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Europäischer Bürgerpreis für ApplicAid

Für mehr Chancengerechtigkeit bei Stipendien

Mitte September hat die Organisation ApplicAid den Europäischen Bürgerpreis 2022 in Berlin erhalten. Der Verein unterstützt junge Bildungsaufsteiger*innen bei Bewerbungen für Stipendien. Wir haben mit dem Mitbegründer Patrik Staak, der an der HAW Hamburg Biotechnologie studiert, über ApplicAid gesprochen.

Patrik Staack von ApplicAid

Patrik Staack von ApplicAid berät Stipendieninteressierte.

Herzlichen Glückwunsch zu der Auszeichnung! Können Sie uns kurz berichten, wie es zu dem Projekt gekommen ist?
Ich selbst bin der erste, der in meiner Familie studiert. Auf das Thema Stipendien bin ich erst durch Freunde und Bekannte aufmerksam geworden, beispielsweise auch durch Backtosch Mustafa, mit dem ich mich bereits in einigen Projekten sozial engagierte. 

Nachdem wir uns intensiver mit dem Thema Stipendien beschäftigt haben, sind wir auf eine Stipendienstudie der Stiftung Mercator gestoßen. Diese untersuchte die Chancengerechtigkeit im deutschen Stipendiensystem. Diese bestätigte unsere Erfahrungen und die vieler Bekannter, dass es herkunftsbedingte Ungleichheiten beim Zugang zu Stipendien gibt. Menschen mit einem bildungsbenachteiligten Hintergrund bewerben sich seltener für Stipendien, bekommen weniger Unterstützung aus ihrem Umfeld und haben eine geringere Chance angenommen zu werden, wenn sie sich bewerben.

Aus diesen Erkenntnissen heraus ist die Idee von ApplicAid 2018 entstanden. Seit 2020 sind wir ein eingetragener und gemeinnütziger Verein. Mit der Initiative wollen wir erreichen, dass jeder Mensch dieselben Chancen hat, seine Fähigkeiten, Talente und sein Potenzial zu realisieren – und das unabhängig vom sozialen, ethnischen oder finanziellen Hintergrund. Junge, talentierte Menschen aus bildungsbenachteiligten Gruppen sollen auf ihrem Weg zu einem Stipendium unterstützt und dadurch langfristig gefördert werden.

Wie sahen Ihre eigenen Erfahrungen konkret aus?
Zu Beginn meines Biotechnologiestudiums an der HAW Hamburg wusste ich zwar, dass es Stipendien gibt, fühlte mich aber dann doch etwas hilflos und war selbst noch mit vielen Vorurteilen behaftet. Eignung, Selbstzweifel und der immense Aufwand hielten mich zunächst von einer Stipendienbewerbung ab. 

Fragen wie „Welches Stipendium passt zu mir?“, „Wie bewerbe ich mich erfolgreich auf ein Stipendium“ oder „Bin ich wirklich gut genug dafür?“ begleiteten mich regelmäßig. Ohne mein privates Umfeld, welches mich stets ermutigte, wären diese Fragen bis heute wohl noch unbeantwortet. Und obwohl ich selbst im Laufe der Zeit mehrmals Absagen von Stipendiengebern erhielt, konnte ich stets viel aus den Prozessen mitnehmen. Denn oft setzen Stipendienbewerbungen viel Reflektionsarbeit voraus. Sowohl was das Motiv der eigenen Bewerbung betrifft als auch Fragen zur eigenen Identität werden berührt: Wer bin ich und wer möchte ich mal werden? All das half mir für zukünftige Stipendienbewerbungen und für meine persönliche Entwicklung.

Da ich weiß, wie sich unsere Zielgruppe fühlt, weil ich selbst zu ihr gehöre, setze ich mich für mehr Bildungsgerechtigkeit im Stipendiensystem ein.

Wie kann ich mir das Mentoring-Programm vorstellen?
Ehrenamtliche Mentor*innen, die selbst erfolgreich mit einem Stipendium studieren konnten, beraten Mentees, die sich für das gleiche oder ein ähnliches Stipendium bewerben möchten, aber nicht wissen, wie sie es anstellen sollen. Da müssen oft zunächst Ängste und Vorbehalte abgebaut werden. Später geht es dann ganz konkret um die Bewerbungsanschreiben und die Bewerbungsunterlagen. Das Programm ist insgesamt auf sechs Wochen angelegt. Wir von ApplicAid versuchen die passenden Mentor*innen und Mentees miteinander zu matchen. Das ist uns bis jetzt schon rund 400 Mal gelungen!

Welche Tipps haben Sie für die Studierenden der HAW Hamburg?
Eine gute Übersicht von der HAW Hamburg über Stipendien findet sich auf der Webseite:www.haw-hamburg.de/studium/kosten-und-finanzierung/stipendien

Neben Informationen zum Deutschlandstipendium und den 13 großen Begabtenförderwerken sind dort ebenso Stipendien für internationale Studierende und Stipendien für Aufenthalte im Ausland zu finden. Besonders Letztere sind sehr interessant. Möglich sind beispielsweise Studiensemester oder Praktika an einer europäischen Partnerhochschule mit Erasmus+ oder in den USA bzw. Australien mit PROMOS. 

Und wenn es mal ein kleiner Auslandsaufenthalt sein soll, ist man mit den Programmen von Fulbright, der Summer-School-Förderung oder dem HAW-International-Stipendium für Messen und Kongresse bestens versorgt. Die Angebote sind da und warten nur darauf genutzt zu werden!

Man braucht auch keine Angst zu haben, dass sich das Studium durch einen Auslandsaufenthalt automatisch verlängert. An den meisten Hochschulen gibt es in der Regel die Möglichkeit, sich Praktika und Pflichtveranstaltungen anrechnen zu lassen. In einem Gespräch mit dem*der Studienfachberater*in können hier viele Fragen gut beantwortet werden. Über Erasmus+ konnte ich selbst während meines Studiums einen Auslandsaufenthalt absolvieren. Über meine Erfahrungen habe ich als DAAD-Korrespondent der HAW Hamburg auf der Webseite von studieren weltweit und auch auf meinen sozialen Kanälen berichtet. Ich hoffe, dass ich viele Studierende für ähnliche Vorhaben motivieren kann!

Bei weiteren Fragen und Unterstützungsbedarf rund um das Thema Stipendien hilft ApplicAid natürlich gerne.

Vielen Dank! Wir wünschen Ihnen und allen Ehrenamtlichen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!

Zum Europäischen Bürgerpreis

Der Europäische Bürgerpreis würdigt Initiativen, die zur europäischen Zusammenarbeit und zur Förderung gemeinsamer europäischer Werte beitragen. Da dieses Jahr das Europäische Jahr der Jugend ausgerufen wurde, wurden Projekte für junge Menschen bevorzugt ausgewählt. Die nationale Preisverleihung hat am 19. September 2022 im Europäischen Haus in Berlin stattgefunden. Im November bekommen alle Gewinner ihre Medaillen im Europäischen Parlament in Brüssel überreicht.

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