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Mit KI intelligent Erdbeeren pflücken

Projekt RoLand auf der Grünen Woche

Die Grüne Woche, die jedes Jahr im Januar stattfindet, ist eine internationale Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. In diesem Jahr war die HAW Hamburg mit dem Verbundprojekt RoLand, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird, präsent. Wir haben mit Prof. Dr. Tim Tiedemann, Professor für Intelligente Sensorik vom Department Informatik, gesprochen, warum sich nicht nur der Bundeskanzler und der Bundeslandwirtschaftsminister für den mit KI ausgestatteten Roboter interessiert haben.

RoLand auf der Grünen Woche

Der mit KI ausgestattete Ernte-Roboter RoLand wurde auf der Grünen Woche vorgestellt.

Mit dem Projekt RoLand, das die HAW Hamburg zusammen mit den Verbundpartnern Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Bremen und Othmerding Maschinenbau umsetzt, sind Sie derzeit auf der Zielgeraden. Können Sie uns bitte darstellen, wie Sie den Erdbeerernte-Roboter entwickelt haben und welches die größten Herausforderungen waren?

Eine so große Herausforderung wie die Entwicklung eines autonomen Ernteroboters ist nur als Kooperation mit mehreren Verbundpartnern gut zu stemmen. In diesem Fall fokussiert sich der Koordinator DFKI auf die komplette Neuentwicklung der Konstruktion einer Roboterplattform, also auf die Mechanik und Aktuation, und auf den Manipulator, den „Roboterarm“. Damit haben wir eine Basis, die auf den Erdbeerfeldern, so wie sie sind, operieren kann. Das Unternehmen Othmerding Maschinenbau konzentriert sich auf den Greifer, um eine Lösung zu entwickeln, die einerseits auch bei teilverdeckten Erdbeeren die Früchte zuverlässig greifen und pflücken kann, die andererseits aber nicht die Erdbeeren beschädigt – es soll hier ja nicht Marmelade produziert werden!

Unser Fokus liegt auf der Erkennung und Klassifikation der Erdbeeren, einschließlich überreifer und verformter Exemplare. Schließlich ist noch der Erdbeerhof Glantz mit im Projekt – der insbesondere auch die für die spätere Praxisanwendung kritische Vorgaben macht: So hängen die größten Herausforderungen in diesem Projekt damit zusammen, dass alle Rahmenbedingungen rund um den Roboter so bleiben müssen, wie es ist. Im Unterschied zu anderen Ernteroboterprojekten hängen beispielsweise die Erdbeeren nicht von erhöhten Tischen herunter und können einfach am Stiel abgeschnitten werden und die Erkennungsaufgabe soll ebenfalls so sein, wie es aktuell mit menschlichen Pflückerinnen und Pflückern der Fall ist.

Angefangen bei den multispektralen Sensoren über die sensorbasierte Datenauswertung bis zu der Ausgabe an die Partner, wo welche Erdbeere in welchem Zustand zu pflücken ist, kümmern wir uns um die ersten Schritte der Datenverarbeitung. Wie der Mensch muss der Roboter dabei insbesondere auch zwischen reifen und überreifen Erdbeeren unterscheiden.

Prof. Dr. Tim Tiedemann

Welche Entwicklungsbereiche lagen in den Verbundprojekt bei der HAW Hamburg?
Die Arbeitspakete der HAW Hamburg beinhalten die „KI“ in dem Projekt: Angefangen bei den multispektralen Sensoren über die sensorbasierte Datenauswertung bis zu der Ausgabe an die Partner, wo welche Erdbeere in welchem Zustand zu pflücken ist, kümmern wir uns um die ersten Schritte der Datenverarbeitung. Wie der Mensch muss der Roboter dabei insbesondere auch zwischen reifen und überreifen Erdbeeren unterscheiden. Letztere werden auch gepflückt, kommen aber nicht in die Verkaufsschälchen. Was der Mensch über das feinfühlige Abtasten zum Beispiel von Druckstellen macht, muss der Roboter über zusätzliche Wellenlängen in einem für uns Menschen nicht sichtbaren Bereich machen. Wir nehmen dafür multispektrale Bilddaten der Erdbeeren in einem Spektrum von UV bis Infrarot auf. 

Wie haben Sie den Roboter bzw. die KI geschult, damit dieser wirklich nur die reifen Erdbeeren pflückt und zudem andere rote Objekte, die eventuelle auf dem Feld sind, bei der Ernte links liegen lässt?
Andere rote Objekte sind für uns gar nicht mal das Problem – herausfordernd ist das, was die Pflücker und Pflückerinnen unterscheiden. Zu Beginn des Projektes zeigte mir eine Pflückerin einmal zwei Schalen: Die eine sollte zum Stand in den Verkauf gehen, die andere nicht. Auf den ersten Blick konnte ich keinen Unterschied sehen. Auf den zweiten Blick konnte ich sagen, dass ich als Verbraucher am Erdbeerstand lieber die eine Schale wählen würde – aber ohne so recht zu wissen, warum. Die Erklärung ist, dass – neben Druckstellen, überreifen oder gar faulen Erdbeeren – auch bestimmte Formen nicht gerne gekauft werden. Dies sind insbesondere Erdbeeren mit vielen oder großen „Falten“. Für die KI mussten wir daher – und müssen wir diese Saison noch – viele Erdbeeren der jeweiligen Klasse sammeln und mithilfe der über multispektrale Sensoren aufgenommenen Bilddaten einteilen: Was ist unreif, was reif, was überreif, was verformt.    

Welche Fähigkeiten hat der Roboter über die Erntetätigkeiten hinaus?
Das ist ein Teil des Projektes, der „nebenbei“ abfallen könnte und der vermutlich erst in kommenden Projekten umgesetzt wird: Wenn wir schon eine Plattform haben, die autonom durch die Felder fahren und multispektrale Daten der Pflanzen aufnehmen kann, dann kann auch schon vor der Ernte das Pflanzenwachstum beobachtet werden und beispielsweise der Gesundheitszustand überwacht und die potenziell kommende Ernte vorhergesagt werden.  

Könnte KI und Robotik die Landwirtschaft der Zukunft prägen, und ab wann könnte RoLand in der Ernte zum Einsatz kommen?
KI und Robotik finden zurzeit in vielen Forschungsprojekten Einzug in die Landwirtschaft. Für die Erdbeerernte haben wir eine einfache Motivation: Pflückerinnen und Pflücker kamen früher einmal zu einem großen Teil aus Polen, dann aus der Ukraine, jetzt vielleicht auch viele aus Rumänien. Aber es ist abzusehen, dass sich – zum Glück – der Lebensstandard und der Arbeitsmarkt in Osteuropa weiter ändern wird und dass irgendwann die benötigte Anzahl von Erntehelfenden nicht mehr nach Deutschland kommen muss oder möchte. Dann brauchen wir eine Lösung und eine technische Lösung braucht Entwicklungszeit. Daher müssen wir jetzt diese Forschungsfragen angehen, damit es in ein paar Jahren eine Lösung zur Marktreife schafft. Im Projekt RoLand ist auch aus diesem Grund mit Othmerding Maschinenbau ein Unternehmen der Landwirtschaftstechnik im Konsortium, so dass die folgenden Schritte für eine Entwicklung zur Serienreife direkt im Anschluss an das Forschungsprojekt angegangen werden können.

Wenn wir schon eine Plattform haben, die autonom durch die Felder fahren und multispektrale Daten der Pflanzen aufnehmen kann, dann kann auch schon vor der Ernte das Pflanzenwachstum beobachtet werden und beispielsweise der Gesundheitszustand überwacht und die potenziell kommende Ernte vorhergesagt werden.

Prof. Dr. Tim Tiedemann

Interview: Anke Blacha

Über das Verbundprojekt RoLand

Während robotische Systeme aktuell vor allem in Gewächshäusern Einzug halten, ist das Zielszenario des Projekts RoLand das freie Feld unter Berücksichtigung der typischen Umwelteinflüsse, die damit einhergehen. Angestrebt wird ein System für vielfältige Einsatzmöglichkeiten, welches auch von kleineren Betrieben wirtschaftlich betrieben werden kann. Das Forschungsprojekt fokussiert sich für die Erstellung eines Demonstrators auf das Szenario der Erdbeerfelder. Hier wird ein empfindliches Beerenobst ausgewählt, welches verschiedene Herausforderungen an die Robotik (Hardware und auch Perzeption) stellt.

Koordinator des Verbundprojekts ist das DFKI in Bremen. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

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