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Data Literacy in Context (DaLiCo)

Wie datenkompetent sind wir wirklich? 

Der kontinuierliche Umgang mit Daten ist längst selbstverständlich geworden. Doch haben wir dabei auch die Datenethik im Blick? Sind wir sensibilisiert für die Gefahren der Datenmanipulation? Und sind wir wirklich sicher im Einordnen der vielfältigen Quellen? Das hochschulübergreifende und interdisziplinär ausgerichtete Hochschulprojekt „Data Literacy in Context“ (DaLiCo) will echter Datenkompetenz den Weg ebnen.

DMI, Information, Research Lab, Dirk Lewandowski

Data Literacy, also Datenkompetenz, spielt in immer mehr Studiengängen eine große Rolle.

Wissen war schon immer Macht. Doch nachdem Daten im Zuge der Digitalisierung in immer größerer Menge zur Verfügung stehen, ist vom „neuen Gold“ die Rede. Der Umgang mit diesem Gold jedoch will gelernt sein. Studierende wie Lehrende brauchen ein Bewusstsein für Big Data sowie für die Chancen und Risiken, die damit einhergehen. Zudem eröffnen sich gut ausgebildeten Datenexperten attraktive Berufsaussichten. 

Wir können ein wirklich großes Feld abdecken – von Datenmanagement und Data Science über Statistik bis zu Datenethik und E-Learning.

Prof. Christine Gläser

Hier setzt das Projekt „Data Literacy in Context“ – kurz DaLiCo – an, das federführend von der HAW Hamburg geleitet wird. „In diesem internationalen Projekt wollen wir die vielfältigen Aspekte von Datenkompetenz erforschen und die Ergebnisse in die beteiligten Hochschulen tragen“, erläutert DaLiCo-Projektkoordinatorin Christine Gläser. Die Professorin weiß, wovon sie spricht, ihre fachlichen Schwerpunkte am Department Information umfassen Themenfelder wie Informationsdienstleistungen, elektronisches Publizieren, Forschungsdatenmanagement, Metadaten und Datenstrukturierung oder Informationskompetenz.

Die HAW Hamburg ist mit einem fünfköpfigen Team am Projekt DaLiCo beteiligt. Neben Professorin Gläser sind das Professorin Ulrike Spree, Professor Rüdiger Weißbach, Christine Hoffmann und Kristin Ameis, die jeweils wiederum weitere fachliche Expertise einbringen, so dass ein interdisziplinärer Ansatz gewährleistet ist. „Und durch unsere internationalen Partner aus den Niederlanden, Spanien und Ungarn erweitert sich die Vielfalt an Knowhow nochmals. Damit können wir ein wirklich großes Feld abdecken – von Datenmanagement und Data Science über Statistik bis zu Datenethik und E-Learning.“

Datenkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz – auch auf dem Arbeitsmarkt

Aber ist denn Datenkompetenz, also Data Literacy, tatsächlich ein so komplexes Feld? „Wir haben es hier mit einem ausgesprochen breiten Kompetenzfeld zu tun“, bestätigt Christine Hoffmann. Im Zentrum gehe es darum, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu bewerten und zu interpretieren und schließlich zu nutzen. „Diese Fähigkeiten sind inzwischen entscheidende Schlüsselkompetenzen geworden. Ein Ziel des Projektes ist es deshalb, Datenkompetenz in den Studiengängen zu verankern – auch in Hinblick auf die künftigen Karrieren der Studierenden“, fährt Hoffmann fort. Immerhin sind Datenexperten, die in großen Datenmengen Zusammenhänge erfassen und daraus sinnvolle Rückschlüsse ziehen können, zunehmend auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Das Job-Portal Stepstone etwa listete im Dezember 2020 110 Angebote für Data Scientists in Hamburg auf. Als potentielle Arbeitgeber fanden sich hier alteingesessene Unternehmen, wie Otto, Signal Iduna oder die KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, aber auch die Online-Partnervermittlung Parship oder CTS Eventim, die auf die Organisation und Vermarktung von Veranstaltungen spezialisiert ist. 

Die neue Empirie kann verführerisch wirken, wenn Verbindungen aufgezeigt werden, die so möglicherweise gar nicht bestehen. Beispielsweise wenn Daten aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen werden.

Prof. Christine Gläser

Kritisches Hinterfragen sei natürlich schon immer ein wichtiger Aspekt an Hochschulen gewesen, nun jedoch müsse diese Kompetenz ins Digitale übertragen werden. Und in eine Welt, in der Daten oft nur ein paar Klicks entfernt sind. „Diese neue Empirie kann verführerisch wirken“, so Gläser. „Je nach Forschungsfrage oder gewünschtem Ergebnis lassen sich durch entsprechende Daten-Visualisierungen Verbindungen aufzeigen, die so möglicherweise gar nicht bestehen. Beispielsweise wenn Daten aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen werden.“ Das ebne den Weg zur Datenmanipulation – auch für dieses Problem will DaLiCo sensibilisieren.

Impulse für mehr Datenkompetenz

Das von Erasmus+ geförderte Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt und mit rund 332.000 Euro budgetiert. Von Seiten der Hamburger Hochschule wurde DaLiCo maßgeblich von Professorin Olga Burkova, Vizepräsidentin für Digitalisierung der HAW Hamburg, vorangetrieben. „Es handelt sich also um eine präsidiale Initiative“, so Hoffmann. Start war September 2019. „Das erste Jahr stand im Zeichen des gegenseitigen Kennenlernens und einer Art Bestandsaufnahme, was den Bedarf und die Interessen in den verschiedenen Hochschulen betrifft, um das bereits vorhandene Wissen transparent zu machen und weiterzuentwickeln“, erklärt Professorin Ulrike Spree. 

Die kommenden Jahre stünden verstärkt im Zeichen verschiedener Einzelprojekte. „Wir planen Themen wie Train the Trainer, um die Lehre zu adressieren und so Multiplikatoren zu schaffen. Die curriculare Integration der erarbeiteten Inhalte steht im Fokus, aber auch die Entwicklung passender Learning Spaces und Assessment Tools, etwa zur Frage: Bin ich datenkompetent?“, ergänzt Christine Gläser. Zwar können innerhalb des Projektzeitrahmens keine umfassenden Lösungen etabliert werden, „aber wir können Impulse geben und prototypische Konzepte auf den Weg bringen, die innerhalb der vier Hochschulen weiterentwickelt werden.“ 

Summer Schools sind praktische Bausteine des Projekts

Damit dies gelingt, ist DaLiCo möglichst praxisnah gestaltet. Ein wichtiger Baustein: Die jährlichen Summer Schools, die als eine Art Praxis- und Testumgebung für die entwickelten Konzepte dienen sollen. Ende September fand die erste Summer School mit Doktor-, Master- und Bachelorstudierenden aus den Partnerländern statt – coronabedingt digital. Eins der Themen, das auf besonderes Interesse stieß, war der Aspekt der Datenethik. „Das ist ein Punkt, der allgemein gar nicht so präsent ist, tatsächlich aber ein wesentliches Thema ist, das wir schon beim ersten Schritt, dem Zugang zu Daten, im Kopf haben sollten“, betont Kristin Ameis.  

Das kritische Hinterfragen von Daten erprobten die Teilnehmer*innen der Summer School am Beispiel des „World Happiness Report“. Zunächst konnte festgestellt werden: Die am Projekt beteiligten Länder sind laut Report alle relativ glücklich. So stehen die Niederlande auf Platz 6, gefolgt von Deutschland auf Platz 17, Spanien steht an 28. Stelle und Ungarn auf Platz 53 – von insgesamt 153 Plätzen. Doch wie kommt dieses Ranking eigentlich zustande? Der Bericht wird vom Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen erstellt und berücksichtigt Faktoren wie Bruttoinlandsprodukt, Lebenserwartung, soziales Angebot für Bedürftige, Vertrauen in Regierung und Wirtschaft, gefühlte Entscheidungsfreiheit sowie Spendenbereitschaft. Die Teilnehmer*innen der DaLiCo Summer School entwickelten dazu ihre eigenen „Datenstories“ und ergänzten sie um Aspekte wie Gleichstellung, Kriminalität und Arbeitslosigkeit sowie geographische bzw. nationale Einflüsse. Je nach Fragestellung versuchten die internationalen Teams so den schwer fassbaren Begriff „Glück“ mit objektiv messbaren Daten zu beschreiben – um am Ende zu einer möglichst fairen Beurteilung von Daten zu kommen. Die Erfahrungen jedenfalls haben allen Beteiligten Lust auf die kommenden Summer Schools 2021 und 2022 gemacht – und auf das Thema Datenkompetenz.
Text: Yvonne Scheller

Kontakt

dalico.info

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