In Ihrer Einführungsveranstaltung haben Sie Eingangsstatements aus Informatik, Soziologie und Kulturwissenschaften vorgelegt. Welchen Erkenntnisgewinn sehen Sie bei diesem interdisziplinären Blick auf das Thema KI?
Ich selbst habe Erziehungs- und Kulturwissenschaften studiert und in Sozialwissenschaften promoviert und bin mittlerweile seit mehr als 20 Jahren in der Informatikausbildung tätig. Als HClerin – also im Bereich Human Computer Interaction tätig – kann ich eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Wissenschaften bilden.
Die Kulturwissenschaft hat eine ähnliche Brückenfunktion wie die Soziologie: Sie bringt verschiedene Stakeholder aus Entwicklung Anwendung zusammen und kann so zwischen den Disziplinen moderieren oder eben auch übersetzen. Und diese Übersetzung ist wichtig: KI wird derzeit sehr technisch, sehr naturwissenschaftlich betrachtet. Aber wir merken jetzt, da die KI von immer mehr Menschen bewusst genutzt wird und im Alltag angekommen ist, dass der Bedarf steigt, Fragen nach ihrer sozial eingebetteten Anwendbarkeit zu stellen und die Wirkung von KI in der Praxis zu verstehen. Meiner Ansicht nach sollte man so früh wie möglich, die Fragen stellen. Und daher ist es für mich auch wichtig, dass unsere Studierenden frühzeitig unterschiedliche Perspektiven kennenlernen.
Wie wichtig ist es denn für die Nutzung und Akzeptanz von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz, dass wir nicht nur auf technische, sondern auch auf soziologische und ethische Aspekte schauen?
Wir haben im Kolloquium einen sehr spannenden Vortrag von dem Informatik-Doktoranden Juri Zach zum Thema „Nichtwissen in der KI“ geplant. Im Rahmen seiner Doktorarbeit fragt er sich auch, wo sein eigenes Wissen aufhört, und wo fängt das „Wissen“ der Bilderkennungs-KI an, die er selbst gebaut hat. Da mit Hilfe von KI trainierte Systeme Leistungen aufweisen, deren Grenzen wir nicht kennen, besteht daher trotz ihrer beeindruckenden „Fähigkeiten“ ein hohes Restrisiko, wenn wir diese Systeme in der Praxis unkontrolliert einsetzen.
Momentan gibt es die Herausforderung, dass ethische Fragen bei der KI-Entwicklung meist erst gestellt werden, wenn eine Reihe von technologischen und konzeptionellen Entscheidungen bereits getroffen worden sind. Diese Fragen werden dann als Beschränkung der Forschung wahrgenommen. Im Idealfall sollten diese aber im Rahmen von Risikobewertung und Technikfolgenabschätzung von vornherein in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden. In meinen Lehrveranstaltungen sensibilisiere ich unsere Studierende dafür, ethische Erwägungen nicht als etwas wahrzunehmen, das sie schnell abhaken können, um dann weiter an ihren Projektzielen zu arbeiten und voranzukommen. Ein wirkliches Einlassen auf ethische Aspekte könnte auch dazu führen, den wesentlich technologischen Blick bei KI-Entwicklungen in Frage zu stellen. Und genau da setzt unser Kolloquium an: Den eigenen Horizont erweitern und nach links und rechts schauen.