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BLOCKCHAIN-Technologien helfen bei Überwachung von Lieferketten, Abwassernetzen und bieten großes Potenzial für die Industrie 4.0

HANSEBLOC und Smart Water Sense 4.0 sind nur zwei von insgesamt sechs Teilprojekten, mit denen sich das Blockchain-Team um Prof. Dr. Volker Skwarek befasst. Weitere Themen sind das Energiemanagement in Mikro-Grid-Systemen oder die Entwicklung eines digitalen Produktgedächtnisses für 3-D-gedruckte Produkte in Verbindung mit verteilter Software, sogenannte "smart contracts". Über allem steht die Manipulations- und Zugriffssicherheit der Prozesse. Ein Bericht über die Blockchain-Forschungspruppe an der HAW Hamburg. In der unten angekündigten Pressetour am 16. September wird das Thema weiter vertieft:

Gebäude vom Campus Bergedorf

Die Fakultät Life Sciences am Campus Bergedorf

Teambesprechung mit Dr. Volker Skwarek, Professor für Technische Informatik an der Fakultät Life Sciences der HAW Hamburg: Zehn wissenschaftliche Mitarbeiter sitzen im sogenannten Blockchain Labor an einem großen Tisch, jeder mit Laptop oder Tablet samt Tastatur vor sich. Schreibblock und Stifte sucht man in dem nüchternen Raum mit Monitoren, Platinenfräsen und 3-D-Drucker vergebens.

Auch der Professor hat nur sein Tablet dabei. Offenbar läuft hier alles digital. Erst werden die anstehenden Publikationen besprochen, dann geht es um die Forschungsprojekte. Allen voran „Hansebloc“ und die kniffelige Frage, wie man Daten aus der Umwelt über Sensoren mit einer Blockchain verbindet und weiterhin über „vertrauenswürdige Systeme“ sprechen kann.

Digitaler Frachtbrief soll fälschungssicher sein

Als alltäglicher Fall aus der Praxis dient zum Beispiel die lückenlose Überwachung einer Kühlkette beim Transport von verderblichen Lebensmitteln wie Milchprodukten. Das Ziel ist, den Frachtbrief zu digitalisieren,fälschungssicher mit dem Produkt zu koppeln und relevante Zusatzinformationen wie Temperatur oder Vibrationen aufzunehmen. Für die Transport- und Logistikbranche, wo sehr hoher Zeit- und auch Wettbewerbsdruck herrschen, hat das eine große Bedeutung. Schließlich soll der Austausch von Gütern möglichst störungsfrei ablaufen, zumal über Ländergrenzen hinweg.  

Derzeit liegen Transportdokumente und Zollformulare oft noch in Papierform vor oder sie werden per E-Mail und Cloud-Speicher ausgetauscht; auch Frachtbörsen gibt es für diesen Zweck. Aber es fehlt an einheitlichen Standards. Und wo verschiedene Software-Lösungen und Schnittstellen im Einsatz sind, da können Fehler passieren und Manipulationen leichter möglich sein. Dagegen hilft die Blockchain-Technologie, bei der es sich kurzum gesagt „um eine verteilte Datenstruktur in Form einer verketteten Liste handelt“, sagt Volker Skwarek, der an der HAW Hamburg die Forschergruppe Blockchain-Technologien leitet. „Über kryptografische Methoden wird zudem sichergestellt, dass Einträge nachträglich nur mit erheblichen Aufwand verändert werden können.“

„Blockchain“ ist vor allem durch Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt

Weil also Informationen – anders als bei einer zentralen Kommunikationsplattform – dezentral, in einem Netzwerk unter allen Teilnehmern verteilt, abgelegt werden, fallen Änderungen sofort auf. Sie sind deshalb nur im Konsens mit den anderen Teilnehmern dieses Netzwerkes möglich. Der Begriff „Blockchain“, in der Öffentlichkeit vor allem durch Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt geworden, ist genau genommen die Kurzform für „Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien“ (BC/DLT) , erläutert Skwarek. „Darunter versteht man ein Protokoll aus Verteilen und Verketten sowie Konsens über Transaktionen. Daten werden in Transaktionen verpackt, versendet und durch Verkettung untereinander gegen Manipulationen abgesichert.“ Das ermögliche eine hierarchiefreie, vertrauenswürdige, verteilte und asynchrone Kommunikation.

Für die Einbettung von Daten aus der realen Welt sind Sensoren notwendig

Für das Forschungsprojekt Hansebloc, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, haben sich verschiedene Universitäten, IT-Spezialisten und Logistikunternehmen zusammengeschlossen. Notwendige Voraussetzung war es erst einmal, die Prozesse zu analysieren, erklärt Julian Kakarott, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projektes. Auf diese Weise könne man herausfinden, wie sich der Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern elektronisch abwickeln lasse. Der nächste Schritt ist dahin zu kommen, Daten aus der realen Welt in die Blockchain einzubetten. Dafür müssen Sensoren gebaut werden, die beispielsweise Temperatur und Gewicht der Ware messen und regelmäßig Standortdaten in den Datensatz der Blockchain einspeisen. Die gewünschten Informationen müssen demnach in ein elektronisches Format gebracht und in Echtzeit hochgeladen werden.

Das sogenannte "Hamburger Ei"

Wie so ein Sensor aussehen kann, erläutert Sascha Kaven am Beispiel eines anderes Teilprojektes der Blockchain-Forschungsgruppe, bei dem es um das Abwassernetz geht. Der wissenschaftliche Mitarbeiter hält eine weiße Kunststoff-Kugel hoch: „Das ist das sogenannte Hamburger Ei“. Er schraubt den Deckel ab und holt den Sensor heraus, eine runde Scheibe, etwas größer als ein Zwei-Euro-Stück. Gerade, als er beginnt, dessen Komponenten wie Mikrochip und Kommunikationschnittstellen zu erläutern, fährt ihm der durchdringende Ton der Sirene der Fakultät am Campus Bergedorf ins Wort.

„Feueralarm“, sagt Professor Skwarek. „Klingt nicht nach einer Übung.“ Ohne Hast erheben sich alle von ihren Plätzen, klappen ihr digitales Werkzeug zusammen, klemmen es unter den Arm und verlassen erstaunlich ruhig und diszipliniert den Raum. Der Weg zu den Notausgängen ist bekannt und sie liegen nicht weit entfernt. Inzwischen wird über Lautsprecher zum Verlassen des Gebäudes aufgerufen, und überall sieht man Studierende und Lehrkräften nach draußen strömen. Professor Skwareks Gruppe sammelt sich auf dem Parkplatz und setzt die Teambesprechung fort, ohne auch nur ein Wort über den möglichen Grund des Alarms zu verlieren. Und das, obwohl Feuerwehr und Polizei angerückt sind und ihren Einsatz beginnen. Die kühlen Windböen, die über den Parkplatz fegen, scheinen die Blockchain-Spezialisten auch nicht zu stören.

Der Sensor sammelt im Hamburger Abwasser  Daten über Temperatur, Füllstand oder Schadstoffe

„Das Hamburger Ei muss nach ATEX zertifiziert sein“, fährt Sascha Kaven fort, um den Faden wieder aufzunehmen. Das heißt, es darf auch bei Kontakt mit Faulgasen nicht explosionsgefährdet sein. Für das Projekt „Water Grid Sense 4.0“ soll der Sensor im Abwasser der Hansestadt Daten wie Temperatur, Füllstand der Rohre, Leitfähigkeit und mögliche Fremdeinleitungen, also Schadstoffe, messen. Hinter diesem ebenfalls vom BMBF geförderten Projekt steht die Notwendigkeit der Kanalnetzbetreiber im In- und Ausland, mehr Informationen über den Zustand der Leitungen zu erhalten. Da eine flächendeckende Online-Überwachung technisch nicht umsetzbar und obendrein zu teuer wäre, soll das Netz samt seiner Zuläufe von Oberflächenwasser mit Hilfe verteilter Sensoren und skalierbarer Datenverarbeitung überwacht werden. Das dient nicht nur der Optimierung von Betrieb und Wartung, sondern auch der Vorsorge. So könnten die Betreiber bei angekündigten Starkregenfällen Teile des Abwassernetzes leer pumpen, um zu vermeiden, dass Mischwasser aus der Kanalisation in Gewässer überläuft.  

Sechs Projekte zur Blockchain-Technologie an der HAW Hamburg

Hansebloc und Smart Water Sense 4.0 sind nur zwei von insgesamt sechs Teilprojekten. Weitere Themen sind beispielsweise Energiemanagement in Mikro-Grid-Systemen, also Nahversorgungsnetzen oder die Entwicklung eines digitalen Produktgedächtnisses für 3-D-gedruckte Produkte in Verbindung mit verteilter Software. Über allem steht die Manipulations- und Zugriffssicherheit der Prozesse. Mit der dafür notwendigen Grundlagenforschung befasst sich Katharina Zeuch aus dem Hansebloc-Team. "Wir versuchen mit Blockchain-Prinzipien die Kommunikationssicherheit in drahtlosen Sensornetzwerken zu erhöhen.“ Das gilt etwa für die Kommunikation zwischen den Sensoren an Frachtstücken, sowohl untereinander als auch mit dem digitalen Frachtbrief oder für ein Netzwerk der „Hamburger Eier“, deren Sensoren drahtlos miteinander im Kontakt stehen.

Ausblick

Obwohl die Blockchain-Technologie noch sehr jung ist, steckt in ihr ein riesiges Potenzial, vor allem für die Automatisierung und Digitalisierung im Zusammenhang mit Industrie 4.0. Was da alles möglich ist, hat Skwarek gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Universität Würzburg in einer Anfang 2019 veröffentlichten Studie für den Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) dargelegt. Besonders heben die Autoren die selbstorganisierende adaptive Logistik (SAL) hervor, bei der autonom agierende Fahrzeuge Teilerzeugnisse zwischen Produktionsstrecken transportieren und auch die Endprodukte zu den Kunden. Die Teambesprechung auf dem Parkplatz geht zu Ende, Feuerwehr und Polizei rücken wieder ab. Zum Glück war es ein Fehlalarm.

(Autorin: Wissenschaftsjournalistin Monika Rößiger)

 

Kontakt

Fakultät Life Sciences
Department Wirtschaftsingenieurwesen
Prof. Dr.-Ing. Volker Skwarek
Professor für Technische Informatik
Tel. 040.42875-6435
volker.skwarek( (at) )haw-hamburg (dot) de

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