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Globale Perspektiven bringen Erfolg beim US-Wettbewerb

Studierende der Virginia Tech und der HAW Hamburg haben in diesem Jahr für ihren gemeinsamen Flugzeugentwurf den 2. Platz in der „Undergraduate Design Competition“ des American Institute of Aeronautics & Astronautics (AIAA) errungen. Das Projekt über zwei Kontinente konnte dabei auf die unterschiedlichen Stärken der beiden Hochschulen zurückgreifen.

Entwurf eines Flugzeugs in der Luft

Flugzeugentwurf "Over the Pond" Team

Beim jährlichen USA-weiten AIAA-Wettbewerb arbeiten Ingenieurstudierende an einem simulierten, aber realen Problem. Zur Jury gehören Expert*innen aus der Industrie, der Regierung und der akademischen Welt. Studierende der Virginia Tech nehmen regelmäßig im Rahmen ihres Senior-Capstone-Design-Projekts am AIAA-Wettbewerb teil. Professorin Jutta Abulawi (HAW Hamburg) und Professor Pradeep Raj (Virginia Tech) haben verschiedene Ansätze ausprobiert, um Flugzeugbau-Studierende der HAW Hamburg in die Virginia Tech-Designteams einzubinden. Gemeinsame Projekte sollen die strategische Hochschulkooperation mit der Virginia Tech im Rahmen der "HAW goes USA 2020"-Strategie stärken und vertiefen.

Für Jutta Abulawi ist das Projekt ein Herzensanliegen, in das sie viel Zeit und Energie steckt: "Unsere Studiengänge bereiten die Studierenden auf die technischen Herausforderungen des Ingenieurwesens vor, aber diese Art von Projekt gibt ihnen einen Einblick in die Herausforderungen der internationalen Teamarbeit, die in der heutigen Luftfahrtindustrie üblich ist", sagt Jutta Abulawi. "Es vermittelt ihnen realistische sowie praktische Erfahrungen bei der Organisation eines Projekts und bei der Zusammenarbeit im Team, bei der verschiedene Sprachen, Kulturen, Ausbildungshintergründe und Standorte eine Rolle spielen."

Virtuelle Designprojekte und internationale Zusammenarbeit
 

Im Studienjahr 2019/20 sollten Studierenden­teams ein Flugzeug entwerfen, das die Herausforderung des zunehmenden Luft­verkehrs berücksichtigt und dazu beiträgt, die Überlastung der Flughäfen zu verringern. Das Kurzstrecken­flugzeug sollte eine Passagier­kapazität von 400 Passagieren (ungefähr doppelt so viele wie bei Flugzeugen vergleichbarer Reichweite) mit einer Zweiklassen­konfiguration und einer Reichweite von 3500 nautischen Meilen vorweisen. Als Einsatztermin war das Jahr 2029 gesetzt.

Über einen Zeitrahmen von neun Monaten arbeiteten zwei HAW Hamburg Bachelorstudierende mit dem achtköpfigen Virginia Tech-Team am Entwurf. Valentin Krebs war u.a. als Austausch­student und DAAD-Stipendiat vor Ort in Blacksburg, während Richard Zwetzich als virtuelles Teammitglied in Hamburg virtuell mitarbeitete. Das Team gab sich den Namen „Over the Pond“ in Anlehnung an die Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg. "Da die Anforderungen der Luft- und Raumfahrt­industrie international ähnlich sind, ist es von großem Vorteil, unterschiedliche Perspektiven auf das gleiche Problem zu bekommen. Auf diese Weise ist es möglich, out of the box zu denken und innovative Lösungen zu schaffen, indem die Vorteile verschiedener Ansätze kombiniert oder ergänzt werden", begründet Valentin Krebs seine Teilnahme am Projekt.

"Project Exo"
 

Mit dem Titel "Project Exo" bestand ihr Flugzeug­entwurf aus einem auf Verbundwerk­stoffen basierenden, breiten Rumpf mit niedrig montierten Flügeln und einer T-Leitwerk-Konfiguration. Zwei am Heck angebrachte Turbofan-Triebwerke würden den Treibstoffverbrauch durch Grenzschichtabsaugung senken. Weitere elektrische Flugzeug­systeme wurden verwendet, um die Betriebskosten und den Wartungsaufwand zu reduzieren. Der Clou: Das Flugzeug hatte eine bequeme 2-3-3-2 versetzte Sitzkonfiguration mit drei Gängen, das im Schnitt ein Boarding in beein­druck­enden 27 Minuten ermöglicht (simuliert anhand von über 1500 genutzten Parametern). Damit wären neun effiziente Zyklen pro Tag möglich.

Das Ergebnis ist ein erfolgreiches Zusammen­spiel der Stärken beider Hochschulen: „Während unsere Kolleginnen und Kollegen von der Virginia Tech die Reisegeschwindigkeit optimierten, entwickelten wir ein Kabinen­design, das den Anforderungen der hohen Passagierzahl gerecht wurde und die langsame (De-) Boarding-Zeit einer klassischen Kabine vermied“,  erläutert Valentin Krebs. "Abgesehen davon, dass wir an verschiedenen Orten waren, arbeiteten wir mit Studierenden mit einer völlig anderen Wissensbasis", ergänzt Amanda Butynes, Virginia Tech-Studentin und Teamleiterin von 'Project Exo' über ihre Hamburger Kollegen. "An der HAW Hamburg kann man sich als Studierender komplett auf die Flugzeugkabine fokussieren, was an der Virginia Tech nicht möglich ist. Das gab unserem Projekt eine Tiefe, die wir als reines Virginia-Tech-Team nicht gehabt hätten. Die verschiedenen Perspektiven waren sehr wertvoll."

Lehren aus der internationalen Projektarbeit
 

Doch eine solche Zusammenarbeit zeigt auch, welche Herausforderungen internationale Projekte mit sich bringen können. Gerade deshalb sind sie eine so gute Vorbereitung auf das spätere Berufsleben. Die Studierenden der HAW Hamburg hatten sich durch das Integratives-Projekt-Modul von Jutta Abulawi bereits viel Projekterfahrung angeeignet und waren mit Planungstools sehr vertraut. Trotzdem lief die Kommunikation mit den Teammitgliedern in den USA nicht immer rund und manche Aufgaben wurden doppelt gemacht. Unterschiedliche Arbeitsweisen und eine nicht immer perfekte Video-Technik für Online-Meetings führten mitunter zu stressigen Situationen. Nach ein paar Monaten der Zusammenarbeit war für die nur zwei Studenten der HAW Hamburg klar, dass sie sich mit ihrem Wissen positionieren mussten, wenn sie eine tragende Rolle im Projekt spielen wollten. So fokussierten sie sich auf ihre Stärken und auf die Entwicklung der Kabine – mit Erfolg, wie es sich am Ende herausstellte. Von einigen Professoren in der Jury wurde bestätigt, dass die sorgfältige Ausarbeitung des Innenraums und die Möglichkeit des schnellen Boardings ein schlagendes Kaufargument („Keyseller“) für das Flugzeug und damit ein wichtiges Argument für den zweiten Platz war. 

So war am Ende alles gut: "Ich erinnere mich genau an den Moment, als wir fast gleichzeitig erkannten, dass eine schnellere Boardingzeit unser Alleinstellungsmerkmal in diesem Projekt sein könnte.“ sagt Richard Zwetzich. “Es war eine Art Joint Venture: die Virginia-Tech-Studierenden mit ihrem enormen Wissen in strukturellen und aerodynamischen Berechnungen und wir beiden Studenten der HAW Hamburg mit unseren Kompetenzen bei Kabinen, CAD, Simulationen und Systemen. So konnten wir alle unsere Ressourcen in einen Topf werfen, um etwas zu schaffen, auf das wir stolz sein können."

Text: Ingrid Weatherall

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„Over the Pond“ Teammitglieder: Matthew Bednarz, Amanda Butynes, Jonathan Dronfield, Ryan Fisher, Murray Kim, Nick Mazzella, Patrick Rodgers und David Shane (Virginia Tech) sowie Valentin Krebs und Richard Zwetzich (HAW Hamburg).

Weitere Informationen zu "HAW goes USA"

Weitere Informationen zum Projekt Exo

 

Kontakt

Ingrid Weatherall
International Office
Leitung "HAW goes USA"

Prof. Dr. Jutta Ablawi
Dept. Fahrzeugtechnik & Flugzeugbau

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