Nach dem Studium der Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Psychiatrie war Harald Ansen zunächst als Sozialarbeiter im Krankenhaussozialdienst sowie in der Sozialberatung des Diakonischen Werks Hamburg tätig. Bereits hier beschäftigte er sich mit allgemeinen Armutsfragen, besonders mit Wohnungslosigkeit und Überschuldung aus der Perspektive der sozialen Beratung. Mitte der 1990er Jahre verlegte er seinen beruflichen Schwerpunkt in den Hochschulbetrieb – die Themen und Fragen nahm er dorthin mit. 1998 promovierte er an der Universität Lüneburg zum Thema Armut und Soziale Arbeit und wurde im selben Jahr an die Berufsakademie Stuttgart für die Arbeitsgebiete Methoden der Sozialen Arbeit und Klinische Sozialarbeit berufen. 2003 erfolgte der Ruf an die HAW Hamburg, auf die Professur für Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an den damaligen Fachbereich Sozialpädagogik. Die Zeit an der HAW Hamburg war von vielfältigen Forschungs- und Lehraktivitäten, sowie – als Prodekan, und langjährigen Fakultätsratsmitglied – von hochschulpolitischem Engagement und Kooperationen in und außerhalb der Hochschule gekennzeichnet.
Harald Ansen zeichnete sich durch präzise Analysen und Diagnosen zu Ursachen und Folgen von Armut, der Ermöglichung von sozialer Teilhabe, Existenzsicherung sowie den Anforderungen, der Bedeutsamkeit und Weiterentwicklung der sozialen Beratung aus. Dafür war er weit über Hamburg bekannt und angesehen. Sein Fokus lag dabei auf der Profilierung der Sozialen Beratung und Unterstützung von Menschen in prekären Lebenslagen. Darüber hinaus beschäftigten ihn die theoretisch-systematischen Grundlagen der Sozialen Arbeit und ihr Beitrag zur wissenschaftlichen und methodologischen Fundierung der Profession. Hierzu hat er mit zahlreichen Publikationen und Vorträgen sowie durch die Begleitung von Promovierenden und deren zentralen Forschungsfragen nachhaltig beigetragen. Seine Lehrbücher „Soziale Beratung bei Armut“, „Soziale Schuldnerberatung“ und seine Beträge zur „Sozialdiagnostik in der Betreuungspraxis“ wurden ebenso breit rezipiert wie seine jüngsten Abhandlungen über „Das Recht auf Unterstützung“ und „Gespräche führen in der Sozialen Arbeit“ sowie weitere Monografien und Aufsätze.
Forschung war für Harald Ansen nie Selbstzweck, seine Fragen waren ausgerichtet an den realen Fragen, die den Alltag insbesondere vulnerablen Gruppen in der Lebensführung und Lebensbewältigung bestimmen. Es galt Antworten zu finden und gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Praxis, der Wissenschaft und Fachpolitik Unterstützungsangebote zu konzipieren sowie notwendige gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen und einzufordern.
Vom Beginn seines Wirkens im Hochschulbetrieb an – in Forschung, Lehre, Weiterbildung sowie Beratung in unterschiedlichen Kontexten – war es Harald Ansen wichtig, den Praxisbezug nicht zu verlieren. In unterschiedlichen Konstellationen hat er vielfältige Bezüge zur Praxis aufgebaut und kontinuierlich gehalten. Im Kontext von Forschungs-, Evaluations- und Konzeptionsprojekten, machte er mit und für eine jeweils konkrete Praxis deren Erkenntnisse fruchtbar. Exemplarisch stehen hier Evaluationsstudien in der Wohnungslosenhilfe, seine Beteiligung im DFG-Projekt „Adult Numeracy“, am kooperativen Graduiertenkolleg „Qualitätsmerkmale sozialer Bildungsarbeit“ sowie sein langjähriges und unermüdliches Engagement im Containerprojekt für obdachlose Frauen, Transgender und queere Menschen des Caritasverbandes am Standort der HAW Hamburg. In gleicher Weise gestaltete und lebte er Praxisbezüge durch sein Mitwirken in Verbänden und Gremien, u.a. als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit, im Kuratorium der Evangelischen Hochschule Hamburg sowie im Beirat von Hinz&Kunzt.
Beides hat Harald Ansen nie verloren. Viele dieser Praxisbezüge hat er auch im Kontext der Weiterbildung von Fachkräften in unterschiedlichen Feldern der Sozialen Arbeit aufgebaut und ausgestaltet. Dies war für ihn immer eine gegenseitige Bereicherung und eine Gelegenheit, sich gemeinsam und auf Augenhöhe den immer wieder neu stellenden Praxiserfordernissen zu widmen sowie neue Fragen für Forschung, Lehre und Weiterbildung zu generieren. Wissen und Kompetenzen zu erweitern war ihm selbst – nicht nur fachlich – immer ein Anspruch. Als leidenschaftlichem Hochschullehrer war es ihm auch eine Herzensangelegenheit, Studierende für die praktischen und wissenschaftlichen Zugänge zur Sozialen Arbeit gleichermaßen zu begeistern. Das bedeutete für ihn, in seinen Seminaren nicht nur die Aneignung von theoretischem Wissen und methodischen Fähigkeiten zu ermöglichen, sondern in gleicher Weise eine achtsame professionelle Haltung zu entwickeln.
In seinem immer achtsamen und wertschätzenden Umgang mit Studierenden, Promovierenden, Kolleg*innen, Fachkräften, aber vor allem auch in der Haltung, die er gegenüber Adressat*innen der Sozialen Arbeit lebte, war er für viele ein Vorbild und Begleiter. In dieser Weise hat er viele Menschen inspiriert, stand ihnen auf ihren ganz unterschiedlichen Wegen durch das Studium, im Promotionsprozess, in der Handlungspraxis und in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit beratend und begleitend zur Seite, stets empathisch zugewandt, ohne dabei den anderen eigene Entscheidungen abzunehmen.
Von Studierenden und der Fachwelt wurde er für seine immer konstruktiv kritische Auseinandersetzung mit sozialen Problemen, seine strukturierten, rhetorisch brillanten Beiträge, dabei ebenso ruhigen und präzisen aber auch mal spitzfindigen und verschmitzten Töne und auch für seinen immer gut dosierten Humor sehr geschätzt. Er machte Schwieriges verständlich, ohne dabei die inhaltliche Tiefe und Genauigkeit zu verlieren. Harald Ansen hörte aber auch aufmerksam zu. Ihn zeichnete ein echtes Interesse an den Menschen und ihren Themen aus. Dafür hatte er stets ein offenes Ohr und nahm sich Zeit. Achtsam, empathisch und mit großer Freundlichkeit pflegte er vielfältige Beziehungen zu Menschen aus so unterschiedlichen Kontexten und schuf Verbindungen zwischen ihnen.
Wir verlieren mit Harald Ansen einen herzensguten Menschen, einen kollegialen Ratgeber und Freund, und einen engagierten Hochschullehrer, Forscher und Streiter für eine sozial gerechtere Welt. Ein überaus achtsamer, wertschätzender Kollege und Freund wird fehlen.
Im Rahmen einer Gedenkfeier am 25. September 2024 gabe es für die vielen Menschen, die über die HAW Hamburg hinaus persönlich, kollegial, fachlich und über Kooperationen mit Prof. Dr. Harald Ansen verbunden waren, Raum zum Gedenken und Erinnern.
Für das Kollegium des Departments Soziale Arbeit: Simon Güntner, Grit Lehmann, Dieter Röh, Sabine Stövesand und Ulrike Voigtsberger