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Gemeinsam gegen Treibhausgase – in Brasilien und Hamburg

Forschung ohne Grenzen: Zwei brasilianische Forschende, Dr. Mila Vieira da Rocha und Daniel Santos, verbringen mehrere Monate in Hamburg im Rahmen einer internationalen Forschungskollaboration. Das PROBRAL-Programm ermöglicht diese Kollaboration und wird vom Deutscher Akademischer Austauschdienst- und CAPES, einer brasilianischen Förderagentur für Hochschulbildung, zusätzlich gefördert. Im Interview sprechen Mila und Daniel über ihre Arbeit, wie lecker Franzbrötchen sind und wieso wissenschaftlicher Fortschritt ohne grenzenlosen Austausch unmöglich ist.

 

© HAW Hamburg / Helen Kemmler

Dr. Mila Vieira da Rocha und Daniel Santos aus Brasilien sind für einige Monate in Hamburg, im Rahmen eines internationalen Forschungsaustauschs

HAW HAMBURG: Hallo Mila und Daniel, schön, dass ihr da seid! Möchtet ihr euch kurz vorstellen?

Mila: Ich bin Mila Rocha. Ich komme aus Brasilien, genauer gesagt aus dem Bundesstaat Rio de Janeiro und ich bin Physikerin. Während meiner Promotion und meines Postdocs habe ich umweltrelevante Gase mit einer ganz bestimmten Messtechnik untersucht. Ich arbeite daran, Sensoren zur Detektion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft zu entwickeln.

Daniel: Und ich bin Daniel Santos und komme ebenfalls aus Brasilien – aus derselben Stadt wie Mila. Ich habe einen Bachelor in Physik und einen Master in Naturwissenschaften. Mila und ich haben bereits in Brasilien zusammengearbeitet, bevor wir über dasselbe Forschungsprogramm (DAAD) nach Deutschland gekommen sind. Ich habe 2022 mit meiner Promotion begonnen und verbessere die Sensortechnologien zur Detektion von Treibhausgasen und mache Gasmessungen mithilfe fotoakustischer Spektroskopie.

HAW HAMBURG: Könnt ihr etwas mehr über euer Forschungsprojekt erzählen? Worum geht es da genau?

Mila:  Wir wollen Sensoren zum Detektieren von Treibhausgasen entwickeln – insbesondere Lachgas. Zwar ist von Lachgas deutlich weniger in der Atmosphäre als von dem bekannten CO2, aber Lachgas ist fast 300-mal so klimaschädlich. Die Landwirtschaft ist eine Hauptquelle von Lachgasemissionen. Deswegen suchen wir nach besseren Methoden, um diese Emissionen dort zu messen und zu überwachen.

HAW HAMBURG: Das klingt spannend. Was ist dabei besonders herausfordernd?
Daniel: Tatsächlich der Preis. In Brasilien haben wir sehr präzise Lasersensoren verwendet, die kosten aber mehr als 15.000 Euro pro Stück – nicht wirklich erschwinglich für den industriellen Einsatz.

Mila: Hier in Hamburg arbeiten wir an einer LED-basierten Alternative. Die würde weniger als 1000 Euro kosten. Wenn wir es schaffen, zu einem Bruchteil der Kosten ähnlich genaue Ergebnisse zu liefern, wäre das ein echter Durchbruch.
Derzeit sind wir noch in der Optimierungsphase der Sensoren, aber bald vergleichen wir unsere Messergebnisse mit landwirtschaftlichen Daten aus Brasilien.

HAW HAMBURG: Was hat euch nach Hamburg geführt?

Mila: Der brasilianisch-deutsche Forschungsaustausch. Der wird gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD und CAPE, einer brasilianische Förderagentur für Hochschulbildung. Unser Projekt ist Teil dieses Austauschs. Ziel ist es, vom Fachwissen aus beiden Ländern zu profitieren. Wir sind jetzt in Hamburg, aber auch deutsche Forscher*innen sind im Rahmen des Programms nach Brasilien gereist.

Daniel: Dieser Austausch ist super wichtig! Brasilien hat eine starke wissenschaftliche Community und besonders viel Wissen in der tropischen Landwirtschaft. Durch die Zusammenarbeit profitieren beide Seiten: Deutschland lernt mehr über landwirtschaftliche Umweltprobleme in tropischen Regionen, und wir bekommen Zugang zu anderen Technologien und Forschungsinfrastrukturen. Es ist ein echter Wissens- und Erfahrungsaustausch.

HAW HAMBURG: Was war euer erster großer Eindruck – oder vielleicht sogar ein kleiner Kulturschock?
Daniel: Die Kälte! In unserer Heimatstadt sind es immer um die 30 °C. Wir kamen im Oktober an und hatten das Gefühl, direkt in den Winter geflogen zu sein. Anfangs fühlten sich selbst 10 °C eiskalt an, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Nur unter null macht mir immer noch zu schaffen.

Mila: Ich dachte, ich bräuchte länger, um mich an die kulturellen Unterschiede zu gewöhnen, doch das ging ziemlich schnell. Das Forschungsteam hat uns sehr herzlich empfangen. Auch das Wohnen im Studierendenwohnheim hat sehr geholfen – so konnten wir direkt Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen.

Wissenschaft macht unfassbare Fortschritte, wenn sie über Grenzen hinweg betrieben wird

Daniel Santos, Wissenschaftler aus Brasilien

HAW HAMBURG: Was gefällt euch an Hamburg bisher am besten?

Mila: Die Architektur und das internationale Flair der Stadt – das liebe ich. Auch die Menschen sind überraschend hilfsbereit. Auch wenn mein Deutsch nicht perfekt ist, mit Englisch ist das hier gar kein Problem.

Daniel: Mir gefällt auf jeden Fall der öffentliche Nahverkehr! In Brasilien haben nur die größten Städte eine gute Bahnanbindung – aber hier komme ich mit U-Bahn oder S-Bahn überall schnell hin. Dadurch ist der Alltag deutlich entspannter. Auch hat Hamburg wunderschöne Orte wie die Landungsbrücken oder den Stadtpark. Ich schaue mir auch gerne Spiele vom FC St. Pauli am Millerntor an.

HAW HAMBURG: Und das Essen – habt ihr schon Favoriten?

Mila: Franzbrötchen! Ich hätte nicht gedacht, dass mir deutsches Essen so gut schmeckt. Vor allem, weil ich meine erste längere Europareise in England gemacht habe – vom Essen dort war ich kein großer Fan. Aber im Gegensatz dazu hat Hamburg eine tolle Auswahl an internationalen Restaurants.

Daniel: Ich esse am liebsten Gulasch und Krautsalat. Und ich schätze die Bier- und Kaffeekultur hier sehr – überall gibt es guten Kaffee, und der macht auch ziemlich wach!

HAW HAMBURG: Was nehmt ihr bisher aus der Zeit in Hamburg mit?

Mila: Den Blick für die kleinen Dinge! In Brasilien nehmen wir Sonnenschein als selbstverständlich hin – hier freue ich mich über jede Sonnenstunde.

Daniel: Anpassung und Resilienz. Und ich habe gesehen, wie sehr Wissenschaft und Forschung in Deutschland geschätzt werden. Wenn ich nach Brasilien zurückkehre, möchte ich mich dafür einsetzen, Wissenschaft und Forschung auch dort zu stärken – besonders, die Förderlandschaft.

HAW HAMBURG: Wie wichtig sind aus eurer Sicht solche Forschungsaustausche?

Mila: Unverzichtbar. In Brasilien sehen junge Forschende oft gar nicht die Möglichkeiten, die sie haben. Denn an Chancen, Förderung und Infrastruktur mangelt es. Die Arbeitsweisen und das wissenschaftliche Denken hier haben so manches Mal meine Augen geöffnet.

Daniel: Und es geht nicht nur um Brasilien und Deutschland – solche Kooperationen sollten weltweit stattfinden. Wissenschaft macht unfassbare Fortschritte, wenn sie über Grenzen hinweg betrieben wird.

HAW HAMBURG: Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch und eure spannenden Einblicke! Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg in der Forschung – und viele sonnige Tage in Hamburg!

Das Interview führte Helen Kemmler

 

Informationen zum Projekt:

Photoacoustic gas sensor for applications in life science, DAAD Projektbezogener Personenaustausch mit Brasilien, CAPES 2024-2026, Projektnummer PPP57705596, Laufzeit: 01.01.2024-31.12.2027, Projektleitung: Prof. Dr. Marcus Wolff - Leiter des Heinrich-Blasius-Instituts

 

 

Kontakt

Prof. Dr. Marcus Wolf
Department Maschinenbau und Produktion

Berliner Tor 21
20099 Hamburg
Raum 320

T +49 40 428 75-8624
marcus.wolf (at) haw-hamburg (dot) de

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