Tschüss Airbus A380 – Ein Nachruf

In Hamburg sagt man "Tschüss" beim Abschied. Am 16.12.2021 wurde Abschied genommen vom Airbus A380 auf dem Werksgelände von Airbus in Hamburg-Finkenwerder, denn das letzte Exemplar des größten Passagierflugzeugs der Welt wurde an die Fluggesellschaft Emirates ausgeliefert. Der A380 fand keine weiteren Käufer mehr und so endeten die Auslieferungen des Flugzeugs nach nur 14 Jahren. Ausgeliefert wurden in dieser Zeit insgesamt 251 Flugzeuge. Das sind angesichts der Größe des Flugzeugs viele, aber trotzdem nur ein Viertel der geplanten Anzahl. Entwickelt wurde das Flugzeug bereits in den 1990er Jahren als A3XX. Für viele Beschäftigte in der Luftfahrt ist der spätere A380 damit ein Begleiter während des ganzen Berufslebens gewesen. Für einige Anwohner in der Nähe des Werksgeländes hat das Projekt dem Leben wegen Umsiedlung eine neue Wendung gegeben. Viel ist schon geschrieben worden zum Abschied des Giganten der Lüfte. Hier werden Aspekte des A380 jenseits des Mainstreams der Berichterstattung angesprochen. Der Autor bringt dabei eigene Erinnerungen ein und berichtet auch basierend auf einer Projektarbeit am Department mit Vortrag zum Thema.

Bild 1a

Diese News konzentriert sich auf Ausführungen zum Flugzeugentwurf und zur Flugmechanik. Zu dem Gesamtkomplex A380 gibt es aber noch mehr zu berichten:

  • Verlängerung der Startbahn für Airbus mit Steuergeldern (83 Millionen EUR) in Hamburg-Finkenwerder gegen enorme Widerstände der lokalen Bevölkerung, ohne dass die Startbahn überhaupt benötigt wurde.
  • Die Wirbelschleppenforschung konnte die Einstufung des A380 in eine neue Wirbelschleppenklasse "SUPER" nicht verhindern, weil die Wirbelschleppen gem. Flugmechanik primär von der Masse abhängig sind. Damit hatte der A380 keinen generellen Kapazitätsvorteil mehr für Flughäfen.
  • 1/4 oder 170 ha des Mühlenberger Lochs (eine Elbbucht und EU-Schutzgebiet) wurden mit Steuergeldern (665 Millionen EUR) für die Werkserweiterung von Airbus genutzt und zugeschüttet. Das brachte Deutschland ein EU-Vertragsverletzungsverfahren ein.
  • Airbus erhielt Entwicklungskredite für den A380 in Höhe von 3 Milliarden EUR von Steuerzahlern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Davon werden jetzt etwa 2 Milliarden EUR von Airbus nicht zurückgezahlt und sind somit verloren.
  • Insbesondere in der Corona-Pandemie ist der A380 zu groß. Es schmerzt zu sehen, dass ein nur 13 Jahre altes Flugzeug zerlegt und entsorgt wird.
  • Insgesamt ca. 40 Milliarden EUR Verlust bei Airbus, weitere Verluste bei Zulieferern, Airlines, Flughäfen. Zufrieden oder sogar begeistert waren und sind hingegen Arbeiter und Angestellte, Passagiere und Flugzeug-Fans. Wirtschaftssenator Westhagemann sagt: "Der A380 ist für den Standort Hamburg eine Erfolgsgeschichte".

Den vollständigen Artikel von Prof. Scholz findet sich hier: https://purl.org/aero/PR2021-12-28

Viele Bilder sind auch im einem zugehörigen Vortrag (http://doi.org/10.5281/zenodo.5844726) enthalten.

Die wissenschaftliche Betrachtung liefert eine Projektarbeit:
(https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:18302-aero2021-12-16.012).

Merkmale des A380-800

In der einzig gebauten doppelstöckigen Basisversion A380-800 (Bild 1b) kann der mit vier Strahltriebwerken ausgestattete Airbus 83 Tonnen (abgekürzt: t; 1 t = 1000 kg) Nutzlast aufnehmen. Das Flugzeug ist zugelassen für maximal 853 Passagiere. Das sind durchschnittlich 97 kg für jeden Passagier einschließlich Gepäck – im Flugzeugbau ein typischer Wert. Als maximale Abflugmasse gibt Airbus für die Basisgewichtsversion (WV000) 560 t an, für das leere Flugzeug beladen mit maximaler Nutzlast (die maximale Leertankmasse) 361 t. Fertig für den Betrieb, aber leer kommt das Flugzeug mit Struktur, Triebwerken und Flugzeugsystemen demnach auf 278 t. Das sind knapp 50 % der Abflugmasse und ist im Vergleich mit anderen Flugzeugen eher zu schwer. So beladen kann der A380-800 12200 km weit fliegen. Der Verbrauch dieser "High Density Version" beträgt also 199 t oder nur 1,9 kg/100 km pro Person, das sind 2,4 l/100 km pro Person bei einer Kraftstoffdichte von 800 kg/m³. Der A380 mit der Seriennummer MSN 001 hatte seinen Erstflug am 27. April 2005 vom Flughafen Toulouse-Blagnac. Der erste A380 mit der Seriennummer MSN 002 landete in Hamburg-Finkenwerder am 8. November 2005 (Bild 1a, oben).

Für die vom Hersteller vorgeschlagene Bestuhlung mit 555 Passagieren (Bild2) werden 52 t Nutzlast angesetzt. Das sind 94 kg pro Person. Damit gelingt dem A380-800 eine Reichweite von 8000 Nautische Meilen (1 NM = 1,852 km) also 14800 km. Dafür werden 230 t Kraftstoff benötigt (2,8 kg/100 km oder 3,5 l/100 km).

Wenn nur 362 Passagiere mitgenommen werden (34 t Nutzlast), dann kann der A380-800 16400 km weit fliegen. Die Tanks mit einem Volumen von 310 m³ (1 m³ = 1000 Liter) sind dann maximal gefüllt mit 248 t Kraftstoff (4,2 kg/100 km oder 5,2 l/100 km).

Grundlegende Daten hat Airbus für Flughäfen und Wartungsbetriebe zur Planung im Internet veröffentlicht (https://perma.cc/9PXR-DDMF). Weitere Daten ergeben sich zusätzlich aus einfachen Überlegungen und Rechnungen so wie oben gezeigt. Dabei ist das Nutzlast-Reichweitendiagramm wichtig (Bild 3), woraus auch der Kraftstoffverbrauch errechnet werden kann (Bild 4).

Die geplante A380 Flugzeugfamilie, die es nie gab

Geplant war auch eine gestreckte Version A380-900 mit 656 Sitzen und gleicher Reichweite, eine Extended Range Version A380-800R ebenfalls für 555 Passagiere mit sogar 8750 NM Reichweite, sowie ein Frachter A380-800F mit 153 t Nutzlast, 590 t Abflugmasse und einer Reichweite bei maximaler Nutzlast von 5650 NM (10460 km). Alle Versionen sollten möglichst ähnlich gebaut werden. So wurde für alle Versionen z. B. das gleiche (schwere) Fahrwerk und der gleiche (große) Flügel vorgesehen. Dies ist dann auch der Grund für die eher schwere Basisversion.

 

Finanzielle Vorgaben

Vorgabe des Managements für den A380 waren um 15 % reduzierte Betriebskosten pro Sitzplatz gegenüber der Boeing B747-400. Dies sollte insbesondere durch den "Scale Effect" also die Größe des A380 erreicht werden (https://doi.org/10.5281/zenodo.5806250, Seite 11). Heute wissen wir, dass der Vergleich mit der B747-400 (Erstflug 1988), die auf der B747 (Erstflug 1969) basiert, ungünstig war. Zu beachten war auch, dass während eines langen Flugzeuglebens des A380 auch noch weitere neue und effizientere Flugzeugtypen entwickelt werden würden. Bei den 15 % wurde die gleiche Auslastung der Flugzeuge unterstellt. Wie sich später zeigte, ist es aber schwieriger eine gleichbleibend hohe Auslastung mit einem großen Flugzeug zu erreichen. Mit weniger Passagieren an Bord steigen dann aber die Betriebskosten pro Person.

 

Gründe für das frühe Produktionsende des A380

  • Der A380 war geplant für die Verbindung der großen Drehkreuze (Hubs) der Luftfahrt. Beobachtet wurde aber eine steigende Anzahl von Direktverbindungen mit kleineren Flugzeugen vorbei an den großen überfüllten Drehkreuzen. Da die Hubs bereits an ihrer Kapazitätsgrenze waren, konnte mit den Direktverbindungen auch gleich ein weiteres Wachstum des Luftverkehrs erreicht werden.
  • Mit dem Doppelstockrumpf erfordert der A380 eigenes Abfertigungsgerät (Ground Support Equipment).
  • Der A380 ist zu schwer durch seine Auslegung in Vorbereitung auf weitere Versionen (A380-900, A380F), durch einen ovalen Rumpf (ungünstig als Druckrumpf) und durch ein großes Leitwerk (durch Doppelstockrumpf in den Proportionen kurzer Rumpf, damit kurzer Hebelarm, insbesondere beim A380-800).
  • Erhöhter Widerstand durch Auftrieb (induzierter Widerstand) wegen geringer Streckung A = b²/S = 7,5 (A340/A330-300: 10; A350-900: 9,5). Der A380 hätte eine größere Flügelspannweite (b) vertragen können, die aber durch die Bedingungen an den Flughäfen auf 80 m begrenzt werden musste. Die Flügelfläche (S) des A380-800 wurde in Vorbereitung der Folgeversionen recht groß gewählt.
  • Die Triebwerke des A380 sind weniger treibstoffeffizient als die Triebwerke der neuen Flugzeuge wie beispielsweise Boeing 787 und Airbus A350.
  • Der A380 hat mehr Quadratmeter Kabinenfläche pro Sitzplatz. Das ist gut für den Komfort, aber schlecht für den Leichtbau.
  • Aerodynamik, Leichtbau und Triebwerke zusammen ergeben eine A380, die eine geringere relative Nutzlast (Nutzlast / max. Abflugmasse) und damit eine geringere Wirtschaftlichkeit hat als vergleichbare Flugzeug. Bei Standardbestuhlung beträgt die relative Nutzlast nur 9 %.
  • Eine Weisheit aus dem Flugzeugentwurf besagt: "Was gut aussieht, das fliegt auch gut!". An dieser Stelle mag jede und jeder selbst urteilen und Schlüsse ziehen.

 

Sind alle Flugzeuge mit vier Triebwerken unwirtschaftlich?

Gelegentlich wird in den Medien noch angeführt, dass der A380 als Flugzeug mit vier Triebwerken heute keine Chance mehr hätte. Das ist so nur bedingt richtig. Der A380 ist auch als Flugzeug mit vier Triebwerken akzeptabel. Der Nachteil von vier Triebwerken ist, dass sich der erforderliche Schub auf diese vier Triebwerke aufteilt und die Triebwerke dadurch kleiner ausfallen, als wenn der Schub auf nur zwei Triebwerke aufgeteilt wird. Kleine Triebwerke haben aber einen größeren spezifischen Kraftstoffverbrauch als große Triebwerke. Ein Airbus A340-400 fliegt mit CFM56 Triebwerken und gilt heute als unwirtschaftlich. Flugzeuge vom Typ A320 oder A321 fliegen ebenfalls mit CFM56 Triebwerken, gelten aber heute noch als durchaus wirtschaftlich. Grund dafür ist, dass eine A340-400 mit Flugzeugen konkurriert, die als Zweistrahler mit größeren und damit effizienteren Triebwerken betrieben werden. Eine Boeing 777 zum Beispiel nutzt das Triebwerk GE90 (heute GE9X) und damit ein größeres Triebwerk als das Triebwerk CFM56. Zwei der Triebwerke GE9X würden aber nicht ausreichen, um eine A380 anzutreiben. Andererseits hat das Triebwerk GE9X aber deutlich mehr Schub als die Triebwerke des A380, sodass die damit angetriebene Boeing 777-9 gegenüber dem A380 (allein wegen der Triebwerksgröße) einen Vorteil hat beim spezifischen Kraftstoffverbrauch. Hinzu kommt, dass Triebwerke neuer Generation weniger verbrauchen als ältere Triebwerke gleicher Größe.

 

Der A380 an großen Flughäfen und die Sache mit den Wirbelschleppen

Die großen Flughäfen (Hubs) sind in ihrer Kapazität begrenzt durch die Anzahl der Flugzeuge, die auf den Bahnen starten und landen können. Vornehmlich die Anzahl der Landungen kann nicht beliebig erhöht werden. Eine Idee im Zusammenhang mit dem A380 war, die Kapazität der Hubs zu steigern, dadurch, dass mit einem großen Flugzeug mehr Passagiere mit jeder Landung zum Flughafen gebracht werden können. Das ist richtig, wenn unabhängig von der Flugzeuggröße Flugzeuge in zeitlich konstanter Abfolge landen. Nun gibt es aber die Wirbelschleppen hinter Flugzeugen.

Jedes Flugzeug besitzt eine Wirbelschleppe, die sich ausgehend von den beiden Flügelspitzen in der Form von zwei Wirbelzöpfen ausbildet (Bild 5). Ein fliegendes Flugzeug produziert eine Wirbelschleppe, die immer länger wird, je weiter das Flugzeug vorankommt. In jeder Sekunde wird Energie in den neu entstehenden Teil der Wirbelschleppe gesteckt. Die Energie in den sich drehenden Luftmassen kann insbesondere für kleinere Flugzeuge gefährlich werden, die in eine Wirbelschleppe geraten. Flugzeuge können dann unkontrollierte Fluglagen annehmen. Die Wirbelschleppen verlieren weit hinter dem Flugzeug ihre Energie und werden weniger gefährlich. Daher müssen Flugzeuge einen Sicherheitsabstand voneinander einhalten (Separation). Die Leistung, die ein Flugzeug ständig in seine Wirbelschleppe einbringt, wird primär durch die Masse des Flugzeugs bestimmt. Das ergibt sich elementar aus der Flugphysik (siehe Kasten). Ein A380 besitzt also eine gefährlichere Wirbelschleppe als leichtere Flugzeuge. Das könnte dann erfordern, dass Flugzeuge hinter einer A380 einen größeren Sicherheitsabstand einhalten müssten und sich dadurch der Durchsatz am Flughafen nicht (wie gehofft) vergrößert. Darauf wurde früh hingewiesen, u. a. von einer Arbeitsgruppe der Vereinigung Cockpit e. V. im Jahr 2005 (https://perma.cc/Y8XN-SS3C).

Airbus hatte sich das Ziel gesetzt, dass der Sicherheitsabstand hinter einer A380 gegenüber anderen schweren Flugzeugen (Wirbelschleppenkategorie HEAVY) nicht vergrößert wird. Daher wurde viel Geld (auch öffentliches Geld) in die Wirbelschleppenforschung gesteckt. Die verantwortlichen Behörden blieben aber letztlich dabei, die Sicherheitsabstände nach der Flugzeugmasse einzuteilen. Aufgrund des A380 wurde eine neue Wirbelschleppenkategorie (SUPER) eingerichtet für alle Flugzeuge mit einer maximalen Abflugmasse ab 560 t (das ist genau die Abflugmasse des A380-800). Flugzeuge der Klasse MEDIUM müssen demnach 7 NM Sicherheitsabstand hinter dem A380 einhalten, aber nur 5 NM hinter einer B747 (HEAVY). Damit hatte der A380 keinen generellen Kapazitätsvorteil mehr für Flughäfen. Bestehen blieb lediglich der Vorteil aus Sicht jeweils einer einzelnen Airline, mit einer Landung (also mit einem der kostbaren Slots) mehr Passagiere zu befördern.

Text: Prof. Dr. Dieter Scholz

Kontakt

Prof. Dr. Dieter Scholz, MSME

Leiter Aircraft Design und Systems Group (AERO)
Professor für Flugzeugentwurf, Flugzeugsysteme und Flugmechanik
Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau
Berliner Tor 11
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T +49 40 181 19-881
http://www.ProfScholz.de
dieter.scholz (at) haw-hamburg (dot) de

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