In Deutschland herrsche das Mantra: Integration durch Sprache. „Wir gehen den umgekehrten, und für den gesunden Menschenverstand naheliegendsten Weg, nämlich: Spracherwerb durch Integration zu erzielen.“ Innerhalb der Hochschule lässt sich Sprache viel natürlicher und zielgerichteter lernen. „Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Die Geflüchteten lernen das Deutsch, das für sie als Studierende tatsächlich relevant ist. Denn Sprache ist immer milieubezogen und auf die jeweilige Lebensumwelt fokussiert“, weiß der Migrationsforscher. Hilfestellung erhalten die Studierenden zudem durch ihre Kommiliton*innen in multilingualen Fachtutorien und von überfachlichen Welcome-Tutor*innen.
Den Übergang von der Hochschule in den Arbeitsmarkt ebnet „BachelorUP - Chancen nutzen zum Berufseinstieg!“ Das neue Studienprogramm der Arbeitsstelle Migration in Kooperation mit dem Career Service der HAW Hamburg richtet sich an internationale Akademiker*innen, denen spezifische Studieninhalte und Kenntnisse in der Berufspraxis für einen erfolgreichen Berufseinstieg fehlen. Nach einer individuellen Beratung durch Mitarbeiter*innen der Arbeitsstelle Migration werden in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Departments individualisierte Studienpläne entwickelt.
„Der Schwerpunkt liegt hierbei auf für den deutschen Arbeitsmarkt spezifische Profilfächer, Anwendungsorientierung und auf dem Erwerb überfachlicher Kompetenzen für den beruflichen Alltag“, erläutert Professor Seukwa. Flankiert werde die Teilnahme an regulären Lehrveranstaltungen an der Hochschule durch Praxisprojekte in Unternehmen, so dass ein arbeitsmarktrelevanter Theorie-Praxis-Transfer gewährleistet werde. „Ziel ist immer die migrationsbedingte Benachteiligung zu minimieren. Keiner soll unnötig Zeit verlieren – nachdem der Bildungsweg oft bereits Jahre durch die Flucht verlängert wurde.“
Migrationsbedingte Hochschulentwicklung und Forschung
Bildungsinstitutionen sind bekanntlich für die Bürger*innen ihres jeweiligen Nationalstaates konzipiert. Indem die Arbeitsstelle Migration den Nachteilsausgleich einer ursprünglich nicht vorgesehenen Zielgruppe mit transnationalem Bildungsweg verfolgt – der Migrant*innen – wird die Routine des Systems irritiert. „Dies wiederum nehmen wir zum Anlass, strukturelle Veränderungen in der Hochschule anzustoßen. Die Arbeit an der Hochschulentwicklung bildet die zweite Säule unserer Kompetenzstruktur ab“.
Die dritte Säule der Kompetenzstruktur wird von den Forschungsaktivitäten abgebildet. „Zum einen begleiten wir die ersten beiden Säulen durch prozess- und formative Evaluation. Zum anderen gehört Drittmittelbeschaffung für weitere Forschungen im Feld Migration und Integrationspraktiken zu unseren Aufgaben“. Die Einrichtung der Arbeitsstelle Migration – ebenso wie das fest in der Hochschulstruktur verankerte „Vorbereitungsstudium für geflüchtete Studieninteressierte“ – nennt Professor Seukwa einen wichtigen Meilenstein für die HAW Hamburg. „Wir sind damit auf dem Weg in eine nicht nur programmatisch, sondern eine auch in der Realität diversitätsgerechte Hochschule.“
Noch einmal zurück zu den aktuellen Anti-Rassismus-Demonstrationen – sind wir auf dem richtigen Weg? „Ich bin kein Tagträumer!“, resümiert Professor Seukwa, um dann jedoch einzuräumen: „Natürlich ist die Arbeitsstelle Migration selbst eine Form von kritischer Uto-pie: Kritik an dem, was gegenwärtig die hiesige Gesellschaft blind macht für die Entstehung von globalen Ungerechtigkeiten – von denen sie übrigens profitiert. Und Utopie durch die Arbeit für eine Gesellschaft, in der Solidarität sowie das ‚gute, geschützte und wertvolle Leben‘ nicht für viele ein bloßer Traum bleibt!“
(Text: Yvonne Scheller)