"Seit 2002 kämpfen wir um die Simulationsanlage und haben jetzt verloren. Hamburg wird mit dem Wegfall von SUSAN mehr als nur seine renommierte Ausbildungsstätte für das deutsche Steuermannspatent verlieren", prophezeit der Hüter von SUSAN Hermann Morgenstern. "Die Tragweite der Einsatzfähigkeit dieser Simulationsanlage umfasst ungleich mehr." Der zweitgrößte Seehafen Europas ist dann nicht nur ohne Kapitänsausbildung. Auch die Lotsen des Hamburger Hafens als externe Nutzer der Anlage verlieren ihre direkt vor Ort gelegene Übungsmöglichkeit. In der perfekt simulierten Welt des Hamburger Hafens (der deutschen Bucht insgesamt) können sie jedes Schiffsmanöver am Simulator vorerst erproben und einüben. Vor allem die 360 Grad Drehung innerhalb des Hafens bereitet selbst erfahrenen Seefahrern Probleme. Dabei muss jedes Schiff das in den Hamburger Hafen einläuft diese komplizierte Drehung vollziehen. Ebenso kann SUSAN als TÜV für zukünftige noch nicht da gewesene Schiffsmodelle fungieren und diese auf ihre Seetauglichkeit hin prüfen.
Kapitän Hermann Jutrzenka von Morgenstern
Auf der Brücke des Simulators - der schlingernde und schaukelnde Boden vermittelt einen überwältigenden Echtheitseindruck - können die angehenden Kapitäne und Lotsen dank moderner Computeranlagen und Technik Containerriesen bis zu 390 Meter Länge und 14 Meter Tiefgang in das Labyrinth der Hamburger Hafenbecken bugsieren und die Volldrehung dann bei unterschiedlichen Strömungs-, Wind- und Sichtverhältnissen am Simulator versuchen. "Das setzt ungeheuer viel Fingerspitzengefühl und Gewässerkenntnisse voraus. Und diese sind hier gespeichert", sagt Kapitän Morgenstern und tippt sich dabei an die Stirn. Seit 1992 arbeitet er bei SUSAN und kennt nicht nur jeden Winkel der Simulationsanlage, sondern auch die Elbe und den Hamburger Hafen genau. Das Institut ISSUS - in erster Lage am Altonaer Elbhang mit Blick auf den Hamburger Hafen gelegen - ist sein Arbeitsplatz aus Leidenschaft. Hier wurden seit den 1990er Jahren Studierende zu Kapitänen oder zu Seesteuermännern mit der Zusatzqualifikation Schiffsmaschine ausgebildet. Vorne auf der Brücke, dem Herzstück von SUSAN, wurde "in Echt" geübt und in den hinteren Räumen konnte das Manöver dann vor Studierenden diskutiert und einer kritischen Durchleuchtung unterzogen werden: Wissen in der Praxis kann nicht besser umgesetzt werden.
Auf der Brücke von SUSAN
Ein Containerriese auf der Leinwand
Mit der zunehmenden Ausflaggung deutscher Schiffe unter ausländische Flaggen wurden immer weniger deutsche Kapitäne eingestellt. Sie waren schlichtweg für die Reedereien zu teuer. So versiegte allmählich der Strom an Interessenten, die sich für den Kapitänsberuf interessierten. Mit dem Wegfall der Studenten wurde die Kosten-Nutzenrechung zunehmend zur harten Belastungsprobe für die HAW Hamburg. Trotz vielfacher Anstrengungen der Hochschulleitung konnte kein Kunde und keine Reederei für SUSAN geworben werden. Hinzu kam die neue Schiffsoffiziersausbildungsverordnung des Bundes, die für den Erwerb des Kapitänspatents keine ausschließlich akademische Ausbildung mehr vorsieht, was den Hörsaal bei ISSUS noch weiter leerte. So blieb der Hochschule nichts anderes übrig, als den renommierten und hamburg typischen Studiengang einzustellen. Im Wintersemester 2004/2005 absolvieren die letzten 5 Studierenden ihr Studium an der HAW Hamburg, dann schließt ISSUS und SUSAN geht nach Fernost. Eine für Kapitän Morgenstern schwer nachvollziehbare Entwicklung. Natürlich begleitet er seine SUSAN und wird in Zukunft im fernen Osten junge Menschen zu Schiffssteuermännern ausbilden. Für Hamburg, so der Schiffsveteran, steht damit vor allem das Qualitätsmanagement auf dem Spiel. Denn Havarien im Hafenbecken sprechen sich schnell herum und bringen einen Hafen in Verruf; Reedereien werden misstrauisch. "Noch", so der Kapitän, "profitieren wir von der soliden deutschen Fachhochschulausbildung, aber was ist in zehn Jahren, wenn der Nachwuchs aus dem Ausland kommt. Schon jetzt werden deutsche Kapitäne wieder angeheuert." SUSAN wird dann schon fein säuberlich verpackt, selbst eine Reise auf einem Container in den Fernen Osten hinter sich haben. Einüben kann dieses Spektakel dann in Hamburg keiner mehr.