. Im Laufe des Jahres, wenn vermutlich auch der Prozess beendet sein wird, will sie die Arbeit daran abschließen. „Aber ich stecke in dem Thema so tief drin. Wenn im Prozess neue Dinge zutage kommen, bin ich vielleicht noch länge dabei.“
Artikel SZ-Magazin Heft 01/2016 (inkl. Fotos von Paula Markert):
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Kontakt:
Paula Markert
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