Forschung

DIY Algenreaktor auf hohem Niveau

Prof. Dr. Jan Piatek hat mit seinen Studierenden einen Photobioreaktor gebaut, um Mikroalgen zu züchten. Damit untersuchen sie deren Wachstum und Energiebilanz.

Irgendwie ist er ein fast so etwas wie ein Daniel Düsentrieb vom BT11: Prof. Dr. Jan Piatek vor dem Algenreaktor.

Prof. Dr. Jan Piateks Algenreaktor sieht aus wie ein dünnes Aquarium ohne Fische. Das leicht grüne Wasser blubbert und sprudelt; überall sind Kabel und Sensoren befestigt. Diese sind direkt mit einem Raspberry Pi Mikrocomputer verbunden. Programmier-Code läuft über den sonst schwarzen Bildschirm. Die gesamte Apparatur erinnert an Science-Fiction-Filme aus den 90-er Jahren, alles ziemlich high-tech. Doch Piatek schüttelt den Kopf: „Das alles ist eher low-tech, vor allem aber low-cost“, sagt er. Sieht man genauer hin, merkt man auch, was er meint: Das CO2, das in den Reaktor gesprudelt wird, entstammt einer Sprudel-Kartusche aus der Drogerie. Der Raspberry Pi, welcher unentwegt Daten sammelt, ist vergleichsweise günstig zu erhalten. Der Code ist selbst programmiert. Alles wurde von Studierenden in unzähligen Studien-, Projekt- und Bachelorarbeiten entwickelt, geprüft, optimiert und zusammengebaut.

Bioenergie
Prof. Dr. Jan Piatek ist Professor für Energie- und Anlagensysteme und leitet am Department Maschinenbau und Produktion das IEE, das Institut für erneuerbare Energien und energieeffiziente Anlagen. Er stellte fest, dass an der Fakultät Technik und Informatik die meisten Methoden zur Energiegewinnung wie Wind- und Solarenergie abgedeckt sind. „Nur die Bioenergie fehlte im Portfolio“, erklärt Piatek. Dabei würden fast kontinuierlich etwa 8-10 Prozent des Stroms in Deutschland aus biogenen Quellen wie beispielsweise Biogas stammen. Dazu kommen noch biogene Kraftstoffe wie Biodiesel oder hydrierte Pflanzenöle für den Verkehrssektor. So kam er auf die Idee, sich mit Energiegewinnung durch Mikroalgen auseinanderzusetzen.

Ich sehe den Algenreaktor als Quelle für 100 weitere Studienprojekte

Prof. Dr. Jan Piatek, Professor für Energie und Anlagensysteme

Algen
„Mir ging es bei diesem Projekt in erster Linie darum, für meine Studierenden pragmatische Laborversuche zu entwickeln, die meine Vorlesung begleiten“, so Piatek. „Algen kristallisierten sich sehr schnell als Lieblingsthema heraus“. Dabei betrachten die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure die Algen „durch die Energietechnikbrille“ und interessieren sich vor allem für die Energiebilanz der Algen. Die eingestrahlte Energie in Form von Licht sorgt zusammen mit Wasser und Co2 dafür, dass Algen wachsen - es wird Biomasse erzeugt. Doch wie viel der Energie bleibt letzten Endes übrig, wenn die Algen geerntet sind?

Energie
Energie, die aufgewendet werden muss, um die Algen wachsen zu lassen, kommt klassisch aus dem Sonnenlicht. Im Labor kommen LED-Lampen zum Einsatz, um unter reproduzierbaren Bedingungen zu arbeiten. „Unsere Anlage steuert sich selbst – das Licht geht automatisiert aus und an“, erklärt Piatek. Auch hier müssen die Studierenden herausfinden, wie viel Licht und wie viel Dunkelheit die Algen optimal zum Wachsen bringt. Außerdem müssen sie Methoden entwickeln, um das Wachstum der Algen zu messen und zu berechnen. „Wir messen beispielsweise die optische Dichte“, so Piatek. „Wir fragen uns also: wie viel Licht kommt da durch – wie trüb ist das Wasser?“. Dazu haben sie ein Profigerät von Wissenschaftskollegen aus Bergedorf bekommen. Die optische Dichte lässt sich allerdings auch über ein selbst gebautes System messen: Mit Hilfe eines Fotosensors, der mit einem Raspberry Pi gekoppelt wurde. In regelmäßigen Abständen misst er die Lichtdurchlässigkeit der Algenflüssigkeit für verschiedene Wellenlängen. Zusätzlich werden frontal Fotos vom Reaktor gemacht und an den Rechner übermittelt.
Auch muss das Wasser ständig umgewälzt werden. Eine am Reaktor befestigte Aquariumpumpe pumpt automatisiert Luft ein, die durch UV-Licht sterilisiert wurde, und vermindert so, dass sich Algen ablagern. Da die Algen in ihrer Biomasse Co2 speichern, muss dies ersetzt werden: Aus einer Sprudelkartusche wird entsprechend des pH-Wertes CO2 zudosiert, um für ein ausgewogen basisch-saures Milieu zu sorgen. Auch hier mussten sich die Studierenden eine geeignete Methode überlegen und herausfinden, welche Menge für die Algen optimal ist.

Wie zählt man Algen?
Nach etwa zwei Wochen hat das Algenwachstum seinen Höhepunkt erreicht und es kann geerntet werden. Doch wie zählt man Algen? „Die Algen zählen wir mit einem Mikroskop und einer Neubauer Zählkammer, das ist ein spezielles Raster“, erklärt Piatek. Die Studierenden ermitteln, wie viele Algen sich in einem Quadrat des Rasters befinden und rechnen das Algenvolumen hoch.
Letzten Endes läuft alles auf die Frage hinaus, wie viel Energie in Form von Algen übrigbleibt. Prof. Piatek reicht ein kleines Plastikdöschen und schraubt den Deckel ab. Auf dem Boden des Döschens liegen trockene, dunkelgrüne kleine Fetzen, die fischig riechen. „Das sind getrocknete einzellige Algen, genannt Chlorella vulgaris“, erklärt Piatek. Man könnte sie als Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. Sie enthalten Vitamin B12, das wichtig ist für viele Stoffwechselprozesse.
Man könnte auch herausfinden, wieviel Energie in ihnen steckt. Dafür könnte man sie verbrennen und den Temperaturanstieg durch die Wärmezufuhr messen. „Aktuell kommt nur wenige Prozent der Energie, die wir reingesteckt haben, hinten raus. Energetisch ist das Ganze aktuell Quatsch“, so Piatek. Allerdings bieten gerade Mikroalgen ein enormes Potenzial im Energiesektor, da diese extrem schnell wachsen und eine hohe Flächeneffizienz erreichen können.

Ideen für 100 weitere Projekte
Piatek hat noch viele Ideen für Studierendenprojekte rund um den Algenreaktor: „Künftig könnten Studierende die Strömung innerhalb des Reaktors via Simulationen optimieren oder die Anlage durch kontinuierliche Ernte im optimalen Wachstumspunkt halten“, beschreibt Piatek Ideen für die Zukunft. Auch würde der Reaktor aktuell schnell verschmutzen – hier könnten neue Konzepte her. Auch KI-Ansätze wie das Machine Learning würden sich gut einbinden lassen. Der nächste Schritt, die Energie der Algen nutzbar zu machen, ist ebenfalls in Vorbereitung: Durch einen Mikrobiogasreaktor sollen die Algen zu Biogas vergären. „Dieses Projekt erweitert aktuell den Horizont angehender Maschinenbauer“, sagt Piatek. „Ich sehe den Algenreaktor als Quelle für 100 weitere Studienprojekte“.

Text: Tiziana Hiller

wednesday@TI_researchlab

Prof. Jan Piatek stellt die Forschung Rund um den Algenreaktor am Mittwoch, den 04.12.2024  beim kommenden wednesday@TI_researchlab vor. Die Veranstaltung beginnt um 16 Uhr und findet im Raum 523 am Berliner Tor 21 statt. Um Anmeldung wird gebeten.
Mehr Informationen gibt es hier.

Kontakt

Prof. Dr. Jan Piatek
Department Maschinenbau und Produktion
Berliner Tor 11
20099 Hamburg
Raum 236

T +49 40 428 75-8750
jan.piatek (at) haw-hamburg (dot) de

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