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Mit der Impfung aus der Pandemie

Langsam hat die Impfkampagne in Deutschland Fahrt aufgenommen: Über 40 Prozent aller Deutschen sind bis jetzt schon zumindest einmal geimpft worden. Die Nachfrage ist groß, aber es gibt auch Zweifel und viele Fragen. Wir haben mit Dr. Ralf Reintjes, Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung im Department Gesundheitswissenschaften, und mit der Betriebsärztin der HAW Hamburg, Dr. Ursula Peschke, über die aktuelle Situation gesprochen.

Eine Frau zieht eine Spritze für eine Corona-Schutzimpfung auf.

Mit einer Impfung gegen das Coronavirus schützt man sich und andere.

Aktuell sinkt die Zahl der Corona-Infektionen. Ist es jetzt überhaupt noch nötig, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen?
Prof. Dr. Ralf
 Reintjes: Auf jeden Fall! Zum Selbstschutz, aber auch damit im nächsten Herbst nicht wieder alles von vorne losgeht. Es ist so, wie der Virologe Christian Drosten sagt: Am Ende werden alle immunisiert sein, entweder durch eine Impfung oder durch eine Infektion mit dem Virus. Denn das Virus ist so leicht übertragbar, dass früher oder später jeder mit ihm in Kontakt treten wird. Und man kann sich überlegen, ob man lieber eine Impfung mit meist leichten Nebenwirkungen wählt oder die direkte Infektion riskiert, die leider in vielen Fällen zu schweren bis tödlichen Verläufen führt.

Dr. Ursula Peschke: Dem kann ich nur zustimmen. Nötig sind beide Impfungen. Die erste Impfung nützt bereits kurzfristig, aber die zweite ist erforderlich, damit sich das Immunsystem langfristig erinnert. Nur so kommen wir aus der Pandemie.

Was sagen Sie den Skeptiker*innen?
Dr. Ursula Peschke: Das ist eine gute Frage. Sicherlich gibt es Menschen, die so fest von der Schädlichkeit einer Impfung überzeugt sind, dass sie gegenteiligen Argumenten überhaupt nicht zugänglich sind. Aber es gibt auch diejenigen, die einfach ein Unbehagen empfinden bei Impfstoffen, die so viel schneller entwickelt wurden als alle Impfstoffe zuvor und die genau verstehen möchten, wie diese funktionieren und welche Gefahren man möglicherweise noch nicht absehen kann. Das ist ja auch nachvollziehbar. Und mit denen kann man über den hohen Nutzen der Impfung im Vergleich zu möglichen Risiken sehr gut ins Gespräch kommen.

Als ich zu Beginn der Impfkampagne in einem Altenheim geimpft habe, hat man mir ebenfalls eine Impfung angeboten. Und mein erster Gedanke war, dass ich gar nicht unbedingt gleich in der ersten Reihe stehen wollte. Natürlich habe ich mich dann impfen lassen, denn nach einer Abwägung alle Argumente war die Entscheidung klar.

Prof. Dr. Ralf Reintjes: Das geht wohl jedem so. Niemand möchte sich unbedingt sofort impfen lassen. Aber wir haben nun mal dieses Virus und anders werden wir es so schnell nicht wieder los, jedenfalls nicht, ohne dass sehr viele Menschen sterben oder an den Langzeitfolgen einer Coronaerkrankung leiden werden. Und die Zahlen zeigen schon jetzt, dass bei einer steigenden Impfquote weniger Menschen schwer krank werden oder sterben, selbst wenn die Infektionsrate noch relativ hoch ist.

Sollte man im Moment jedes Impfangebot annehmen, auch wenn man beispielsweise Bedenken hat, sich mit dem AstraZeneca-Impfstoff impfen zu lassen und dieser Impfstoff in Deutschland ja auch nicht für die unter 60-Jährigen empfohlen wird?
Dr. Ursula Peschke:
Das ist nicht so einfach zu beantworten und immer eine individuelle Abwägung. Das Risiko einer schweren Impfnebenwirkung ist bei dem AstraZeneca-Impfstoff auch bei den unter 60-Jährigen sehr gering, aber es gibt eben für diese Altersgruppe die noch sichereren mRNA-Impfstoffe. Vor dem Hintergrund, dass jüngeren Menschen seltener eine schwere Covid-Erkrankung droht, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) deshalb für diese Altersgruppe die mRNA-Impfstoffe.

Wenn aber ein 58-Jähriger die Möglichkeit erhält, sich schon jetzt mit dem AstraZeneca-Impfstoff zu schützen, anstatt noch ein bis zwei Monate auf einen mRNA-Impfstoff zu warten, dann kann das eine sinnvolle Entscheidung sein. Bei einer jungen 18-jährigen Frau würde man vielleicht anders entscheiden. Wichtig ist eine sorgfältige Auklärung über die individuellen Risiken.

Worin besteht denn genau der Unterschied zwischen den sogenannten Vektor- und den neuartigen mRNA-Impfstoffen?
Dr. Ursula Peschke
: Im Grunde ist es bei beiden dasselbe Prinzip, das wir ja schon seit langem bei Impfstoffen nutzen: Vereinfacht gesagt gelangen Bausteine desVirus in unsere Zellen, um so eine Immunreaktion auszulösen. Diese schützt uns dann, wenn wir tatsächlich in Kontakt mit SARS-CoV-2 kommen. Bei den klassischen Vektorimpfstoffen wie zum Beispiel AstraZeneca oder Johnson & Johnson geschieht dies mithilfe eines Trägerstoffes, dem Vektor, der aus einem echten Virus stammt.

Der Träger von Astra Zeneca basiert auf modifizierten Adenoviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen, für den Menschen aber harmlos sind. In die DNA dieser umgebauten Schnupfenviren wird ein kleiner Teil des Erbguts des neuartigen Coronavirus integriert und dann mit der Impfung in die Körperzellen transportiert. Dieser Erbgutschnipsel löst eine Kette von Prozessen aus, an deren Ende die Zelle Spike-Proteine des Coronavirus selbst herstellt. An diesem Virusbauteil trainiert das Immunsystem dann die Abwehr kompletter Viren. Die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna nutzen dagegen keine DNA-Schnipsel, sondern direkt mRNA-Moleküle, die bei der Vektor-Technologie ein Teil der Prozesse im Inneren der Zelle sind.

Weiß man schon, wie lange die Impfung wirkt und ob man mit einer Impfung noch ansteckend ist?
Prof. Dr. Ralf Reintjes:
Genau weiß man nicht, wie lange der Impfschutz reicht. Im Moment geht die Forschung davon aus, dass der Impfschutz auf jeden Fall länger hält als der Schutz durch eine überstandene Erkrankung. Wahrscheinlich ist man bis zu einem Jahr geschützt, wenn man beide Impfungen oder die Einmal-Impfung von Johnson & Johnson erhalten hat.

Was die Ansteckungsgefahr betrifft, zeigen erste Untersuchungen in Israel mit dem Biontech-Impfstoff, dass Geimpfte auf jeden Fall sehr viel weniger ansteckend sind als Ungeimpfte. Trotzdem kann man nicht davon ausgehen, dass sich in einem Raum, zum Beispiel in einem Restaurant, in dem lauter Geimpfte mit einem Ungeimpften sitzen, diejenige Person ohne eine Impfung auf keinen Fall anstecken wird. Es ist hier also weiterhin Vorsicht geboten.

Wird es Impfmöglichkeiten für die Beschäftigten der HAW Hamburg geben?
Dr. Ursula Peschke:
Momentan bereitet sich der Arbeitsmedizinische Dienst darauf vor, sich an der Impfkampagne gegen Covid-19 zu beteiligen. Da noch nicht klar ist, wann genau und in welcher Größenordnung Impfstoff zur Verfügung gestellt wird, sind hier noch einige Fragen offen. Da der Covid-19-Impfstoff, insbesondere der mRNA-Impfstoff, sehr empfindlich und kompliziert in der Handhabung ist, werden die Impfungen aller Voraussicht nach an einem zentralen Ort stattfinden.

Studierende mussten und müssen ja in diesen Pandemiezeiten besonders zurückstecken. Wann rechnen Sie damit, dass sie ein Impfangebot erhalten?
Prof. Dr. Ralf Reintjes:
Leider stehen Studierende und überhaupt junge Menschen auf überhaupt keiner Prioritätsliste. Das ist für diese Gruppe, die wirklich vielen Einschränkungen ausgesetzt ist, nicht nur sehr hart und fordernd. Es ist aus epidemiologischer Sicht auch nicht wirklich sinnvoll. In einem ersten Schritt galt es natürlich, die besonders vulnerablen Gruppen zu schützen.

Aber jetzt müssen wir auch daran denken, wer die möglichen Pandemietreiber sind. Und junge Menschen haben nun mal meistens mehr Kontakte, reisen viel und sind auch sonst sehr mobil. Da kann sich das Virus gut ausbreiten. Deswegen sollte man aus meiner Perspektive so schnell wie möglich damit beginnen, junge Erwachsene und auch Jugendliche zu impfen. Im Moment ist das aber wohl nur über die Hausärzte möglich, wenn diese Impfdosen übrighaben.

Aber ich hoffe, im Sommer werden auch alle Studierenden und Studieninteressierten eine Impfmöglichkeit erhalten haben, so dass das Wintersemester vielleicht sogar schon wieder in geschützter Präsenz stattfinden kann. In einer aktuellen Studierendenbefragung in den Departments Gesunheitswissenschaften und Medizintechnik wollten 88 Prozent aller Befragten sich impfen lassen, 15 Prozent hatten sogar schon eine Impfung erhalten. Und das sind ja ganz ermutigende Zahlen!

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Maren Borgerding

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