Liebe Frau Professorin Liubchenko, woher kommen Sie?
Ich komme aus Odesa (Одеса, Anm. d. Red). Auf Ukrainisch wird die Stadt nur mit einem „s“ geschrieben, das ist mir wichtig zu sagen, da das andere die russische Schreibweise ist. Odesa ist eine Millionenstadt am Schwarzen Meer und das administrative Zentrum der Oblast Odesa in der Ukraine. Die Stadt hat knapp über eine Million Einwohner*innen. Ich unterrichte als Professorin an der Odesa Polytechnic State University seit über 20 Jahren das Fach Software Engineering.
Wie geht es Ihnen gerade?
Ich fühle mich gerade sehr seltsam. Ich bin froh in der ruhigen und wunderschönen Stadt Hamburg zu sein. Gleichzeitig unterrichte ich weiterhin online meine Studierenden an der Universität. Einmal kam plötzlich ein Luftangriff, meine Studierende flüchteten in den Schutzraum. Ich wartete zirka 40 Minuten darauf, dass sie wieder zurückkommen und befürchte das Schlimmste. Gottseidank kamen alle zurück in den Chat. Nicht alle meine Studierenden sind noch in Odesa. Einige sind inzwischen in die Ostukraine oder nach Polen geflüchtet. Das alles gibt mir das Gefühl von Unstimmigkeit und innerer Spaltung. Es erscheint mir unwirklich und ich kann noch immer nicht glauben, was da passiert, auch nach sechs Wochen nicht.
Was ist mit Ihrer Familie?
Meine Mutter ist lange vor dem russischen Angriffskrieg gestorben. Ich bin fast froh darüber, denn sie hat den zweiten Weltkrieg erlebt und somit bleibt ihr diese Erfahrung gottseitdank erspart.
Wie kamen Sie an die HAW Hamburg?
Wir Geflüchteten sind auf Facebook organisiert. Dort hatte ich die Seite der HAW Hamburg gefunden und mich gleich per Mail beworben. Ich war vorher schon in Hamburg bei einer Bekannten untergekommen, daher war das für mich günstig. Prof. Petra Margaritoff schrieb mir gleich zurück und wir trafen uns daraufhin auf dem Campus in Bergedorf. Sie bot mir einen Lehrauftrag im Bereich Software Engineering an der Fakultät Life Sciences an, der in der darauffolgenden Woche, am 31. März, schon startete. Ich war vor dem Kurs ein wenig aufgeregt! Eine Präsentation der Kursinhalte und über mich hatte ich vorbereitet , rechnete aber mit vielen Fragen seitens der Studierenden.