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KI zwischen Handlungsmacht und Gestaltungsbedarfen

Interdisziplinärer Blick auf die KI

An der HAW Hamburg befassen sich verschiedenste Studien- und Forschungsbereiche mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI). Das reicht von IT-Sicherheit über Desinformation bis hin zu KI-Robotik.

Künstliche Hand und menschliche Hand berühren sich vor digitalem Hintergrund

Gesprächsreihe: Künstliche Intelligenz zwischen Handlungsmacht und gesellschaftlichen Gestaltungsbedarfen. Informatik, Soziologie und Empirische Kulturwissenschaft im Gespräch

Einen weiteren Aspekt beleuchtet das aktuelle Kolloquium „KI zwischen Handlungsmacht und gesellschaftlichen Gestaltungsbedarfen“, das von der HAW Hamburg und der Universität Hamburg gemeinsam angeboten wird: In interdisziplinären Gesprächen zwischen Kultur, Sozialwissenschaftler*innen und Informatiker*innen sollen die verschiedenen Perspektiven auf Künstliche Intelligenz diskutiert werden. Wir haben mit Dr. Susanne Draheim, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Forschungs- und Transferzentrums „Smart Systems“ an der HAW Hamburg, gesprochen.

Sie sind Mitveranstalterin einer öffentlichen Vortragsreihe zu Künstlicher Intelligenz, die bewusst einen interdisziplinären Blick auf das Thema setzt. Warum ist es Ihnen wichtig, das Thema multiperspektivisch zu betrachten?
Die Initiative für das Kolloquium kam von Prof. Dr. Gertraud Koch von der Universität Hamburg. Sie ist empirische Kulturwissenschaftlerin mit einer hohen Affinität zur Informatik und hat in ihre Arbeiten bereits seit Jahren KI- und IT-Themen eingebunden. Mein Kollege Kai von Luck und ich haben schon in unterschiedlichen Bereichen mit ihr zusammengearbeitet, und dabei ist die Idee für diese Vortragsreihe entstanden.

KI ist ja viel mehr als Large Language Models und Machine Learning. Deswegen wollen wir das Thema breiter aufspannen. Uns dreien ist bei unserer Arbeit wichtig, die verschiedenen Perspektiven der anderen Disziplinen zu kennen und in ihrer möglichen Unterschiedlichkeit zu verstehen. Daher ist es uns bei den Vorträgen wichtig, dass wir immer mindestens zwei Vertreter*innen aus zwei unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen haben – eine*r gibt einen Impulsvortrag, die andere Person kommentiert. In multidisziplinären Veranstaltungen kann es ja vorkommt, dass ähnliche Begriffe benutzt werden und wir davon ausgehen, dass wir uns verstehen, aber wir faktisch schräg aneinander vorbeireden. Daher ist unsere Idee, dass wir miteinander reden und dabei erkennen, wie wir gleiche Begrifflichkeiten gegebenenfalls unterschiedlich nutzen, um so ein größeres Verständnis füreinander zu erreichen und zugleich unsere eigenen Perspektiven zu hinterfragen.

KI wird derzeit sehr technisch, sehr naturwissenschaftlich betrachtet. Aber wir merken jetzt, da die KI von immer mehr Menschen bewusst genutzt wird und im Alltag angekommen ist, dass der Bedarf steigt, Fragen nach ihrer sozial eingebetteten Anwendbarkeit zu stellen und die Wirkung von KI in der Praxis zu verstehen.

Dr. Susanne Draheim, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Forschungs- und Transferzentrums „Smart Systems“ an der HAW Hamburg

In Ihrer Einführungsveranstaltung haben Sie Eingangsstatements aus Informatik, Soziologie und Kulturwissenschaften vorgelegt. Welchen Erkenntnisgewinn sehen Sie bei diesem interdisziplinären Blick auf das Thema KI?
Ich selbst habe Erziehungs- und Kulturwissenschaften studiert und in Sozialwissenschaften promoviert und bin mittlerweile seit mehr als 20 Jahren in der Informatikausbildung tätig. Als HClerin – also im Bereich Human Computer Interaction tätig – kann ich eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Wissenschaften bilden.

Die Kulturwissenschaft hat eine ähnliche Brückenfunktion wie die Soziologie: Sie bringt verschiedene Stakeholder aus Entwicklung Anwendung zusammen und kann so zwischen den Disziplinen moderieren oder eben auch übersetzen. Und diese Übersetzung ist wichtig: KI wird derzeit sehr technisch, sehr naturwissenschaftlich betrachtet. Aber wir merken jetzt, da die KI von immer mehr Menschen bewusst genutzt wird und im Alltag angekommen ist, dass der Bedarf steigt, Fragen nach ihrer sozial eingebetteten Anwendbarkeit zu stellen und die Wirkung von KI in der Praxis zu verstehen. Meiner Ansicht nach sollte man so früh wie möglich, die Fragen stellen. Und daher ist es für mich auch wichtig, dass unsere Studierenden frühzeitig unterschiedliche Perspektiven kennenlernen.

Wie wichtig ist es denn für die Nutzung und Akzeptanz von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz, dass wir nicht nur auf technische, sondern auch auf soziologische und ethische Aspekte schauen?
Wir haben im Kolloquium einen sehr spannenden Vortrag von dem Informatik-Doktoranden Juri Zach zum Thema „Nichtwissen in der KI“ geplant. Im Rahmen seiner Doktorarbeit fragt er sich auch, wo sein eigenes Wissen aufhört, und wo fängt das „Wissen“ der Bilderkennungs-KI an, die er selbst gebaut hat. Da mit Hilfe von KI trainierte Systeme Leistungen aufweisen, deren Grenzen wir nicht kennen, besteht daher trotz ihrer beeindruckenden „Fähigkeiten“ ein hohes Restrisiko, wenn wir diese Systeme in der Praxis unkontrolliert einsetzen.

Momentan gibt es die Herausforderung, dass ethische Fragen bei der KI-Entwicklung meist erst gestellt werden, wenn eine Reihe von technologischen und konzeptionellen Entscheidungen bereits getroffen worden sind. Diese Fragen werden dann als Beschränkung der Forschung wahrgenommen. Im Idealfall sollten diese aber im Rahmen von Risikobewertung und Technikfolgenabschätzung von vornherein in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden. In meinen Lehrveranstaltungen sensibilisiere ich unsere Studierende dafür, ethische Erwägungen nicht als etwas wahrzunehmen, das sie schnell abhaken können, um dann weiter an ihren Projektzielen zu arbeiten und voranzukommen. Ein wirkliches Einlassen auf ethische Aspekte könnte auch dazu führen, den wesentlich technologischen Blick bei KI-Entwicklungen in Frage zu stellen. Und genau da setzt unser Kolloquium an: Den eigenen Horizont erweitern und nach links und rechts schauen.

Für unsere Studierenden ist das sehr spannend, da sie – wenn sie sich darauf einlassen – auch für ihr Studium oder für ihre Arbeit neue Fragestellungen und Perspektiven mitnehmen. Vielleicht sehen sie, dass sich die Gesellschaft außerhalb des Hochschul- oder Informatikkontextes ganz andere Fragen im Zusammenhang mit KI stellt.

Dr. Susanne Draheim

Was nehmen die Teilnehmenden aus den Vorträgen mit?
Da die Vorträge öffentlich sind und ein breites Spektrum an Personen ansprechen, ist es ein großer Mehrwert, dass die verschiedensten Fragen gestellt werden – unabhängig und mintunter außerhalb von wissenschaftlichen Disziplinen. Für unsere Studierenden ist das sehr spannend, da sie – wenn sie sich darauf einlassen – auch für ihr Studium oder für ihre Arbeit neue Fragestellungen und Perspektiven mitnehmen. Vielleicht sehen sie, dass sich die Gesellschaft außerhalb des Hochschul- oder Informatikkontextes ganz andere Fragen im Zusammenhang mit KI stellt. Wir möchten unseren Studierenden neue Diskussionsräume außerhalb unserer Lehrveranstaltungen bieten und sie sehr niedrigschwellig mit den Perspektiven anderer Disziplinen in Kontakt bringen, die bei uns an der HAW Hamburg aufgrund der Lehrinhalte eventuell auch gar nicht möglich wären.

Interview: Anke Blacha

Gesprächsreihe: Künstliche Intelligenz zwischen Handlungsmacht und gesellschaftlichen Gestaltungsbedarfen. Informatik, Soziologie und Empirische Kulturwissenschaft im Gespräch

Die öffentlichen Vorträge finden immer Mittwoch von 14.15-15.45 Uhr an der Universität Hamburg (Von-Melle-Park 6, Philosophenturm, Digital Humanities Lab, 2. OG) statt. Der Vortrag von Juri Zach, „Das Problem des Nichtwissens in der KI“, findet am 19. Mai statt, der Vortrag von Dr. Susanne Draheim, „Werkstattbericht zur Rolle der Forschungsethik in der KI-Entwicklung“, am 3. Juli.

Bereits am 17. April hält mit Prof. Dr. Ipke Wachsmuth von der Universität Bielefeld ein ausgesprochener Experte für KI und Pionier für Interdisziplinarität einen Vortrag, kommentiert von Prof. Dr. Tim Tiedemann (HAW Hamburg) mit dem Titel „Maschinen, Computer, künstliche Intelligenzen: Was kommt auf uns zu?“.

Weitere Informationen und alle Termine der Vortragreihe finden Sie auf der Website der Universität Hamburg.

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