| Forschung
Gesunde Quartiere 2.0.

„Wir forschen für eine Veränderung der Lebensverhältnisse!“

Menschen mit wenig Geld geht es gesundheitlich oft schlechter als Bewohner*innen wohlhabender Viertel. Das Projekt „Gesunde Quartiere 2.0.“ will diese Ungleichheit verringern. Wir haben mit der Projektleiterin Prof. Dr. Susanne Busch (Competence Center Gesundheit der HAW Hamburg) darüber gesprochen, wie betroffene Personen besser unterstützt werden können.

Im Rahmen des Projekts erhalten in diesen Wochen rund 30.000 Menschen aus sozial benachteiligten Stadtteilen in Hamburg Post von ihrer Krankenkasse. Wozu werden die Menschen befragt?
Wir interessieren uns für alles, was mit dem Gesundsein und -bleiben zu tun hat. Also für bestimmte Verhaltensweisen wie zum Beispiel Bewegung, Ernährung oder Suchtverhalten wie zum Beispiel Rauchen, aber auch für die Einstellung zum Leben, die Lebensqualität oder Stressfaktoren. Daneben sind ebenso die Gesundheitskompetenz sowie der Wohnort für die Themenstellung relevant. 

Im Zusammenhang mit Ihrem Projekt sprechen Sie von einem Präventionsdilemma. Was ist damit gemeint?
Das Präventionsdilemma besagt, dass eher diejenigen Personen, denen es bereits gut geht, die in einer guten Wohnumgebung leben, von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und -prävention profitieren. Sozial benachteiligte Menschen dagegen, die oft auch gesundheitlich benachteiligt sind, kennen oder nutzen diese Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen deutlich weniger und profitieren deshalb kaum oder überhaupt nicht davon. Somit gelingt es nicht, die sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit zu verringern. 

Was ist das Ziel der Befragungen? 
Aus der Befragung wollen wir Hinweise ableiten, wie maßgeschneiderte Angebote zur Gesundheitsförderung und -prävention aussehen müssen, damit diese dort wirken, wo sie am dringendsten benötigt werden. Wir vermuten, dass Gesundheitspräventionsbedarfe in den jeweiligen Hamburger Quartieren aufgrund der jeweiligen räumlichen und sozialstrukturellen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sein können. 

Und was geschieht jetzt konkret mit den erfassten Daten?
Neben den Daten aus den standardisierten Befragungen werten wir Daten der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Zudem forschen wir in vier ausgewählten Hamburger Quartieren, sprechen dort mit Bewohner*innen, aber auch mit Akteur*innen des Quartiers. Wir zeichnen bzw. gestalten mit ihnen Karten, wie sie ihre Wohnumgebung wahrnehmen und nutzen. Dieses Vorgehen wird als Community Mapping bezeichnet. So entsteht gemeinsam – also partizipativ – ein Abbild der wahrgenommenen Wohnumgebung. Im Fall von „Gesunde Quartiere 2.0.“ stehen Merkmale wie Wohlbefinden, Sicherheitsgefühl und Mobilität im Vordergrund. Die medizinische Versorgungssituation zum Beispiel mit Arztpraxen, Apotheken, Hebammen, Physiotherapeut*innen soll dadurch nicht abgebildet werden. Diese Informationen können beispielsweise über sogenannte Geoinformationssysteme gewonnen werden. 

Das Projekt ist im Juli 2023 gestartet. Jetzt im April 2025 werden die Datenerhebungen weitgehend abgeschlossen sein. In den verbleibenden 14 Monaten des Projektes werden die unterschiedlichen Daten sukzessive ausgewertet, analysiert und zusammengeführt. Dafür werden wir die Ergebnisse auch mit den Akteur*innen und Bewohner*innen vor Ort in den Quartieren sowie mit den für das Thema verantwortlichen Institutionen aus der Stadt und den Bezirken und mit den Krankenversicherungen diskutieren. Dies ist notwendig, um gemeinsam mit der Praxis handlungsrelevante Schlussfolgerungen ziehen zu können. Dabei ist es zentral, dass auch die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) zum Projektkonsortium gehört, da diese für Hamburg im Rahmen des Präventionsgesetzes hier einen zentralen Auftrag hat. Wir forschen nicht für die Wissenschaft, sondern für eine Veränderung der Lebensverhältnisse! 

Die Fragen stellte Maren Borgerding

Zum Projekt

Die Lebensqualität in städtischen Gebieten zu erhalten bzw. zu verbessern, gehört zu einer der größten Herausforderungen in einer wachsenden Großstadt. Mit dem Projekt „Gesunde Quartiere 2.0.“ (07/2023 - 06/2026), gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses, sollen Präventionsträger und kommunal Verantwortliche befähigt werden, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention adressat*innengerechter konzipieren und implementieren zu können. Beteiligt sind neben der HAW Hamburg, die HafenCity Universität Hamburg, die Otto von Guericke Universität Magdeburg sowie vier gesetzliche Krankenkassen und die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG). 

Das multimodal angelegte Forschungsvorhaben befasst sich kleinräumig aufgelöst, mit Gesundheit und Lebensqualität einerseits der Versicherten der oben genannten Krankenkassen, andererseits von Einwohnerinnen und Einwohnern von vier ausgewählten Quartieren in Hamburg. Im Fokus stehen sogenannte statistische Gebiete – im Projekt synonym auch als Quartiere bezeichnet – die entsprechend dem Sozialmonitoring in Hamburg als statistische Gebiete mit (sehr) niedrigem sozialen Status ausgewiesen sind. Dabei baut das Vorhaben „Gesunde Quartiere 2.0" unmittelbar auf den Erkenntnissen und erprobten Methoden des Forschungsvorhaben „Gesunde Quartiere“ (07/2017 - 06/2021, gefördert von der Landesforschungsförderung Hamburg) auf.

Projektwebsite: www.gesundequartiere.de

Kontakt

Department Pflege und Management
Professorin für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik
Alexanderstraße 1
20099 Hamburg

Raum 8.27

T +49 15 125 28-1469

susanne.busch (at) haw-hamburg (dot) de

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