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Angewandte Forschung

Metallbauteile grüner drucken

In einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt möchte Prof. Dr. Jens Telgkamp mit seinem Team Bauteile aus Leichtmetall via 3D-Druck kostengünstiger und gleichzeitig umweltfreundlicher herstellen.

Fatih Gözüküçük, Prof. Dr. Jens Telgkamp, Jaco Beckmann und David Stachg (v.l.n.r.) mit den zwei industriellen 3D-Druckern im Untergeschoss des Berliner Tor 21.

Mit dem 3D-Druck lassen sich Bauteile schnell, kostengünstig, ressourcenschonend und individualisierbar drucken. Doch was heißt das eigentlich genau? „Bleibt ein Zug liegen und es fehlt ein Ersatzteil, könnte es recht schnell via 3D-Druck bereitgestellt werden“, bringt Prof. Dr. Jens Telgkamp ein Beispiel. Der Professor für additive Fertigung am Department Maschinenbau und Produktion hat sich bereits während seiner Tätigkeit bei Airbus intensiv mit dem Thema befasst und kennt daher beide Seiten: Die Bedürfnisse der Industrie sowie den aktuellen Forschungsstand. „Fehlt das entsprechende Werkzeug, um das benötigte Ersatzteil zu montieren, könnte es ebenfalls direkt für diesen Zweck gedruckt werden“, so Telgkamp. „So umgeht man lange Lieferzeiten und der Zug kann schneller wieder fahren.“
Prof. Telgkamp und sein Team möchten in einem Forschungsprojekt, das vom BMWK seit März 2023 gefördert wird, den 3D-Druck von Leichtmetallen wie Aluminium oder Titan umweltfreundlicher und günstiger machen. Dabei konzentrieren sie sich auf den Mobilitätssektor – also Bauteile für Flugzeug, Auto oder Bahn; beispielsweise mechanisch belastete Beschläge oder Halterungen. Entsprechende Firmen im Luftfahrtsektor (SACS, Airbus und ZAL), im Automobil- und Fahrradsektor (Audi, Brose, Urwahn) sowie im Schienenverkehr (Deutsche Bahn, Siemens Mobility) sind am Projekt als Partner beteiligt.

Verschiedenste Materialien und ganz unterschiedliche Verfahren

Der 3D-Druck funktioniert mit unterschiedlichen Materialien: Beim Druck mit Kunststoff werden Kunststoffdrähte erhitzt und Schicht für Schicht aufgetragen. Beim Metall-3D-Druck kommen Metall-Pulver, Granulat oder Drähte zum Einsatz. Im neuen Forschungsprojekt „Entwicklung von sinterbasierten generativen Prozessrouten für Aluminium- und Titanlegierungen für topologieoptimierte Leichtbaukomponenten für den Mobilitätssektor“ werden zwei dieser Verfahren direkt an der HAW Hamburg genutzt: Der 3D-Druck mit Draht, genannt Filamentdruck, sowie mit Granulat. Parallel dazu arbeiten andere Partner, beispielsweise die Firma Element22 aus Kiel oder das Fraunhofer Institut (IFAM) aus Dresden an weiteren Prozessen, bei denen beispielsweise Pulverbettprozesse oder suspensionsbasierte Prozesse in Verbindung mit der Sintertechnologie zum Einsatz kommen.

Berliner Tor 21 – where the magic happens

Im Untergeschoss des Berliner Tor 21 ist nicht nur der 3D-Space untergebracht, in dem Studierende oder Mitarbeiter*innen der Hochschule selbst Kunststoffteile drucken können, sondern auch Räume, in denen industrielle 3D-Drucker stehen. Die wie Kühlschränke mit Glasfront und Beleuchtung aussehenden, hochmodernen Drucker spielen eine große Rolle bei dem Vorhaben, den 3D-Druck von Leichtmetallen für neue Anwendungen erreichbar und insgesamt umweltfreundlicher zu machen.
Fatih Gözüküçük ist neben Jaco Beckmann und David Stachg wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt. Bei einem Rundgang zeigt er auf eine große Spindel im unteren Teil des einen Druckers, auf der grauer Draht aufgerollt ist. Ähnlich wie beim Kunststoffdruck wird auch hier der Draht durch Hitze verflüssigt und via Düse Schicht für Schicht aufgetragen. „Dieser so genannte Filamentdruck erfordert viel Know-How und sehr spezielle Materialien“, erklärt Gözüküçük. Eine möglicherweise noch kostengünstigere Alternative sei der Druck mit Granulat, welches schon heute in der industriellen Produktion von Metallpulverspritzguss-Bauteilen zum Einsatz komme. Sein Kollege Jaco Beckmann zeigt auf den Drucker daneben: „In diesem Drucker arbeiten wir mit metallgefüllten Granulatgemischen, die uns Forschungspartner zur Verfügung stellen, beispielsweise das Hamburger Unternehmen Fehrmann Alloys oder das Kieler Unternehmen Element22.“ Sowohl das Filament als auch das Granulat bestehen aus kleinen Metallpartikeln, die mit einem Binder vermischt sind. Dadurch lassen sich die Materialien mit den beschriebenen 3D-Druck Verfahren in Form bringen. So entsteht Schicht für Schicht, ein entsprechendes Bauteil, welches im folgenden Sinterprozess zu einem belastbaren Metallbauteil wird. „Das Sintern von Aluminium, vor allem in Kombination mit organischen Hilfsstoffen gilt als große Herausforderung“, erklärt Stachg. „Kommerzielle Verfahren gibt es bisher kaum.“ Genau das möchte das Forscherteam ändern.

Neue Verfahren für grünere und günstigere Bauteile

„Uns geht es in erster Linie um Leichtbaumetalle wie Titan oder Aluminium“, erklärt Telgkamp das Vorhaben. Normalerweise würden Bauteile aus diesen Metallen gefräst – allerdings geht hier viel Material in Form von Spänen verloren. Es gibt bereits Pulverbettverfahren, bei denen via Laser Metallbauteile 3D-gedruckt werden können. Dabei wird das Materialpulver mittels eines Laserstrahls erhitzt und dadurch verflüssigt, damit es sich mit dem darunter liegenden Material verbinden kann. „Diese Verfahren haben allerdings Einschränkungen, die einen breiten Einsatz verhindern“, so Telgkamp. Außerdem würden oft giftige Chemikalien verwendet. Das möchten er und sein Team anders machen. Das Verfahren, das in ihrem Forschungsprojekt zum Einsatz kommt, nennt sich "sintern“ und ist ein relativ altes Verfahren, das beispielsweise beim Brennen von Porzellan genutzt wird. „Beim sinterbasierten 3D-Druck wird das Bauteil nicht direkt mit Hilfe eines Metallpulvers gedruckt, sondern das Pulver wird zuerst mit einem Kunststoff gemischt und anschließend mit einem Kunststoff 3D-Druck Verfahren verarbeitet“, erklärt Telgkamp. Im folgenden „Entbinderungsprozess“ wird der Kunststoffanteil ausgetrieben und es bleibt eine Art „Gerippe“ des Metallteils übrig, welches im Sinterprozess zu einem belastbaren Metallbauteil wird. Um den Prozess wirklich zu verstehen und um zu berechnen, wie das Verfahren optimal genutzt werden kann, verwendet das Forscherteam neue Berechnungs- und Simulationsverfahren und plant in Zukunft direkt mit den Herstellern derartiger Software zusammenzuarbeiten.

Die neuen Berechnungsverfahren sollen dabei helfen, den komplexen Prozess zu simulieren und zu optimieren. Denn aktuell ist unklar, wie sich das Material genau verarbeiten lässt – wieviel davon „schwindet“ und wie es sich überhaupt bei hohen Temperaturen verhält. Telgkamps Team und hier vor allem David Stachg und Jaco Beckmann möchten an dieser Stelle Gestaltungsregeln und Optimierungsprinzipien entwickeln für die angestrebten Anwendungen im Mobilitätssektor. Denn die Forscher haben längst gelernt, dass es gerade bei neuen Verfahren im Bereich des industriellen 3D-Drucks entscheidend ist, nicht die Produktionsmethoden isoliert zu betrachten, sondern vielmehr die Aspekte der Bauteileauswahl, -gestaltung und -optimierung im Entwicklungsprozess mitzudenken.

Text: Tiziana Hiller

Kontakt

Prof. Dr. Jens Telgkamp
Department Maschinenbau und Produktion

Berliner Tor 21
20099 Hamburg
Raum 115

T +49 40 428 75-8617
jens.telgkamp (at) haw-hamburg (dot) de

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