Vom Frittenfett zur Power – Forschungsprojekt in der Verfahrenstechnik

Die beiden Verfahrenstechniker Prof. Dr. Anika Sievers und Prof. Dr. Thomas Willner entwickeln neue Technologien für die Produktion von alternativem Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen und Abfällen. An der Fakultät Life Sciences der HAW Hamburg experimentieren sie unter anderem mit Altfett und Altölen.

POMMES ESSEN FÜR DEN ROHSTOFF

Noch vor wenigen Jahren glaubte man, Benzin und Diesel statt aus fossilen Rohstoff en in großen Mengen aus Pflanzenöl herstellen zu können. Doch schnell wurde klar, dass der Anbau von Energiepflanzen stark mit der Produktion von Nahrungsmitteln konkurriert. Zudem wandelt sich das Ackerland durch die großflächige Kultivierung von Energiepflanzen mancherorts in monokulturelle Agrarflächen, was ökologisch bedenklich ist.

Angesichts solcher Nachteile haben Prof. Anika Sievers und Prof. Thomas Willner aus der Fakultät Life Sciences einen neuen Weg eingeschlagen: In ihrem Labor für Kraftstoffanalytik und Hochdruck verwandeln sich verbrauchte Öle und Fette, aber auch andere Abfälle wie zum Beispiel Plastikmüll, in hochwertige Treibstoffe, die industriellem Diesel aus Rohöl in Sachen Qualität in nichts nachstehen.

Die Altöle und -fette für die Experimente gibt es gleich nebenan gratis, in der Mensa am Campus Life Sciences in Hamburg-Bergedorf. In Fässern rollen Sievers und Willner sie in ihr nahegelegenes Labor. „Wir ermuntern unsere Studierenden, ganz viele Pommes zu essen, damit wir genug von diesem Rohstoff bekommen“, sagt Anika Sievers augenzwinkernd. Die Altöle und Altfette werden nur grob gereinigt und dann in einen Reaktor gefüllt. Darin werden sie bei vergleichsweise moderaten 370 Grad Celsius in kleinere Moleküle zerlegt, gecrackt. Übrig bleiben ein Destillat sowie einige Feststoffe. Große industrielle Anlagen zum Cracken hingegen arbeiten entweder bei höheren Temperaturen oder mit empfindlichen Katalysatoren, die sehr sauber gereinigte Rohstoffe benötigen.

Vorteile des HAW-Verfahrens liegen darin, dass es vergleichsweise robust, energiesparend und preisgünstig ist. Zudem eignet es sich für eine Fülle verschiedener Rohstoffe. Im nächsten Verfahrensschritt wird dem Destillat Wasserstoff zugeführt und das Destillat damit hydriert. Das Endprodukt ist dann ein Diesel, der von Natur aus frei von Schwefel und Stickstoff ist, da er aus pflanzlichen Bestandteilen erzeugt wurde. Auch Benzin und Flugkraftstoffe (Kerosin) können daraus hergestellt werden.

Damit liefert dieses Verfahren eine neue Biokraftstoffgeneration, die voll kompatibel mit konventionellem Benzin, Diesel oder Kerosin ist. Der Biokraftstoff ist zudem deutlich besser als jene der ersten Generation, wie etwa Biodiesel aus Pflanzenölen oder Bioethanol aus Zucker oder Stärke. Das Besondere: Der Wasserstoff für die Hydrierung des Destillats stammt ebenfalls von der HAW Hamburg. Er wird am Energie-Campus des Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) durch Elektrolyse erzeugt. Bei der Elektrolyse wird Wasser durch elektrischen Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

DAS ZIEL IST EIN MARKTREIFES PRODUKT

Die Arbeit von Anika Sievers, Thomas Willner und den Kolleginnen wie Kollegen vom CC4E wird aktuell innerhalb des Projekts X-Energy gefördert. Ziel ist es, die Entwicklung von Technologien anzuregen, mit denen sich Strom aus Wind und Sonne in anderen Energieträgern speichern lässt. Wie beschrieben, wird in diesem Falle mit Ökostrom erzeugter Wasserstoff genutzt, um die Altfette in Flüssigkraftstoff zu verwandeln – ganz passend heißt das X-Energy-Teilprojekt an der HAW Hamburg READi-PtL (Power to Liquid).

„Im Rahmen der X-Energy Förderung des BMBF erhalten wir die Chance, unser bestehendes Verfahren gemeinsam mit der Firma Nexxoil auf den Maßstab einer Pilotanlage hoch zu skalieren, um das Bioöl für die Marktreife vorzubereiten“, sagt Thomas Willner. Das Projekt READi-PtL verfolgt neben der CO2-Einsparung das Ziel, die Sektoren Strom und Mobilität miteinander zu koppeln, indem erneuerbar erzeugter Strom über den Wasserstoff in flüssigen Treibstoffen gespeichert wird. Das sei unumgänglich, sagt Thomas Willner, „denn im Strommix ist aktuell sehr viel Braun- und Steinkohle enthalten. Wir hätten gar nicht genug erneuerbaren Strom, um ganz Deutschland im Automobilbereich zu elektrifizieren. Deshalb müssen wir andere Flüssigkraftstoffe nutzen, auch um die bestehenden Reichweiten von LKWs und Flugzeugen erhalten zu können.“

Seine Kollegin Anika Sievers sieht aktuell noch technische Herausforderungen, denn im Jahr 2050 soll der Strom in Deutschland gemäß dem Ziel der Bundesregierung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Doch das Angebot an Sonnen- und Windenergie schwankt. Und damit könnte auch das Stromangebot für den Betrieb von Elektrolyse-Anlagen zur Wasserstoffproduktion schwanken. „Eine unserer Herausforderungen ist es nun, wie wir es schaffen, dass der Elektrolyseur vom Jahr 2050 an trotz der Schwankungen dauerhaft unseren Wasserstoff bereitstellt“, sagt Anika Sievers. Letztlich könnte auch das Wasserstoffangebot schwanken. „Deshalb müssen wir auch erforschen, wie schnell unsere Anlagen gestartet und herunter gefahren werden können und wie unsere Anlagen mit einem fluktuierenden Wasserstoffangebot umgehen. Hier müssen wir die entsprechenden Daten liefern.“

Die Studierenden und die beiden Professoren werden in den kommenden Jahren die Veränderung der Kraftstoffprodukte hautnah miterleben; und natürlich den Einsatz ihrer READi-PtL-Anlage. Gut möglich, dass der Stromgenerator des Imbissstands schon beim nächsten Campusfest mit Bioöl à la Sievers und Willner betrieben wird. (Autorin: Wega Wilken/CC4E)


DAS PROJEKT X-ENERGY

„X-Energy“ lautet der Titel des Projekts, mit dem das CC4E am FH-Impuls Programm des BMBF für forschungsstarke Fachhochschulen teilnimmt. Ziel ist es, den bestehenden Forschungsschwerpunkt Energie und Nachhaltigkeit der HAW Hamburg auszubauen, das Transferpotenzial zu erhöhen und den Profilbereich zu schärfen. X-Energy soll das führende Innovationszentrum für die Energiewende in der Metropolregion Hamburg etablieren, thematisch ausgerichtet auf Windenergie, Systemintegration und Speicher.

Projektvolumen: rund 680.000 Euro
Laufzeit: 07/2018–06/2021
Projektpartner: Nexxoil GmbH
WWW.HAW-HAMBURG.DE/CC4E

(Quelle: Jahresbericht 2017_2018)

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