Internationale Forschungsarbeit an der HAW Hamburg

Horizon Europe-Projekt zu interkulturellen Beziehungen

Internationale Zusammenarbeit ist ein wichtiges Instrument, um die Gemeinsamkeiten zu stärken. Mit dem Programm Horizon Europe fördert die EU genau diesen Austausch und die Forschungsarbeit innerhalb der europäischen Wissenschafts-Gemeinschaft. Prof. Dr. Hanna Klimpe von der Fakultät Design, Medien, Information (DMI) ist als erste Wissenschaftler*in der HAW Hamburg zusammen mit weiteren Forscher*innen im Rahmen einer Ausschreibung des Horizon Europe-Programms erfolgreich. Wir haben mit ihr zu dem Projekt, der Ausschreibung und den nächsten Schritten gesprochen.

Drei Flaggen mit dem Europa-Sternenkreis vor blauem Himmel© Alexandre Lallemand / unsplash

Mit dem Programm Horizon Europe fördert die EU den Austausch und die Forschungsarbeit innerhalb der europäischen Wissenschafts-Gemeinschaft.

„Selbstinszenierung als Mittel der Annäherung. Europäische Ost-West-Wahrnehmung im Spiegel der kulturellen Diplomatie - Institutionen, künstlerische Bewegungen und soziale Netzwerke als Mittler“ – so lautet der vollständige Titel Ihres Projekts im Rahmen des Horizon Europe-Programms. Können Sie uns bitte etwas zum Inhalt und der Ausrichtung des Projekts sagen?
Der Kurz-Titel des Projekts lautet NARDIV – United in Narrative Diversity. Im Kern geht es um die Rolle von Kultur und Medien und deren Wahrnehmung in interkulturellen Beziehungen zwischen Ost- und West-Europa. Mit dem Blick auf die enge politische und kulturelle Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht selbstverständlich war, möchten wir mit dem Projekt anhand der kulturellen Beziehungen die Verbesserung der west- und osteuropäischen Länder analysieren. Wir arbeiten mit 14 Konsortium-Mitgliedern aus sechs Ländern: Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Polen, Rumänien und die Slowakei.

Wie wurden Sie Teil des Projekts und wie haben sich die Mitglieder gefunden?
Prof. Dr. Nicole Colin von der Universität Aix-Marseille hatte die Idee zu dem Projekt und wir kennen uns von meiner Doktorarbeit, für die sie vor einigen Jahren meine externe Gutachterin war. Sie hat selbst außerhalb von Universitäten gearbeitet, ist sehr offen für Angewandte Wissenschaften und hatte mir den Projekt-Call im März 2021 weitergeleitet. In ersten Sitzungen haben wir den Inhalt konkretisiert – welche Ausrichtung könnte passen, wie binden wir die Rolle von Social Media oder Theater in West-Ost-Beziehungen ein? Anhand der Fragestellungen haben wir weitere Wissenschaftler*innen gesucht und angesprochen. Wichtig ist bei dem Projekt das Interesse, interdisziplinär zu arbeiten. Das letzte Konsortium-Mitglied kam erst kurz vor dem Ende der Antragsfrist dazu – insgesamt war die Antragsstellung sehr sportlich. Zugleich war aber bereits in diesem Prozess schön zu sehen, dass wir uns aufeinander verlassen können und nicht bei wenigen die gesamte Arbeit liegt.

Mit dem Blick auf die enge politische und kulturelle Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht selbstverständlich war, möchten wir mit dem Projekt anhand der kulturellen Beziehungen die Verbesserung der west- und osteuropäischen Länder analysieren.

Prof. Dr. Hanna Klimpe, Professorin an der Fakultät DMI

Alle Mitglieder immer einzubinden und zu informieren ist sicher nicht leicht…
So ein großes Konsortium ist nicht ungewöhnlich – und Teil des Projekts ist ja die Vernetzung. Neben unseren Fragestellungen für die Forschung erhoffen wir uns aber auch einen zusätzlichen Output durch die Zusammenarbeit: welche neuen Formen der Zusammenarbeit gibt es, wie arbeite ich in einem großen, verzweigten Konsortium, das zugleich verschiedene Wissenschaftstraditionen und kulturelle Eigenschaften vereint?

Und wie sieht die Zusammenarbeit in der Praxis aus?
Der Start des Projekts ist erst 2023, von daher laufen bislang nur die Vorarbeiten. Aber ich habe schon sehr viele Excel-Tabellen und Matrizes für Organisationspläne erstellt. Das Projekt besteht aus insgesamt sieben unterschiedlichen Arbeitspaketen, von denen ich zwei leite. Aber jedes Mitglied nimmt auch an Veranstaltungen der anderen Work Packages teil und wir wollen uns regelmäßig in der großen Runde treffen, um die Arbeit in den Teilgruppen immer wieder zu synchronisieren.

Ansonsten haben wir während der Antragsstellung hauptsächlich via Zoom kommuniziert: Es war die Hochphase der Pandemie. Wir haben so unmittelbar Ziele der EU-Projekte in unsere Arbeit eingebunden – Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Neben der Koordination des Projekts muss ich parallel meine Arbeit gut strukturieren – also die Lehre, meine Rolle als Gleichstellungsbeauftragte, die Gremienarbeit im Department sowie kleinere Forschungs- und Praxisprojekte. Das geht nur mit guter Vorausplanung.

Grundsätzlich ist ein Ziel des Projekts, dass die Themen der Gesellschaft zugänglich gemacht werden. Dabei müssen wir nicht nur der Komplexität der EU gerecht werden, sondern auch die einzelnen Zielgruppen erreichen.

Prof. Dr. Hanna Klimpe

Können Sie schon mehr zu den Arbeitspaketen und deren Inhalten sagen?
Die Themen sind sehr vielschichtig: Es geht um die Diskrepanz zwischen postkolonialen Diskursen und nationalen Interessen in den Beziehungen zwischen Ost und West, über eine transkulturelle Inszenierung mit der Performance-Gruppe Rimini-Protokoll über die Zukünfte von Europa und Recherchen über Biografien von Künstlerinnen aus Osteuropa, die in den Nach-Wendejahren nach Westeuropa gegangen sind.

Ich leite dabei zwei Work-Packages: In einem Arbeitsprojekt untersuche ich mit einem Historiker von der Universität Amsterdam und mit einem Thinktank aus der Slowakei Wahrnehmung von Desinformationskampagnen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Medien entstehen. In einem zweiten Work Package erarbeite ich mit Kulturinstitutionen in Bukarest und Amsterdam Strategien für hybrides Community Building, um die Institutionen und lokale Initiativen sowohl über Social Media als auch über Präsenzformate besser zu vernetzen.

Grundsätzlich ist ein Ziel des Projekts, dass die Themen der Gesellschaft zugänglich gemacht werden. Dabei müssen wir nicht nur der Komplexität der EU gerecht werden, sondern auch die einzelnen Zielgruppen erreichen. Daher gehören zum Konsortium sowohl wissenschaftliche Einrichtungen als auch politische und journalistische Thinktanks, gemeinnützige Institutionen sowie Kultureinrichtungen.

Die HAW Hamburg ist als einzige Hochschule für angewandte Wissenschaften in dem Projekt. Sehen Sie darin Vorteile?
Die Nähe der HAWen zu aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen sowie die Praxisnähe in der Lehre bieten den Hochschulen in Projekten wie NARDIV Chancen, eine entscheidende Rolle zu übernehmen. Insgesamt sehe ich noch einen großen Nachholbedarf bei der Zusammenarbeit und dem Austausch zwischen Hochschulen und Universitäten. Bei unserem Projekt ist der Vorteil, dass Nicole Colin und ich beide Kontexte kennen und diese Erfahrung bei der Zusammenstellung des Konsortiums eingebracht haben.

Die Idee für die Projektausrichtung ist bereits 2021, vor dem Angriff auf die Ukraine, entstanden. Schon vor einem Jahr gab es in Europa Spannungsfelder und in einigen Staaten – sowohl in West- als auch in Osteuropa – wurde die Idee Europas in Frage gestellt. Wir haben das Projekt nicht ohne Grund entwickelt und die politische Lage im Blick gehabt.

Prof. Dr. Hanna Klimpe

Horizon Europe verfügt für die Programmlaufzeit von 2021-2027 über ein Budget von rund 95,5 Milliarden Euro. Nachdem Sie nun die Antragsprozess durchlaufen haben – empfehlen Sie Ihren Kolleg*innen, Projekte einzureichen?
Unbedingt, gefühlt sind die Chancen relativ gering, dass ein Projektantrag erfolgreich ist – nur rund zwei bis drei Prozent der Anträge werden genehmigt, und von dem ersten Gespräch bis zur Abgabe ist mehr als ein Jahr vergangen. Doch über das Jahr haben sich Verbindungen gebildet und sind Netzwerke entstanden, die sich sonst nie ergeben hätten. So hat sich ein Promotionsprojekt mit der Universität Amsterdam entwickelt zum Thema Wissenschaftskommunikation in Social Media. Also, selbst wenn das Projekt nicht genehmigt worden wäre, hätten wir gemeinsam die Idee weiter verfolgt – vielleicht nur einzelne Work-Packages, aber wir haben nicht ein Jahr umsonst gearbeitet.

Abschließend noch ein Blick auf die Aktualität des Themas: Die Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa haben spätestens seit dem Krieg in der Ukraine an Brisanz gewonnen…
Die Idee für die Projektausrichtung ist bereits 2021, vor dem Angriff auf die Ukraine, entstanden. Schon vor einem Jahr gab es in Europa Spannungsfelder und in einigen Staaten – sowohl in West- als auch in Osteuropa – wurde die Idee Europas in Frage gestellt. Wir haben das Projekt nicht ohne Grund entwickelt und die politische Lage im Blick gehabt. Die bisherige Arbeit in dem Konsortium, die sehr konstruktiv ist und auf Augenhöhe stattfindet, zeigt mir, dass ein Miteinander bereichernd und wichtig ist.

Interview: Anke Blacha

Horizon Europe-Programm

Horizon Europe ist das neunte Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union. Eines der Ziele des Programms ist es, eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Eng an die politischen Prioritäten der Europäischen Union angelehnt ist der Strategische Plan des Programms schwerpunktmäßig auf einen ökologischen und digitalen Wandel ausgerichtet. Horizont Europa wird für die Programmlaufzeit von 2021-2027 über ein Budget von rund 95,5 Milliarden Euro verfügen.

An der HAW Hamburg unterstützt das Team von Forschung und Transfer (FuT) die Lehrenden und Forschenden der Hochschule bei Forschungsanträgen, wie für das Horizon Europe-Programm. Ihre Ansprechpartnerinnen sind Dr. Maren Adler und Kathrin Rath (eu-forschung (at) haw-hamburg (dot) de).

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