| Forschung
Im Gespräch mit dem Managementteam von X-Energy

Eine starke Partnerschaft für die Energiewende

Lisa Pinkowski und Dr. Oliver Arendt steuern das Großprojekt X-Energy am CC4E der HAW Hamburg. Wir haben mit den beiden über ihre Arbeit gesprochen.

Dr. Oliver Arendt und Lisa Pinkowski bilden das Projektmanagementteam für die Forschungsinitiative X-Energy.

Um der Klimakrise entgegenzuwirken, braucht es innovative Lösungen und frische Köpfe. Die großangelegte Forschungsinitiative X-Energy beschäftigt sich intensiv mit Wegen zu nachhaltigen und stabilen Energiesystemen. Das Gesamtprojekt mit 24 Teilprojekten, rund 20 regionalen und überregionalen Unternehmenspartnern, 17 Professor*innen und 30 wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen wird mit viel Herzblut von Lisa Pinkowski und Dr. Oliver Arendt vom Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg gesteuert. Wir haben mit den beiden über die Ziele und den Status Quo von X-Energy, ihre Aufgaben im Projektmanagement und ihre persönliche Sicht auf künftige Herausforderungen gesprochen.

X-Energy gliedert sich in verschiedene Teilprojekte. Zu welchen Themenfeldern wird jeweils geforscht und was sind die langfristigen Ziele der Initiative?

Lisa: X-Energy ist ein Verbund von Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Es besteht aus Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeitenden am CC4E sowie rund 20 regionalen und überregionalen Unternehmenspartnern, die in 24 Teilprojekten Lösungen für ein klimaneutrales Energiesystem entwickeln. Schwerpunkte liegen dabei auf den Themenfeldern Windenergie, Systemintegration und Energiespeicher. Es werden also innovative Formen der Energieerzeugung ebenso untersucht wie die Energiespeicherung und Möglichkeiten der Kopplung der verschiedenen Sektoren Strom, Wärme, Mobilität. Neben der technologischen Perspektive widmen sich einige Teilprojekte auch dem gesellschaftsrelevanten Bereich von Umwelt und Akzeptanz. Denn wir sehen in den letzten Jahren vermehrt, dass der Erfolg der Energiewende nicht allein von technischen Errungenschaften abhängt, sondern dass es genauso wichtig ist, die Gesellschaft und die Politik bei diesem Thema mitzunehmen.

Oliver: Langfristig sollen die Lösungen aus all den verschiedenen Teilprojekten von X-Energy zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen. Ein übergeordnetes Ziel des Förderprogrammes FH-Impuls, in dem X-Energy gefördert wird, ist zudem die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Ziel, akademische Innovationen schneller als bisher in die Anwendung zu bringen.

Welche Erkenntnisse konnten bisherige Teilprojekte erbringen?

Oliver: Die Erkenntnisse aus den Einzelvorhaben sind so vielfältig wie die erforschten Themen. Im Bereich der Windenergie konnte gezeigt werden, dass Offshore-Windenergieanlagen (Anlagen, die auf dem Meer betrieben werden) mit nur zwei Rotorblättern gegenüber den bekannten Rotoren mit drei Blättern unter bestimmten Voraussetzungen im Vorteil sein können, wenn es um große Anlagen auf schwimmenden Fundamenten geht. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Windenergieanlagen mit mehreren Rotoren (Multirotor-Anlagen) möglich sind und sinnvoll sein können, um die immer größeren Massen von riesigen Windenergieanlagen und damit steigende Kosten zu umgehen.

Lisa: Mit Blick auf die Themen Umwelt und Akzeptanz konnte gezeigt werden, dass die Akzeptanz von Windenergieanlagen in ländlichen Gebieten steigen kann, wenn das nächtliche Blinken an den Anlagen nur angeschaltet wird, sobald ein Flugzeug in der Nähe ist. Im stadtnahen Raum scheint dies einen geringeren Einfluss auf die Akzeptanz zu haben. Es konnten verschiedene Geräuschquellen an Windenergieanlagen durch akustische Messungen erfolgreich identifiziert und differenziert sowie Maßnahmen zur Funktionalität und Schallminderung erarbeitet werden. In weiteren Projekten wurden Maßnahmen zum Erkennen und Schützen von Fledermäusen erforscht oder Virtual Reality Welten programmiert, die es ermöglichen, bereits in der Planungsphase eines Windparks dessen Auswirkungen auf die Landschaft zu sehen und zu hören, noch bevor der erste Spatenstich erfolgt ist.

Oliver: In den Bereichen Speicherung und Systemintegration wurden innovative Verfahren zur Kraftstoffherstellung auf Basis von Rest- und Abfallstoffen erforscht, ebenso die Speicherung von Strom in Gasform mit Hilfe von Mikroorganismen und die elektrochemische Speicherung mit innovativen sogenannten „Redox-Flow-Systemen“. Zur intelligenten Steuerung von Anlagen wurden in einem anderen Projekt Softwareprogramme entwickelt, damit der Strom dann flexibel genutzt werden kann, wenn er verfügbar ist.

Lisa: …eine ganz schön lange Liste, und trotzdem nur ein Teil der Themen und Ergebnisse aller Projekte. Wer mehr Interesse an dem ein oder anderen Thema hat, sollte am besten mal einen Blick auf unsere Website von X-Energy werfen.

Im Projektmanagement kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass die „echten“ Wissenschaftler*innen den Kopf frei und mehr Zeit für die Forschung haben, weil ich ihnen administrative Dinge abnehme und ihnen so den Rücken freihalte.

Dr. Oliver Arendt

Wie seid ihr zum CC4E gekommen und was fasziniert euch an der Arbeit im Projektmanagement?

Oliver: Ich wollte die Energiewende verstehen, um zu wissen, ob dieses Projekt eine gute Idee ist. Die Älteren erinnern sich vielleicht. Anfang der 90er Jahre hieß es in ganzseitigen Zeitungsanzeigen vonseiten der großen Energieversorger: „Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken“. Noch 2012 meinte der damalige Chef des Energiekonzerns RWE, dass die Förderung der Solarenergie in Deutschland so sinnvoll sei „wie Ananas züchten in Alaska“. Oft hört man ja auch heute noch, dass Solarmodule viel mehr Energie bei der Herstellung brauchen würden, als sie durch die Stromproduktion wieder reinholen. Und dass außerdem sowieso morgen spätestens das Stromsystem zusammenbricht aufgrund der erneuerbaren Energien. Ich bin Wissenschaftler. Ich wollte wissen, was an diesen Argumenten dran ist. Deshalb wollte ich mich damit hauptberuflich befassen. Das CC4E ist dafür der perfekte Ort. Hier konnte ich mein Wissen zu den genannten Bereichen vertiefen. Heute weiß ich: Die genannten Argumente sind vorgeschoben, die Energiewende ist technisch machbar und eine sehr sinnvolle Idee! Im Projektmanagement kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass die „echten“ Wissenschaftler*innen den Kopf frei und mehr Zeit für die Forschung haben, weil ich ihnen administrative Dinge abnehme und ihnen so den Rücken freihalte.

Lisa: Für mich stand die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Energiewende schon früh fest. Seitdem ich als Kind von den Zusammenhängen zwischen fossilen und erneuerbaren Energieträgern und dem Klimawandel erfahren habe, hat mich das Thema nicht losgelassen. Beruflich dazu beitragen zu können, die Energiewende zu unterstützen, ist daher ein Herzensthema für mich. Umso schöner ist es, wenn man unabhängig und in erster Reihe – in der Forschung - an diesen Themen mitwirken kann. 

Wie Oli schon sagt, ist unsere Aufgabe hier zwar nicht die inhaltliche Arbeit an den Forschungsthemen selbst, aber durch die Betreuung von 24 Teilprojekten bekommen wir einen spannenden Einblick in eine Vielfalt verschiedener Aspekte, die Lösungsbausteine einer erfolgreichen Energiewende sein können.

Ich unterstütze die Teilprojekte vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und organisiere Veranstaltungen, die projektübergreifend die Vernetzung und den Wissensaustausch zwischen den Teams (und Projektpartnern) in X-Energy fördern. Ob Social Media, Website, die Vorbereitung von Präsentationen oder die Organisation von Messeauftritten – solche Aufgaben liegen in erster Linie bei mir.

Welche Meilensteine stehen im weiteren Verlauf von X-Energy an?

Oliver: X-Energy hat das Bergfest bereits hinter sich und läuft Ende 2026 aus. Damit sind die meisten Meilensteine bereits erreicht. Jetzt geht es darum, auch die letzten Teilprojekte noch zu einem guten Abschluss zu bringen. Und: In X-Energy hat sich gezeigt, dass es den Wissenschaftler*innen enorm hilft, wenn es ein kleines Team gibt, das sich um das administrative „Drumherum“ kümmert, in allen möglichen Belangen unterstützt und immer ansprechbar ist. Für solche Aufgaben sind an Hochschulen und auch an der HAW Hamburg in der Regel keine Mittel und Stellen vorgesehen. Unsere Unterstützung für die Wissenschaftler*innen muss damit erst einmal 2026 enden, wenn das Management-Projekt von X-Energy ausläuft. Wir überlegen uns gerade Möglichkeiten, wie unsere Stellen weiter finanziert werden könnten, um weiter die gefragte Unterstützung bieten zu können. Aber das ist eine gar nicht so leichte Aufgabe.

Lisa: Ganz zu Ende ist X-Energy allerdings noch nicht. Ein großes Event für den Abschluss von X-Energy planen wir aktuell für Anfang 2026, bei dem nochmal alle (auch ehemaligen) Forschenden und Projektpartner aus dem X-Energy-Konsortium zusammenkommen sollen. Zum Abschluss laden wir auch die interessierte Öffentlichkeit ein. Denn das Wissen aus der Wissenschaft ist für Alle da!

Klimaschutz und Energiewende sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die von allen seriösen gesellschaftlichen Playern mit Nachdruck vorangetrieben werden sollten. Sie dürfen nicht zwischen parteipolitischen Spielchen unter die Räder kommen oder medial gegen andere Themen ausgespielt werden.

Lisa Pinkowski

Aus eurer persönlichen Sicht: An welchen Fragestellungen sollte künftige Forschung im Bereich der Energiewende weiter ansetzen?

Oliver: Technisch gesehen sind viele große Fragen zur Energiewende bereits gelöst, aber im Detail gibt es immer wieder Überraschungen und Optimierungspotenzial. Deshalb müssen wir aber mit der Energiewende nicht warten. Wir müssen hier und jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Netzausbau vorantreiben! Ohne geht es nicht. Wir müssen die Lösungen umsetzen, die wir bereits kennen, und parallel dazu entwickeln und forschen wir weiter.

Lisa: Aus sozialer Perspektive erscheint die Frage nach wie vor besonders relevant, wie die Menschen bei diesem Großprojekt mitgenommen werden können. Ob der Strom aus der Steckdose grün oder grau ist, ist (bei gleichem Preis) für den bzw. die Endverbraucher*in ziemlich egal. Bei anderen Maßnahmen ist es eine konkrete Frage der Akzeptanz und/oder der finanziellen Machbarkeit. Interessant sind hierbei zum Beispiel Ansätze, bei denen die Bürger*innen von den Vorteilen der Transformation profitieren können. Elektroautos zur Stabilisierung des Stromnetzes aktiv einzusetzen, wäre eine Möglichkeit, bei der viele Menschen einen Beitrag zur Energiewende leisten und dabei noch Geld verdienen könnten. Oder eine bundesweit verpflichtende und angemessene finanzielle Beteiligung von Kommunen und Anwohner*innen an Windenergieanlagen könnte die Akzeptanz für diese womöglich erheblich steigern. Kostenloser ÖPNV wäre auch eine Traumlösung. Wie genau sich welche Maßnahmen auswirken, wer am Ende von diesen profitiert und wodurch die Akzeptanz am meisten steigt, ist bereits und muss künftig auch weiter Gegenstand von Forschung sein.

Erlaube mir noch einen letzten Kommentar: Es reicht nicht aus, dass sich einzelne Parteien oder Interessensverbände grüne Themen auf die Fahne schreiben. Klimaschutz und Energiewende sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die von allen seriösen gesellschaftlichen Playern mit Nachdruck vorangetrieben werden sollten. Sie dürfen nicht zwischen parteipolitischen Spielchen unter die Räder kommen oder medial gegen andere Themen ausgespielt werden. Wir wissen schon viel zu lange um die Konsequenzen des Nichtstuns und das kann doch nun wirklich niemand wollen!

Vielen Dank für eure Zeit!

 

Das Interview führte Inga Mohwinkel.

Über die Forschungsinitative X-Energy

X-Energy ist eine strategische Forschungspartnerschaft am Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg mit dem Ziel, das CC4E als ein führendes Innovationszentrum für die Erforschung und Entwicklung zukunftsfähiger klimaneutraler Energiesysteme in der Metropolregion Hamburg zu positionieren. Zentrales Element zur strategischen Ausrichtung des Gesamtprojektes ist das X-Energy Innovationsmanagement.

Aufgeteilt in verschiedene Teilprojekte liegt der Forschungsschwerpunkt von X-Energy vor allem auf dem Umbau des Energiesystems – weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien. In den Fokusthemen Windenergie, Systemintegration, Energiespeicher sowie Umwelt & Akzeptanz werden Lösungen für ein sicheres, stabiles und gesellschaftsfähiges Energiesystem entwickelt, das sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien speist.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von 17 Professor*innen aus drei Fakultäten der HAW Hamburg sowie die Kooperation mit Akteuren aus der Wirtschaft macht X-Energy zu einem Innovationsmotor. Mehr als 20 regionale und überregionale Unternehmenspartner entwickeln gemeinsam mit den Forschenden des CC4E in 24 Teilprojekten Lösungen für ein klimaneutrales Energiesystem – von der ersten Idee bis hin zur Markteinführung innovativer Produkte und Dienstleistungen. 

Gefördert wird X-Energy im Rahmen der Förderinitiative FH-Impuls vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. 

Weitere Informationen zur Forschungsinitiative X-Energy
 

Kontakt

HAW Hamburg / CC4E 
Inga Mohwinkel
T +49 40 428 75 5828
cc4e-presse (at) haw-hamburg (dot) de

x