Akute Gefährdung der Nachhaltigkeitsziele

Landnutzungswende und Stärkung der nachhaltigen kleinbäuerlichen Landwirtschaft - Ein Lösungsbeitrag zu multiplen Krisen

Deutsche Welthungerhilfe

Leider fand der letzte Synthesebericht des Weltklimarates (März 2023) nicht ausreichende Aufmerksamkeit. Er zeigt das Risiko auf, dass die globalen Temperaturen über das 2-Grad-Limit ansteigen, was speziell für Regionen des Südens, wie Afrika und Südasien, die Bedro-hung mit lebensgefährlichen Temperaturen bedeuten würde. Im Juni 2023 erschien die dies-jährige Ausgabe Kompass 2023, eines Berichtes der Welthungerhilfe (WHH) in Zusammenar-beit mit terre des hommes, der aufzeigt, dass die bis 2030 angestrebten Nachhaltigkeitsziele akut gefährdet sind. Deshalb wird von den Ländern des Nordens und aufstrebenden Ländern, wie China, eine verlässliche Finanzierung zur Realisierung der angestrebten Ziele eingefordert.

Aktuelle Studien zeigen, dass Änderungen in der Landnutzung beim Kampf gegen die sog. Triple-Krise mit Klimaerwärmung, Biodiversitätsverlust und ansteigenden Hungerzahlen, bei gleichzeitiger Überernährung erforderlich sind. Basierend auf dieser Ausgangssituation, bearbeiteten Christine Lacher (Professorin der VWL, Department Wirtschaft im Ruhestand) und Zeineb Ghanemi (Absolventin des Studiengangs International Management and Logistics, beruflich tätig bei der NRO Humanilog und ehrenamtlich tätig bei der Welthungerhilfe) in einer Literaturstudie das in der Überschrift genannte Thema. Der Fachartikel wurde im Ende 2022 erschienenen Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie 2022/2023 veröffentlicht (siehe unten).

Die Landnutzungswende ist als ein wichtiger Lösungsbeitrag zu berücksichtigen, da die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden vor allem durch die Land- und Forstwirtschaft sowie die Urbanisierung stattfindet. Etwa 25% der weltweiten Treibhausgase werden durch Rodung, Produktion von Nutzpflanzen und Düngung verursacht. Die intensive industrielle Landwirtschaft hat zu einem Anstieg der Nahrungsmittelproduktion auf Kosten des Rückgangs von Ökosystemleistungen wie der Klimaregulierung und der Wasserqualität sowie zu großen Verlusten bei der Artenvielfalt geführt. Es kam zur Umwandlung von Feldern und Wäldern in Anbauflächen für Energie- und Futtermittelpflanzen. Die Bedeutung der kleinbäuerlichen Betriebe ergibt sich daraus, dass sie zu rund 60% der weltweiten Ernährung beitragen, was es durch eine nachhaltige Intensivierung zu stärken gilt. Als Orientierungspunkt für eine gesunde Ernährung gilt die Planetary Health Diet (2019), nach ihr sollte der Konsum von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen verdoppelt und der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert werden. Dabei gilt es das Menschenrecht auf eine gesunde Ernährung als ethische Aufgabe zu verstehen.

Um einen Pfad in Richtung nachhaltige Landnutzungswende und Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft einzuschlagen, mussten zentrale strukturelle Hindernisse identifiziert werden. Dazu gehört u.a., dass rund 77% des globalen Ackerlandes für die Fleisch- und Milchproduktion genutzt werden, welche aber nur rund 17% des globalen Kalorienbedarfes abdecken. Durch die industrialisierte Massentierhaltung aufgrund der fleischlastigen Ernährung importieren insbesondere Industrieländer große Mengen an Futtermittel. Es gilt ein Konzept in der Agrarpolitik zu entwickeln, welches mit der Senkung des Tierbestandes in der Massentierhaltung bei gleichzeitiger Reduzierung von Futtermittelimporten u.a. aus Lateinamerika einhergeht. Die Agrarindustrialisierung wird begünstigt durch Agrarsubventionen mit negativen ökologischen und sozialen Wirkungen. In der EU fließt auch nach 2023 weiterhin der größte Teil abhängig von der bewirtschafteten Fläche mit nur geringen Greening-Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz.

Als Schlussfolgerung ergab sich, dass die Realisierung einer gesunden Ernährung mit deutlich weniger Fleischverbrauch einhergehen muss, was parallel eine Reduzierung des Nutztierbestandes erforderlich macht. Dazu sind ordnungsrechtliche Vorgaben für die Nutztierhaltung und die stufenweise Verrechnung von sog. externen Kosten, die in den Marktpreisen nicht verrechnet sind erforderlich. Dazu gehören die Entstehung von Klimagasen und sonstigen Umweltschäden durch die Fleischproduktion. Speziell in der Gemeinschaftsverpflegung, u.a. in Mensen und Kantinen, kann das Interesse für mehr vegetarische und vegane Gerichte erhöht werden. Dadurch ergeben sich positive Wirkungen sowohl auf die Umwelt als auch die Gesundheit. Dabei ist erfreulich, dass was sich gut für die Umwelt auch positiv auf die Gesundheit auswirkt. Umweltstandards in der Landwirtschaft müssen in der EU und weltweit erhöht werden. Gleichzeitig sind eine Förderung der nachhaltigen Intensivierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in den Ländern des Südens sowie eine Aufstockung der Zahlungen an das Welternährungsprogramm für Lebensmittelhilfen erforderlich. Der Umbau des Agrarhandelssystems sollte auf nachhaltigen, u.a. regenwaldfreien Lieferketten, basieren. Weitere Forschung und Entwicklung erweist sich in diesem komplexen Problemfeld als dringend notwendig.

PDF-Download des Fachartikels von Christine Lacher und Zeineb Ghanemi: Landnutzungswende und Stärkung der nachhaltigen kleinbäuerlichen Landwirtschaft – Ein Lösungsbeitrag zu multiplen Krisen: https://www.metropolis-verlag.de/Landnutzungswende-und-Staerkung-der-nachhaltigen-kleinbaeuerlichen-Landwirtschaft/15092/book.do

Rogall, Holger et al: Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie 2022 / 2023  Im Brennpunkt: Kommunale Wärmewende: https://www.metropolis-verlag.de/Jahrbuch-Nachhaltige-Oekonomie-2022---2023/1531/book.do    

Abbildung von Rogall | Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie 2022/2023 | 1. Auflage | 2022 | beck-shop.de

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