Online-Exkursion zum Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress

"Die Exkursion ist eine auswärtige Lehrveranstaltung, die ..." in Zeiten von Corona auch mal am heimischen Computer stattfinden kann. Vorgesehen war eigentlich eine Reise zum Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress (DLRK) nach Aachen. Der Kongress fand vom 1. bis 3. September 2020 dann aber als Online-Videokonferenz statt.

Der DLRK wird jährlich durch die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) ausgerichtet. 625 Teilnehmer des DLRK diskutierten in 242 Vorträgen und 90 Sitzungen unter anderem über Digitalisierung, Weltraummüll und unbemannte Flugsysteme.

 

Die Online-Exkursionen zum DLRK

Exkursionen zum DLRK biete ich regelmäßig seit 2014 an. Die Ergebnisse von "meinen" Mitarbeitern und Studierenden werden seit 2005 auf dem DLRK in Vorträgen und Veröffentlichungen präsentiert. In diesem Jahr hatte ich als Exkursionsleiter keine Möglichkeit, die Teilnahme der Studierenden zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Das Online-Konferenzsystem zeigte die Teilnehmer an den Vorträgen nicht an. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte ich nicht feststellen können, ob jemand geistig anwesend ist oder nur elektronisch aber abwesend. Daher wurden die Exkursionsteilnehmer gebeten, einen persönlichen mindestens 10-seitigen Bericht zum Kongress anzufertigen, um damit die Teilnahme glaubhaft zu machen. Das Glaubhaft Machen gelingt z. B. dann nicht, wenn ein Vortrag (anhand der Kongressunterlagen) beschrieben wird, der aber gar nicht stattgefunden hat. Unterdessen sind viele engagiert geschriebene Exkursionsberichte eingegangen, obwohl ich dafür keine Vorschrift benennen konnte und demzufolge auch keine Abgabefrist festgesetzt hatte. Aus den studentischen Berichten lässt sich ein Bild vom Kongress nachzeichnen. Ich zitiere im folgenden Text aus den Berichten.

 

Digitalisierung mit Problemen

"Die Lösung, den DLRK dieses Jahr online zu gestalten, anstatt ihn ausfallen zu lassen, war meiner Meinung nach sehr sinnvoll. Auf diese Art und Weise konnte ein sehr breiter Austausch stattfinden. So hatte ich auch als Studentin die Möglichkeit einen tieferen Einblick in unterschiedlichste Themen zu erhalten, welche über den Horizont meines Studiums hinausreichen. Dennoch fand ich es bedauerlich, wie ausgeprägt sich die technischen Probleme über die drei Tage des Kongresses gezogen haben. Ich halte es durchaus für möglich, bereits im Vorhinein abzuschätzen welche Kapazitäten benötigt werden. Leider waren die Server überlastet. Besonders die ersten Tage waren durchzogen von Übertragungsproblemen."

"Persönlich finde ich es sehr paradox, dass viele Diskussionen über vernetztem, cloudbasiertem Fliegen mit 5G-Technik geführt werden, in der Realität jedoch immer noch derartige große Probleme bei der Übertragung von vermeintlich einfachen und vor allem erwartbaren Datenmengen auftreten."

"Die Vorträge wurden im Nachhinein jedem Teilnehmer online zur Verfügung gestellt".

 

Überblick über die Themen 

"Die Thematik, wie emissionsärmer geflogen werden kann, hat sich durch viele Präsentationen gezogen."

"Es wurden vielen Themen der Urban Air Mobility behandelt."

"Thematische Schwerpunkte lagen bei der Frage nach batteriegespeisten Systemen oder dem Hybrid aus Batterie und Brennstoffzelle. Jedoch wurde kein serienreifes Projekt vorgestellt."

"Die meiner Meinung nach spannendste Technologie stellt das Wet Engine Konzept dar. Hierbei soll Wasser aus dem Abgas des Strahltriebwerks entnommen werden und in die Brennkammer eingespritzt werden, mit dem Ziel dadurch die NOx Emissionen zu reduzieren. Positiver Nebeneffekt dabei, dass auch die Kondensstreifen reduziert würden."

 

Umwelt, Nachhaltigkeit und Ethik im Luftverkehr 

"Die Sitzung 'Umwelt, Nachhaltigkeit und Ethik im Luftverkehr' wurde nur von Vortragenden der HAW Hamburg präsentiert – ein Heimspiel also. In dieser Sitzung wurden erschreckend viele totgeschwiegene Skandale der Luftfahrtindustrie aufgezeigt und erläutert."

 

Conditions for Passenger Aircraft Minimum Fuel Consumption, Direct Operating Costs and Environmental Impact

"So hat Brecht Caers, welcher das Thema seiner Masterarbeit präsentierte, die Konditionen für Passagierflugzeuge bei minimalen Treibstoffverbrauch untersucht und anfallende Kosten sowie den Umwelteinfluss vorgestellt. Letztlich zeigte sich, dass Entscheidungen der Industrie jegliche Umwelteinflüsse missachten. So könnte der Umwelteinfluss beispielsweise um ca. 70 % reduziert werden, wenn kommerzielle Flüge um etwa 5000 Meter niedriger fliegen würden. Hierfür müssten nur etwa 6 % mehr Treibstoffverbrauch in Kauf genommen werden." Zum Vortrag über diesen Link: https://doi.org/10.5281/zenodo.4068135

 

Review of CO2 Reduction Promises and Visions for 2020 in Aviation

"Professor Dieter Scholz, welcher auch die Masterarbeit von Herrn Caers betreut hat, ging sowohl auf nicht eingehaltenen Emissionsreduktionspläne für 2020 ein, sowie auf ethische Schwierigkeiten in der Luftfahrt. So wollte beispielsweise das Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE) mit der 'Vision 2020' in diesem Jahr 50 % CO2 Ersparnis in neuen Flugzeugen erreichen, verglichen mit den Werten aus 2000. Doch bereits 2011 wurde ein weiteres Projekt – Flightpath 2050 – gestartet, wodurch die Ziele der Vision 2020 in den Hintergrund gerückt sind. Es wurden also weitere Jahre für die Umsetzung vom emissionsarmen Fliegen 'erschummelt'. Ebenso wurde im Jahr 2011 bereits vorausgesagt, dass das Ziel einer 50 % Ersparnis in 2020 nicht erreicht werden kann. Es ist sehr zu beklagen, dass ein Misserfolg von diesem Ausmaß absolut kein mediales Aufsehen erregt hat." "Die International Air Transport Association (IATA) hatte geplant in 2020 ein CO2-neutrales Wachstum in der Luftfahrt zu erreichen. Das Dokument, welches die IATA dafür veröffentlicht hatte, wurde mittlerweile von der offiziellen Webseite entfernt." Zum Vortrag über diesen Link: https://doi.org/10.5281/zenodo.4066959

 

Aviation Ethics – Growth, Gain, Greed, and Guilt

"Der zweite Vortrag von Professor Scholz 'Aviation Ethics – Growth, Gain, Greed, and Guilt' – eine so betont gelungene Alliteration – setzte sich genauer mit den Skandalen der Branche auseinander. So wurde darauf eingegangen wie viel Macht Geld eigentlich hat. Vorgestellt wurden kurz

  1. der Korruptionsfall bei Airbus,
  2. die Vorfälle mit der Boeing 737 MAX,
  3. verspätete Ticketpreiserstattungen durch Fluggesellschaften wie bei Lufthansa,
  4. die Lügen über das Belüftungssystem in der Flugzeugkabine.

Gerade der letzte Fall hat während Corona eine besondere Relevanz, da die Belüftung selbstverständlich einen erheblichen Einfluss auf die Verbreitung des Virus innerhalb der Kabine haben kann. Als Schlusswort für diesen Tag und diese Session wurde darauf verwiesen, dass große Konzerne wie Lufthansa, Boeing und Airbus den gesetzlichen Raum für sich enorm ausreizen und die Lobbypolitik wieder einmal viel zu viel Einfluss auf konsequente Grenzsetzung hat. Wie auch Professor Scholz noch erwähnt, finde auch ich es ziemlich gut, dass eine Session die so viel Kritik an der eigenen Branche äußert, auf dem DLRK einen Platz für ihre Stimme erhält. So ist es nur wünschenswert, dass sich Kollegen aus der Branche mit dieser Thematik stärker auseinandersetzen, diskutieren und dadurch womöglich sogar eine darauf basierende Auswirkung in zukünftigen Handlungen solcher Organisationen und Konzerne zu erkennen ist." Zum Vortrag über diesen Link: https://doi.org/10.5281/zenodo.4068009

 

Fazit

"Ich wurde von der Vielfalt der Beiträge positiv überrascht."

"Trotz des oft sehr hohen wissenschaftlichen Anspruchs der Themen wurden diese dennoch sehr anschaulich und verständlich präsentiert, sodass es, auch mit einem nur oberflächlichen Verständnis der Materie, möglich war zu folgen. Und genau das, fand ich, hat den DLRK 2020 auch zu einer persönlichen Bereicherung für mich gemacht."

Ich kann mich den Ausführungen der Studierenden nur anschließen. Die Studierenden haben noch viel mehr über den Kongress geschrieben, aber alles kann hier natürlich nicht dargestellt werden.

Abschließend möchte ich noch verweisen auf die Seite im Internet "FAHRZEUGTECHNIK UND FLUGZEUGBAU – UNSER DEPARTMENT". Dort steht: "Wir setzen uns mit unseren Studierenden auch mit ethischen und ökologischen Fragestellungen auseinander". In welchem Umfang insbesondere ethische Fragestellung wirklich behandelt werden kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur feststellen, dass sich alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf der Online-Exkursion mit dem Thema "Ethik in der Luftfahrt" ausführlich auseinandergesetzt haben. Für die Aussage im Internet des Departments liegt mit diesem News-Beitrag damit jetzt ein (weiterer?) Beleg vor.

Kontakt

Prof. Dr. Dieter Scholz, MSME

Leiter Aircraft Design und Systems Group (AERO) / Professor für Flugzeugentwurf, Flugzeugsysteme und Flugmechanik

info(@)profscholz.de

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