Was macht ein Physiker am CERN in Genf? Klar: Irgendwas mit ultrakleinen Teilchen, die Higgs oder Quarks, Myonen oder Tauonen heißen, und die für Normalsterbliche wohl meist ein Rätsel bleiben. Jörn Bach, Promovend am Graduiertenkolleg DASHH (Data Science in Hamburg Helmholtz Graduate School for the Structure of Matter) beschäftigt sich mit eben diesen Elementarteilchen. Seit Ende Juli 2024 ist er für drei Monate mit einem Auslandsstipendium des Hamburger Überseeclubs am CERN. Wir haben mit ihm über seine Forschung, über Dunkle Materie und kooperative Wissenschaftsarbeit gesprochen und darüber, warum es für jede*n Teilchenphysiker*in ein Muss ist, wenigstens einmal am CERN gearbeitet zu haben.
Kannst Du in einfachen Worten beschreiben, woran Du forschst?
In dem Teilbereich der Physik, mit dem ich mich befasse, geht es darum herauszufinden, was die kleinsten existierenden Teilchen im Innersten zusammenhält. In den vergangenen Jahrzehnten konnten beispielsweise durch die Entdeckung des Higgs-Teilchens das Standardmodell der Teilchenphysik weitestgehend bestätigt werden. Viele Phänomene des Universums lassen sich damit allerdings nicht erklären, da das Universum zum großen Teil aus sogenannter Dunkler Materie besteht. Über die Elementarteilchen dieser Dunklen Materie ist bislang wenig bekannt. Über ihre Beschaffenheit und Wechselwirkungen gibt es aber zahlreiche Theorien, die jetzt durch Experimente bestätigt oder verworfen werden sollen. In meiner Arbeit versuche ich, statistische Methoden zu entwickeln und anzuwenden, mit denen die riesigen Datenmengen aus Experimenten in Teilchenbeschleunigern ausgewertet werden können, damit wir am Ende auch die Teilchen der Dunklen Materie erklären können.
Du hast an der Universität Hamburg Physik studiert. Warum ist es für Deine Promotion sinnvoll, dass die Promotion auch über die HAW Hamburg und das DESY läuft?
In meiner Promotion verbinde ich, dank dem DASHH Programm, eine sogenannte Domain Science, also in meinem Fall die Physik, mit Data Science. Das heißt, ich programmiere selbstlernende Algorithmen für riesige Datenmengen, die ich auf ein konkretes Problem in der Physik anwenden kann. Für die Entwicklung dieser Analysetools benötige ich Kenntnisse von KI und Maschinellem Lernen. Hier greife ich auf die Informatikexpertise der HAW Hamburg zurück. Mein Doktorvater an der HAW Hamburg ist Prof. Peer Stelldinger, der mich mit seiner Expertise für Maschinelles Lernen und Künstliche Neuronale Netzwerke unterstützt.
Was hat das CERN damit zu tun?
Am CERN in Genf stehen große europäischen Teilchenbeschleuniger, mit denen Experimente zur physikalischen Grundlagenforschung in der Teilchenphysik durchgeführt werden. Der Large Hadron Collider (LHC, deutsche Bezeichnung Großer Hadronen-Speicherring) ist der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. In einem 26,7 Kilometer langen unterirdischen Ringtunnel können hier verschiedene Teilchen, insbesondere Protonen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden.
Es gibt nun verschiedene Großexperimente mit Teilchendetektoren, an denen viele Wissenschaftler*innen weltweit zusammenarbeiten. Ich arbeite an dem Experiment CMS.
Im Webbereich kenne ich CMS nur als Abkürzung für Content Management System…
Ja, aber am CERN ist damit der Teilchendetektor Compact Muon Solenoid gemeint. 5000 bis 6000 Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen und Co arbeiten allein an diesem Experiment. Hier werden beispielsweise die Eigenschaften des Higgs-Teilchens untersucht und nach neuen Teilchen und Anomalien in den Wechselwirkungen gesucht, um so die Dunkle Materie im Universum erklären zu können.
Was kannst Du dort konkret tun?
Für meine Forschungsarbeit werde ich die meiste Zeit am Rechner sitzen, so wie in Hamburg auch. Aber der Teilchendetektor CMS muss gewartet und die Daten monitort werden. Bei diesem Data Quality Monitoring wird überprüft, ob die erfassten Daten einem gewissen Standard entsprechen – und zwar während der Datennahme durchgehend 24/7. Für den Detektorbetrieb braucht es also natürlich jede Menge Leute. Mit einem Credit-Point-System sammeln die zahlreichen an dem Experiment beteiligten Wissenschaftler*innen Punkte, indem sie unter anderem Kontrollschichten für den Detektor übernehmen. Diese Punkte benötigt man hinterher auch, um in den gemeinsamen Publikationen des CMS-Experiments als Autor*in genannt zu werden. Ich sammele da jetzt also auch ein paar Punkte.
Worauf freust du Dich besonders?
Neben dem praktischen Aspekt, Punkte in dem gerade genannten Credit-Point-System zu sammeln, freue ich mich auch schon sehr, die Kolleg*innen kennenzulernen, die an den gleichen Projekten arbeiten wie ich. Unsere experimentelle Arbeit ist oft so groß, dass es nur in Kooperation mit anderen geht und da ist der Austausch sehr wichtig – und im persönlichen Kontakt geht das natürlich am besten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Maren Borgerding
Weitere Informationen zu Jörn Bach und seiner Forschung