Was braucht es damit sich die hohe Zahl an Gewalttaten an Frauen verringert?
Da die Ursachen auf unterschiedlichen Ebenen liegen, braucht es entsprechende Maßnahmen. Ich stelle mir das als Zirkel vor: Die Veränderung individueller Verhaltensweisen wird nicht gelingen, wenn die medial und kulturell vermittelten Geschlechterstereotype bestehen bleiben. Und diese ändern sich nicht, wenn sich die Sorge-Arbeit nicht anders verteilt und der Arbeitsmarkt weiterhin geschlechtlich gespalten bleibt Das meint eine schlechtere Bezahlung von den als weiblich geltenden Berufen. Und dies wird sich wiederum nicht ändern, wenn Frauen beziehungsweise Feminist*innen nicht über mehr Einfluss in Politik, Medien und Ökonomie verfügen.
Was können wir an der Hochschule und in unserem privaten Umfeld tun, um uns gegen geschlechtsbasierte Gewalt einzusetzen?
An der Hochschule müssten Lehrinhalte, Lehrmaterialien sowie Stellen- und Ressourcenverteilungen auf Genderkompetenz und Gendergerechtigkeit hin ausgelegt sein. Dafür braucht es Bewusstsein und Anreize. Es braucht einen Aktionsplan und praktische Informationen zum Erkennen dieser Gewalt und zum Umgang mit ihr.
Dazu braucht Enttabuisierung, das heißt das bewusste Schaffen von Öffentlichkeiten und Gespräch. Und dies in einer Art und Weise, die unterschiedliche Medien und Ansprachen so nutzt, dass deutlich wird, um was es geht: um einen respektvollen und erfreulichen Umgang miteinander, um Angstfreiheit und liebevolle Beziehungen, um einen zentralen Aspekt gelebter Demokratie.
Warum ist Gewalt an Frauen bis heute ein Tabu?
In der Generation meiner Mutter war es für Frauen normal, sich unterzuordnen, das gehörte sich so. Dazu kommen Scham, Angst vor der Reaktion des Mannes oder der Verwandtschaft. Probleme in der Beziehung fielen ja meistens auf die Frauen zurück. Schließlich waren sie es, die zuständig für Liebe und Beziehung waren. Heute sprechen junge Frauen beispielsweise nicht über Gewalt, weil sie dann nicht mehr „cool“ sind, und weil es nicht passt, Opfer zu sein. Das gehört nicht zum Selbstbild und wird gesellschaftlich eher diffamiert. „Selbst schuld“, schließlich haben wir doch Gleichberechtigung… Die anderen Gründe bestehen parallel teilweise weiter.