Vortrag und Laborbesichtigung

Strom aus der Röhre

Leistungsfähige Akkus sind der Dreh- und Angelpunkt der Energiewende. Man braucht sie im Kleinen, um mit dem E-Auto eine vernünftige Reichweite zu erzielen, und im Großen, um die Erzeugung und den Verbrauch von Energie zur Deckung zu bringen. Am kommenden wednesday@TI researchlab am 24.5. ab 15.30 Uhr im Raum 408 am BT21 erhalten alle Teilnehmer*innen spannende Einblicke in die Forschung von derartigen Akkus und Batterien: Nach drei thematischen Kurzvorträgen zu „Elektrolyse und Redox-Flow - Elektrochemische Energiewandlung am Heinrich-Blasius-Institut“ von Prof. Struckmann und seinen Mitarbeitern Armin Laube, Fabian Brandes und Niklas Janshen, haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, das zugehörige Labor zu besichtigen.

Mit fünf zusammengeschalteten Röhrchen aus extrudierten Teilen kann eine kleine Vanadium-Redox-Flow-Batterie betrieben werden.

 

Prof. Dr. Thorsten Struckmann forscht zur Energiewende. Genauer gesagt: zur zwischenzeitlichen Speicherung von Energie. Das ist ein wichtiges Puzzle-Teil im großen Bild des Wandels. Denn Deutschland kann zwar auf beträchtliche Erfolge schauen, immerhin sind Stand 1.8.2022 im 30-Tage-Schnitt genau die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbarer Energie gewonnen worden. Doch Wind ist flatterhaft, und die Sonne macht jede Nacht aufs Neue Pause. „Das ist die Herausforderung: Im momentanen Überschuss erzeugter Strom muss kostengünstig und ohne große Verluste zwischengespeichert werden können”, sagt Struckmann. Dieser Bedarf steigt ständig, weil der Anteil nicht gleichmäßig verfügbarer erneuerbarer Energien am Strom-Mix ebenfalls stetig wächst. Der Forschungs-Pfad, auf den sein kleines Team sich begeben hat, führt zu genau solchen Energie-Zwischenlagern in Form von Redox-Flow-Batterien (RFB), die sich sehr gut für kurzzeitige und oftmalige Zwischenspeicherung von Energiespitzen eignen.

Der größte Akku der Welt
Als Speichermedium dienen zwei flüssige Elektrolytlösungen, die in externen Tanks gespeichert und nur zum Laden und Entladen durch die eigentlichen Batteriezellen gepumpt werden. Weil die Elektrolyte in Tanks ausgelagert werden können, sind RFB im Prinzip beliebig skalierbar – im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Batterien, bei denen die interagierenden Medien zu einer Einheit verpackt werden und somit die Kapazität der Batterie ein für alle Mal festgelegt ist.
In China wurde die bisher größte RFB gebaut. Sie hat eine Kapazität von 800 Megawattsunden und könnte für vier Stunden so viel Leistung ins Netz einspeisen wie ein mittelgroßes Kraftwerk. Es gibt sogar Überlegungen für einen Megaspeicher, bei dem zwei Salzkavernen mit einem Fassungsvermögen von jeweils einigen Hunderttausend Kubikmetern als Tanks für die Elektrolytlösungen dienen. Von ihrem Alter her könnte die brandaktuelle Technologie schon längst in Rente gehen: „Das Redox-Flow-Verfahrenzur Speicherung elektrischer Energie in Flüssigkeiten wurde nämlich schon 1949 von Walther Kangro von der Technischen Universität Braunschweig patentiert”, erzählt Professor Struckmann. Vor 73 Jahren also. Seit den 1970er-Jahren wird es ernsthaft getestet und weiterentwickelt: „Nach dem Reaktor-Crash von Fukushima und der anschließenden Fokussierung auf ‚Erneuerbare’ hat die RFB-Forschung noch mehr an Fahrt aufgenommen.” 

Der Überschuss an erzeugtem Strom muss kostengünstig zwischengespeichert werden können.

Prof. Thorsten Struckmann

Langlebig und sicher
Ausprobiert wurden bereits mehr als 50 RFB-Typen mit unterschiedlichen Elektolyten. Die von Struckmanns Team in den Fokus genommene Version mit in Schwefelsäure gelösten Vanadium-Salzen ist noch immer der Champion: „Vanadium-Redox-Flow-Batterien spielen ihre Stärke aus, wenn sie möglichst häufig auf- und wieder entladen werden.” 10.000 Zyklen sind kein Problem, das bringt ihr im Vergleich zu Blei-Säure-Batterien eine vielfach größere Lebensdauer. Ein weiterer Vorteil: Diese Batterien können nicht explodieren. Aktuell werden die einzelnen Batteriezellen, die später zu „Stapeln” – den „Stacks” – verbunden werden, aufwendig als eine Art mehrschichtiger Rahmen gefertigt. In diesen Rahmen fließen in den positiven und negativen „Halbzellen”, die durch eine Membran voneinander getrennten sind, die von einer Pumpe transportierten Elektrolyte. Die einzelnen Zellen müssen, Stück für Stück, an allen Seiten abgedichtet werden, damit die Elektrolyte nicht austreten: „Unter anderem deshalb sind die Stacks Preistreiber bei der Batterieproduktion”, sagt Struckmann. 

Endlos gut
Endlos Strom speichern. Womit man bei dem ganz speziellen Forschungsansatz von Struckmann und seinem Team wäre: „Wir haben eine neue Form von Batteriezellen in Form einer Röhre entwickelt, also ‚tubulär‘. Diese Abschnitte muss man dann nur noch oben und unten abdichten.” Die Zelle kann nun, so die Idee, in Form einer „endlosen Röhre” produziert werden. Die muss, im Querschnitt betrachtet und rundum übereinandergeschichtet, alle Schichten aufweisen, die im üblichen Zellen-Rahmen aufeinanderliegen. Um das zu gewährleisten, hat sich Struckmann einen Industriepartner mit speziellem Know-how gesucht. Er fand ihn in dem in Unterfranken ansässigen Automobil-Zulieferer Uniwell Rohrsysteme. Der konnte tatsächlich die Schichten der gewünschten Röhren herstellen. Ein weiterer wichtiger Partner ist der Membranen-Spezialist Fumatech. 
Die Idee funktioniert. Thorsten Struckmann nimmt zum Beweis den Schlüssel in die Hand, um das Labor ein Stockwerk höher aufzuschließen. Dort präsentiert er den Stack, der am Ende der Förderzeit des vierjährigen Projekts StaTuR (Stacks aus tubulären Redox-Flow-Batterien) die Machbarkeit des Ansatzes bewiesen hat: fünf zusammengeschaltete Röhrchen aus extrudierten Teilen, mit denen eine kleine Vanadium-Redox-Flow-Batterie betrieben werden kann. „Wir haben damit potenziellen Investoren eine neue Produktionsmöglichkeit präsentiert, die RFB in Zukunft um einiges günstiger machen können”, freut sich Struckmann. Wenn er wir sagt, meint er das gesamte Team, das ist ihm wichtig: „Mein früherer Doktorand Simon Ressel hat das Projekt initiiert und wesentlich gestaltet. Er hat mit Peter Kuhn, Fabian Brandes, Armin Laube, Niklas Janshen und einigen Studierenden die Hauptarbeit geleistet.” Dazu kam der Input der externen Partner: „Ohne die Beiträge von Uniwell, Fumatech und den Kollegen vom DECHEMA-Research Institute in Frankfurt wären wir nie so weit gekommen!”
Das wäre jetzt ein schönes Ende, aber die Energiewende geht ja weiter, und wenn man in den vergangenen Monaten eines gelernt hat, ist das wohl, bei der Abhängigkeit von endlichen Ressourcen Vorsicht walten zu lassen. Zwar war Struckmann letztens auf einer Konferenz, bei der Minenbetreiber sagten, Vanadium sei ausreichend vorhanden, man müsse sich keine Sorgen machen. Andererseits möchte man von einigen der Staaten, die den Rohstoff exportieren, nicht irgendwann erpressbar sein. Der Abbau lohnt sich in nur wenigen Ländern. Brasilien, China und Russland sind ganz vorne mit von der Partie. Wenn der Preis für Vanadium steigt, werden die Batterien teurer. Deshalb will Struckmann sich in dem bereits beantragten Folgeprojekt an der Suche nach organischen Alternativen beteiligen, für eine noch „grünere”, tubuläre RedoxFlow-Batterie.

Dieser Text erschien im Forschungsmagazin (K)NOW der Fakultät Technik und Informatik zum Thema "Energie". Alle anderen darin enthaltenen Artikel können Sie hier gerne nachlesen.

wednesday@TI researchlab

Der kommende wednesday@TI researchlab findet am 24. Mai um 15.30 Uhr im Raum 408 am Berliner Tor 21 statt. Nach drei thematischen Kurzvorträgen mit dem Obertitel „Elektrolyse und Redox-Flow - Elektrochemische Energiewandlung am Heinrich-Blasius-Institut“ von Prof. Struckmann und seinem Team, bestehend aus Armin Laube, Fabian Brandes und Niklas Janshen, haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, Struckmanns Labor zu besichtigen.

Kontakt

Prof. Dr. Thorsten Struckmann
Department Maschinenbau und Produktion
Professor für Mathematik und Informatik
Tel. +49.40.428 75-8737
thorsten.struckmann (at) haw-hamburg (dot) de

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