Wir kennen sie alle – Windenergieanagen, die uns grünen Strom für die Energiewende liefern. Wir sehen sie vor allem auf dem flachen Land, wo sie sich langsam und unermüdlich im Wind drehen. Doch auch auf dem Meer erzeugen Windräder Strom. Bei uns in Deutschland in der Nord- und Ostsee. So genannte Offshore-Windenergieanlagen arbeiten unter erschwerten Bedingungen, denn sie trotzen Seegang, Wind und Strömungen. In der neuen Vorlesung „Offshore Windtechnik“ von Prof. Dr. Vera Schorbach lernen Studierende im Bachelorstudiengang Maschinenbau und Produktion mit der Studienrichtung Energietechnik, wie derartige Anlagen konzipiert sein müssen, um nicht bei starkem Wind überbeansprucht zu werden oder gar umzufallen.
Die Nordsee ist als flaches Schelfmeer eigentlich optimal für die Offshore-Windtechnik geeignet. Eine Herausforderung stellt allerdings der sandige Grund des Meeres dar: „Wer als Kind im Sand gespielt hat, weiß, wie schwierig es ist, ein Stöckchen stabil in sandigen Untergrund zu stecken“, zieht Schorbach einen anschaulichen Vergleich. Wie bekommt man die riesigen Anlagen in 50 Metern Tiefe im sandigen Untergrund verankert?
Installationsschiffe würden den so genannten Monopile – ein riesiges Fundamentrohr – an die gewünschte Stelle auf dem Meer transportieren, erklärt Schorbach. Dieser Pfahl wird mit einem riesigen Hydraulikhammer etwa 2000 Schlägen in den Meeresboden gerammt, bevor auf ihm dann die Windenergieanlage errichtet wird und dort für die nächsten 25 Jahre stehen bleibt. Da der Lärm des Hammers Auswirkungen hat auf die Lebewesen im Meer, darf der Lärm nur maximal 90 Minutenandauern. Es muss also recht schnell gehen, was eine weitere Herausforderung darstellt.
„Meine Vorlesung ist schon theorielastig“, so Schorbach. Ihre Studierenden lernen, welche Kräfte wirken, wenn Wind und Wellen an einem Windrad zerren. Umso spannender sei für die rund 20 Teilnehmer*innen eine Exkursion zur Firma MENCK GmbH mit Sitz in Kaltenkirchen gewesen – einem weltweit führenden Hersteller für so genannte „Rammlösungen“. Hier sei alles riesengroß: „Es fällt einem die Kinnlade herunter, wenn man die Dimensionen in echt sieht“, so Schorbach. Denn der Monopile ist mit acht Metern etwas breiter als ein Fußballtor und mit einer Länge von 70 Metern etwa so breit wie ein Fußballfeld.
Ahmed Abohamar war einer der Teilnehmer der Exkursion. Er sagt: „Ich empfand den Besuch bei der Firma MENCK recht spannend. Er hat meinen Blick geschärft für den enormen Aufwand, der bei der Rammarbeit von Offshore-Windanlagen betrieben wird. Es wurde mir dadurch auch klar, wie realistisch die Pläne zur Energiewende im Offshore-Bereich wirklich sind."
Der Vortrag des Engineering-Leiters Dr. Bastian Drechsel hat den Teilnehmer*innen der Exkursion nämlich die Augen geöffnet. Denn er bezweifelt, dass die ambitionierten Ziele der Bundesregierung umsetzbar sind, in den kommenden sieben Jahren mindestens 30 Gigawatt-Leistung auf der Nord- und Ostsee installiert zu haben. Dies liegt unter anderem an den notwendigen Kapazitäten in der Service Branche zur Erstellung der Fundamente sowie an der Anzahl der benötigten Schiffe für die Installation. Außerdem gäbe es weltweit nur zwei Hersteller von Hydraulikhämmern– und auch Schmieden, welche die nötigen Bauteile herstellen, nur sehr wenige weltweit „Ich bin skeptisch, dass die Ziele der Bundesregierung umsetzbar sind“, so Drechsel.
Für Abohamar war außerdem spannend zu sehen, wie vielfältig die Arbeitsmöglichkeiten in der Windenergieindustrie sind. Er würde sich freuen, wenn mehr Exkursionen stattfinden würden: „Ich möchte hiermit an alle Professorinnen und Professoren an der HAW appellieren, die Initiative zu ergreifen und ähnliche Exkursionen anzubieten. Sie kann für viele Studierende eine große Orientierungshilfe sein. Oder die Inspiration, eine Karriere in einer Branche anzustreben, die sie sich vorher vielleicht nicht einmal vorgestellt haben.“
Text: Tiziana Hiller
Prof. Dr. Vera Schorbach
Department Maschinenbau und Produktion
Berliner Tor 11
20099 Hamburg
Raum 222