Corona

Wie läuft das Studium in Corona-Zeiten an unserer Fakultät?

In der dritten Woche nach Aussetzen des Präsenzlehrbetriebs gewöhnen sich sowohl Studierende als auch Professor*Innen und Dozent*Innen an die neue Situation. Sehr schnell wurden neue, digitale Lehrformate gefunden.

Die meisten Lehrenden arbeiten mit Zoom, MS Teams, Slack oder mit der Online-Plattform EMIL, die an der HAW ohnehin viel genutzt wird. Einige lehren auch mit Skype, Youtube, Webex, mit eigenen Skipten oder ganz anderen Tools. Dabei muss zwischen synchronen und asynchronen Formate unterschieden werden: In synchronen Formaten findet die Vorlesung „live“ im Internet statt, während asynchrone Formate zeitversetztes lehren und lernen erlauben.

„Die Gesamtsituation stellt für alle – sowohl die Lehrenden, als auch die Studierenden – eine große Herausforderung dar“, so Dr. Thomas Flower, der Dekan der Fakultät. „Vieles läuft noch nicht rund und an einigen Stellen müssen wir improvisieren. Doch alle bemühen sich sehr und ich bin guter Dinge.“

Lernen und lehren von zu Hause aus
Timo Schümmer studiert im sechsten Semester Regenerative Energiesysteme und Energiemanagement. Er hadert damit, ständig zu Hause zu sein: „Die Videokonferenzen geben uns einen einigermaßen strukturierten Tagesrhythmus und bringen uns den Lehrstoff wie in einer klassischen Vorlesung nahe.“ Jedoch sei das Arbeitsumfeld eines der größeren Probleme: „Die gewohnte Umgebung kombiniert mit dem ständigen Drinnenbleiben ist eher lernhindernd“, zieht Timo Schümmer Bilanz. Er sieht jedoch auch Vorteile: „Durch den Zwang dieser Maßnahmen sind meine Professoren nun alle digital unterwegs, was ich persönlich für ein großes Plus halte.“

Daniel Osterholz studiert Angewandte Informatik im vierten Semester und berichtet: „Ich habe mittlerweile an sechs Onlinevorlesungen teilgenommen, darunter welche in Teams und in Zoom. Meine Erfahrungen sind ausnahmslos positiv. Es gab bei einer Vorlesung kurz Probleme mit dem Ton, dies konnte aber von dem Lehrenden behoben werden. Praktikumsaufgaben habe ich noch nicht abgeben können im Onlineformat, bin aber auch hier guter Dinge.“

Auch Prof. Anna-Kerstin Usbeck, Prodekanin für Forschung, kann dem „Online-Frontal-Unterricht“ auch nicht nur Positives abgewinnen: „Ich sehe die Studierenden nicht, ich bewege mich nicht vom Schreibtisch, sondern sitze den ganzen Tag am Rechner. Kurz und gut: Online-Unterricht ist anstrengender, da Mimik und Gestik der Studierenden fehlen.“ Auch die fehlende Interaktion mit den Studierenden mache das Unterrichten schwerer: „Um nicht in einen Monolog zu verfallen, muss ich zusätzlich Zwischenfragen im Chat beachten. Man muss andere Formen der Rückkopplung finden, zum Beispiel über Umfragen über den Lernfortschritt und das Verständnis. Außerdem muss man die Chatleiste während des Unterrichts einbeziehen.“

Inwieweit der Online-Unterricht gut funktioniert, hängt sicher auch vom Studiengang ab. In Informatik-Studiengängen, die ohnehin viel mit Software zu tun haben, ist er möglicherweise einfacher umzusetzen, als in Studiengängen, die viel praktische Arbeit in Laboren erfordern. „Als Student in der Technischen Informatik ist die Situation nur bedingt einschränkend“, erzählt ein Student aus dem dritten Semester. „Wir als HAW haben ein Konzept mit der Prüfungsvorleistung geschaffen, welches Studenten bereits dazu zwingt, sich mit dem Stoff zu beschäftigen, bevor man die eigentliche Prüfung schreibt.“ Aufgrund dessen sei die aktuelle Situation für Informatik-Studierende nicht sonderlich anders: „Wir haben Praktika, die wir im Vorhinein vorbereiten müssen und die uns dazu zwingen, uns mit dem Stoff zu beschäftigen.“

Ein weiterer Student, der im Studiengang Informatik Technischer Systeme eingeschrieben ist, ist erstaunt darüber, wie gut das häusliche Lernen funktioniert und wie sehr die Vertreter der HAW bemüht sind, den Studierenden weiter ihr Wissen zu vermitteln. Probleme sieht er in der Vielfalt der Kanäle: „Gerne würde ich mir für die Zukunft mehr Standardisierung wünschen. Jeder Lehrende nutzt eigene Tools und es ist schwer den Überblick zu behalten.“ Auch habe er das Gefühl, dass das Lernen zu Hause länger dauern würde, als im Regelbetrieb. Dies könnte vielleicht auch an den neuen Kommunikationsstrukturen liegen. Prof Usbeck: „Die Studierenden müssen wissen, wo und wann der Unterricht stattfindet. Dazu gehört mehr Selbstorganisation, als einfach in den Vorlesungsraum zu betreten.“

Christopher Warsch studiert im siebten Semester Flugzeugbau mit dem Schwerpunkt Kabine und Kabinensysteme. Er fühlte sich zu Beginn des Semesters immer gut informiert durch Informationen des Präsidiums und den Departmentleitungen. Allerdings sei es für ihn ein Problem gewesen, als die Bibliothek schloss: „Da ich in den kommenden Monaten meine Bachelorarbeit schreiben werde, war für mich problematisch, dass die Bibliothek sehr kurzfristig geschlossen wurde. Auch hier wird jedoch versucht kurzfristige Lösungen für Studierende zu finden, indem zum Beispiel viele Bücher als E-Books bereitstehen. In solch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass wir alle zusammenhalten und versuchen das beste aus der Situation zu machen."

Kreative Masterstudierende der HAW forschen zu Hause
Dass es möglich ist, trotz Corona auch praktische Projekte umzusetzen, zeigt die Mastervorlesung „Angewandte industrielle Bilderverarbeitung“ von Prof. Jörg Dahlkemper aus dem Department Informations- und Elektrotechnik. Dort lernen die Studierenden, Computer Vision Systeme aufzubauen und zu analysieren. Diese werden in der automatisierten Qualitätskontrolle von Produkten eingesetzt. Ein zentraler Aspekt ist, die Leistungsfähigkeit von Kameras zu analysieren und zu bewerten. "Hierzu nutzen wir üblicherweise professionelle Industriekameras, aber die Messprinzipien lassen sich ebenso auf herkömmliche Webcams übertragen.“ erläutert Prof. Jörg Dahlkemper, Professor für Mess- und Sensortechnik. „Dank des Engagements der Studierenden entstehen nun 20 neue Messlabore in den heimischen Arbeitszimmern der Studierenden, die wir per Videokonferenz, Chat und Online-Aufgaben unterstützen." Auf diese Weise kann der Lehrbetrieb auch in Zeiten des Corona-Virus aufrechterhalten werden. Darüber hinaus wird eine unter diesen Umständen bestmögliche und eben HAW-typische praxisorientierte Wissensvermittlung sichergestellt.

Bachelorkolloquium aus dem Wohnheim
„Prof. Dragan Kozulovic und ich haben heute per Skype ein Bachelorkolloquium abgehalten, das schon vor Corona auf diesen Termin gelegt worden war“, erzählt Prof. Jan-Henning Lange, der am Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau lehrt. „Trotz der ungewohnten Rahmenbedingungen lief alles wie geplant und der Studierende hat sogar mit einem sehr anständigen Ergebnis abgeschlossen. Es handelt sich sicherlich um eines der ersten Kolloquien aller Zeiten, für das ein Kandidat bzw. eine Kandidatin das Zimmer im Wohnheim am Berliner Tor nicht verlassen musste.“ 

Auch, wenn noch nicht alles optimal läuft, versuchen alle, schnell und agil mit der neuen Situation umzugehen. „Unter großem persönlichen Einsatz wird der Lehrbetrieb fast ohne Einschränkungen weitergeführt“, sagt Dr. Thomas Flower. „Dennoch freuen wir uns, wenn der Campus bald wieder mit Leben gefüllt ist.“ 
(Tiziana Hiller, Öffentlichkeitsarbeit TI)

 

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