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Digitale Lehre an der HAW Hamburg: Schnelle Umsetzung in besonderen Zeiten

Mit dem Wechsel vom Präsenz- zum Online-Lehrbetrieb sind kreative Ansätze gefragt – besonders an der HAW Hamburg, deren Vorlesungszeit früher als an Universitäten begonnen hat. Über den Stand der Umsetzung aus allen vier Fakultäten, über heimische Messlabore und herausragende erste Erfahrungen in einer Zeit, die schnelles Handeln erfordert.

Die Gebäude der HAW Hamburg sind geschlossen und die Präsenzlehre wurde ausgesetzt. An allen Fakultäten wird aktuell die Online-Lehre ausgebaut.

Es handle sich um eine sehr besondere Zeit, die „kreative Ideen und gemeinsame Lösungen“ benötige: So beschreibt Prof. Dr. Monika Bessenrodt-Weberpals die Situation, Vizepräsidentin für Studium und Lehre sowie Gleichstellung der HAW Hamburg. „Denn wir möchten das Studieren in räumlicher Distanz schnell und gut ermöglichen.“ Dies auch und gerade vor dem Hintergrund, dass die Vorlesungszeit an der HAW Hamburg früher als an Universitäten begonnen hat. „Unsere Lehrenden und Studierenden sind durch den Wechsel vom Präsenz-Lehrbetrieb in die notwendige Umstellung auf Online-Formate vor besondere Herausforderungen gestellt. Ich freue mich daher sehr über die vielen herausragenden Initiativen, die die Lehrenden hier bereits auf den Weg gebracht haben“.

Die Herausforderung ist angenommen an der HAW Hamburg, schaut man auf den Stand der Dinge. Die Lehrenden setzen dabei sowohl auf bekannte und bewährte Tools wie EMIL, der auf Moodle basierenden E-Learning- und Kommunikationsplattform der Hochschule, als auch auf neue Tools. So haben alle Hochschulmitglieder Zugang zu Kommunikationsplattformen wie Microsoft Teams oder Zoom – und können Konferenzen oder Lehrveranstaltungen von zuhause aus streamen.

Unterstützung gibt es dabei von der Arbeitsstelle Studium und Didaktik (ASD). Diese hat einen EMIL-Raum eingerichtet, der Informationen und kreative Ideen für Lehrende rund um das Thema digitales Lernen und Lehren bereitstellt – und sich zu einem vielbenutzten Austauschforum und stetig wachsendem Informationskanal zu rechtlichen, didaktischen und technischen Themen entwickelt hat.

Rechtliche Aspekte wie Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht und Datenschutz spielten bei der Online-Lehre eine wichtige Rolle, weiß Margitta Holler, Leiterin der Arbeitsstelle Studium und Didaktik, deren Team den EMIL-Kurs aufgebaut hat und nach den Bedarfen der Lehrenden ständig weiterentwickelt. „Details zu rechtlichen Rahmenbedingungen sind im EMIL-Kurs zu finden“, so Holler. 

Beispiel Medizintechnik: Videos, interaktive Programme und persönliches Feedback

Genutzt wird der EMIL-Kurs der Arbeitsstelle von allen vier Fakultäten der Hochschule. So auch von der Fakultät Life Sciences in Bergedorf. Alle Kurse sind hier bereits jetzt über EMIL abrufbar. Hier können Lehrende Tests schreiben lassen und Studierende ihre Lernerfolge verfolgen. Dazu gibt es viele kreative Einzellösungen, die über das Infoboard auf der Homepage der Fakultät verbreitet werden.

Boris Tolg, Professor für Informatik und Mathematik am Department Medizintechnik der Fakultät Life Sciences, setzt dabei auf eine Kombination aus selbstgemachten Videos, online zur Verfügung gestellten Materialien, Diskussionsforen und interaktiven Inhalten, die seine Lehrveranstaltungen unterstützen. Das zentrale Element sind seine Videos. Diese erstellt er über das Open Source Tool „Open Broadcaster Software (OBS)“. Später schneidet er sie mit der Software Lightworks und stellt sie auf seinem eigenen YouTube-Kanal zur Verfügung. „Zurzeit schaffe ich es,­ ein Video pro Tag zu produzieren. Und bisher sind die Reaktionen der Studierenden positiv. Aber es ist auch noch eine ungewohnte Situation. Die direkte Kommunikation, zum Beispiel zur Klärung von offenen Fragen, fehlt einigen Studierenden“, sagt Prof. Dr. Tolg.

Um einen Ersatz dafür zu bieten, lädt er zusätzlich alle Folien oder Tabellen zur Nachbereitung bei EMIL hoch und sammelt und beantwortet in Diskussionsforen Fragen der Studierenden. Seit dieser Woche kommen zusätzlich regelmäßige Fragestunden als Videokonferenz in MS Teams dazu. Solche Videokonferenzen seien sehr wichtig, um den persönlichen Kontakt zu halten, sagt Tolg. „Ein spielerischer Zugang ist zudem hilfreich“. Um mathematische Inhalte besser zu visualisieren und verständlich zu machen, nutzt er beispielsweise GeoGebra, eine kostenlose Dynamische-Geometrie-Software. Damit können die Studierenden mit interaktiven Graphen und Formeln spielerisch austesten, was sie zuvor gelernt haben.

Beispiel Pflege und Management: Mit blended learning gut vorbereitet

Auch für das Department Pflege und Management an der Fakultät Wirtschaft und Soziales kam die Situation unerwartet. Mittlerweile wurden aber auch hier bereits 100 Prozent der Module auf die Online-Lehre umgestellt. Denn unvorbereitet war das Department, an dem Digitalisierung schon länger ein Thema ist, nicht. Mit der Mediendidaktikerin Christine Schulmann hat es eine kompetente Ansprechperson für digitale Lehrformate.

Unter anderem sie, Uta Gaidys, Departmentleiterin und Professorin für Pflegewissenschaft (Ethik, Kommunikation), sowie Corinna Petersen-Ewert, Professorin für Gesundheits- und Sozialwissenschaften, trieben schon vor einigen Jahren mit dem Projekt Do.Learn die digitale Lehre am Department voran. Darauf können sich die beiden Professorinnen nun stützen.

In dem Projekt Do.Learn entwickelten sie ein blended learning Szenario, das Online-Module, Lehrbücher und Präsenzlehre miteinander verbindet. Dies können Petersen-Ewert und Gaidys nun ohne die Verknüpfung mit der Präsenzlehre nutzen. Der Vorteil: Sie müssen die Materialien nicht ad hoc für das gesamte Semester entwickeln, sondern passen sie an die jetzige Situation an.

Zentral ist hier die Online-Lernumgebung viaMINT. Sie zeigt die Kurse mit allen Lehrmaterialien für ein Semester an. Materialien wie (zum Teil eigens produzierte) Videos, interaktive Inhalte wie Quizze, Lernaufgaben, Texte oder Folien werden passend zu den Themen aus dem Modulhandbuch zeitlich aufgelistet. Zusätzlich gibt es ein schwarzes Brett für Ankündigungen. Studierende wie auch die Lehrenden können die Lernfortschritte verfolgen.

„Das Projekt zeigt: Die Methode des blended learning, also der Verknüpfung von Online-Tools und Präsenzlehre, funktioniert sehr gut. Lernen ist immer ein interaktiver Prozess. Es braucht den Austausch, die Konfrontation und auch die Inspiration von anderen. Deshalb ist es nicht optimal, reine Online-Lehre anzubieten. Aber wir haben eine besondere Situation – und so können wir die Inhalte viel besser vermitteln, als nur das Lehrbuch und die Aufgaben online zur Verfügung zu stellen“, sagt Prof. Dr. Gaidys. 

Beispiel Department Informations- und Elektrotechnik: 20 neue Messlabore in den heimischen Arbeitszimmern der Studierenden

An der Fakultät Technik und Informatik haben sich in der zweiten Woche nach Aussetzen des Präsenzlehrbetriebs sowohl Studierende als auch Lehrende mit der neuen Situation arrangiert. Dr. Thomas Flower, Dekan der Fakultät Technik und Informatik, hat als Dozent bereits in der ersten Woche Erfahrungen im Online-Unterricht gesammelt. „Ich habe vier Stunden Live-Unterricht gegeben und den Eindruck, dass ich die Inhalte gut rüberbringen und alle Fragen der Studierenden beantworten konnte“, sagt Flower. Ein wesentlicher Unterschied: Die Studierenden bekämen ihn als Vortragenden kaum zu Gesicht. Denn die meiste Zeit sähen sie lediglich Dokumente, während er ihnen die Inhalte erkläre.  

Eine Erfahrung, die Lehrende auch in den vier Departments der Fakultät gemacht haben – und die intensiv weiter daran arbeiten, die Lehre umzustellen. Das Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau erfasst dabei ihre Lehrtätigkeiten sehr genau. Von bisher 115 angebotenen Modulen finden momentan 64 asynchron statt – der überwiegende Teil über die Plattform EMIL – sowie 51 Module im Live-Unterricht. Weitere Module sind in Vorbereitung.

In der Mastervorlesung "Angewandte industrielle Bildverarbeitung" des Departments Informations- und Elektrotechnik lernen die Studierenden, Computer-Vision-Systeme aufzubauen und zu analysieren. Diese werden in der automatisierten Qualitätskontrolle von Produkten eingesetzt. Ein zentraler Aspekt: die Leistungsfähigkeit von Kameras zu analysieren und zu bewerten. „Hierzu nutzen wir üblicherweise professionelle Industriekameras. Aber die Messprinzipien lassen sich ebenso auf herkömmliche Webcams übertragen“, erläutert Jörg Dahlkemper, Professor für Mess- und Sensortechnik. „Dank des Engagements der Studierenden entstehen nun 20 neue Messlabore in den heimischen Arbeitszimmern der Studierenden, die wir per Videokonferenz, Chat und Online-Aufgaben unterstützen. Auf diese Weise erhalten wir den Lehrbetrieb auch in Zeiten des Corona-Virus aufrecht und stellen unter diesen Umständen eine bestmögliche und praxisorientierte Wissensvermittlung sicher.“

Beispiel Department Information: “Wir lachen auch über deine Witze, wenn du uns nicht hörst“

Auch an der Fakultät Design, Medien und Information arbeiten Lehrende an der Umstellung. Sehr viele Aktivitäten verzeichnet unter anderem das Department Information. Hier wird ein großer Teil der Lehre bereits digital umgesetzt. Bis spätestens zum 20. April sollten etwa 90 bis 95 Prozent abgedeckt sein. In dem Master-Studiengang Digitale Kommunikation an diesem Department ist die Affinität und auch Bereitschaft unter den Studierenden naturgemäß sehr hoch, was die Nutzung neuer Tools für digitale Lehre betrifft. Der große Nachteil: Die Idee des Teaching Hospitals, die Grundlage des Studiengangs für angehende Journalist*innen, basiert auf der Anwesenheit der Studierenden für 40 Stunden in der Woche im eigenen Newsroom, als physikalischen Ort.

Christian Stöcker, Professor und Studiengangsleiter, musste also nach einer ersten gemeinsamen Woche mit den neuen Erstsemestern kreativ werden. „Die Studierenden haben sich in der Vorbereitung sehr gut zusammengeschlossen und selbst viele tolle Vorschläge für Tools gemacht, die wir jetzt nutzen können“, sagt er über seinen neuen Kurs.

Die vorherige Präsenzlehre findet bei Stöcker nun über Microsoft Teams statt. Für seine Vorlesung „Einführung in die Digitale Kommunikation“ finden sich die Studierenden immer montags von 10 bis 12 Uhr bei Teams zusammen. Sie können Prof. Stöcker sowie dessen Bildschirm sehen und sich einschalten und kommentieren. „Für mich ist es schon eine starke Umgewöhnung. Meine Vorlesungen sind normalerweise sehr interaktiv, es wird diskutiert und auch mal spontan das Thema gewechselt. Aber es funktioniert, die Studierenden nutzen auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen“, sagt Stöcker.

Über Teams führt Stöcker die Studierenden auch an die Basics zum journalistischen Arbeiten heran - damit das Portal FINK.HAMBURG wie geplant wieder hochfahren kann. Themen wie „Wie funktioniert eine Nachricht?“ oder „Einführung Interview“ halten er oder die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Studiengangs als Vorlesung ab. Das Gelernte probieren die Studierenden dann in Form einer Aufgabe aus. Abgelegt, bearbeitet und bewertet wird sie in einem digitalen Workspace. „In der nächsten Stunde besprechen wir dann zwei exemplarische Lösungen gemeinsam. In diesem Format funktioniert die Diskussion bisher am besten“, sagt Stöcker.

Die neuen Studierenden seien durchaus auch traurig darüber, dass sie bisher nicht so studieren können, wie sie es sich vorgestellt haben, sagt Stöcker. Dennoch sei die Motivation sehr hoch und die Reaktionen auf die digitalen Notlösungen sehr positiv. „Die Intensität des Inhalts ist jetzt weniger dicht. Zwei Stunden Vorlesung vor dem Rechner sind oft schon das Limit, weil man sehr aufmerksam sein muss. Aber ich stelle meine Folien im Anschluss als PDF zur Verfügung. Und gerade die Aufgaben und das Feedback, das auch als Einzelbesprechung bei Teams stattfinden kann, bringt sehr viel“, findet Stöcker. Die schönste Rückmeldung nach einer Vorlesung, in der die Studierenden ihre Mikrofone abschalten sollten, sei von einer Studierenden gekommen. „Sie sagte mir: ‚Wir lachen auch über deine Witze, wenn du uns nicht hörst‘." (Autorin: Britta Sowa)

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