013-Produk­tion

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In unseren Podcasts fallen immer wieder Begriffe, die vielen Menschen in der heutigen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft nicht geläufig sind. Auch stellen wir hochschulseitig immer wieder fest, dass Wörter wie „Produktion“ und „Fertigung“ bei den Schülerinnen und Schülern, also unseren potentiellen Bewerber*innen auf Studienplätze nicht bekannt sind. Was ist das also -Produktion? Was verbirgt sich hinter dem Begriff Fertigungstechnik?
Das Wort „Produktion“ leitet sich aus den lateinschen Wörtern „pro“ und „ducere“ ab, etwas „vor- oder vorwärts führen“, etwas freier übersetzt vielleicht „etwas voran bringen“. Produktion bringt also etwas auf eine neue Stufe und das verdeutlicht es vielleicht ganz gut, dass in der Produktion von Wirtschaftsgütern etwas einen neuen bzw. einen größeren Wert erhält. Die Produktionstechnik – und damit kommen wir dann schon in den Bereich des Maschinenbaus – fasst alle Aktivitäten sowie Maschinen, Anlagen und Einrichtungen zur Herstellung industrieller Güter zusammen. Die Konstruktion, das Design und die Entwicklung von Produkten bilden die der Produktion vorangehenden Schritte in der Prozesskette der Wertschöpfung. Dabei untergliedert sich die Produktionstechnik in die Energietechnik, die Verfahrenstechnik und die Fertigungstechnik. Die Energietechnik befasst sich interdisziplinär mit allen Themen rund um die Energieerzeugung, -wandlung und -nutzung und spielt in den aktuellen Diskussionen um den Klimaschutz eine bedeutende Rolle. Die Verfahrenstechnik stellt in diesem Zusammenhang die erste Stufe der Produktion dar, in der Stoffe, d.h. Rohmaterialien, mit nicht genau definierter Form hergestellt werden. An die Verfahrenstechnik schließt die Fertigungstechnik an, die als Ziel die Herstellung fester Körper mit geometrisch bestimmter Form hat. Somit würde man natürlich die Herstellung und Verarbeitung von Flüssigkeiten und Gasen, d.h. Getränken, Kraftstoffen, Cremes,… der Verfahrenstechnik zuordnen.
Die Produktion von industriellen Gütern ist für viele Menschen inzwischen gar nicht mehr so im Blickfeld, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Etwa drei Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland sind im Bereich von Dienstleistungen und dem öffentlichen Dienst beschäftigt. Vielen fehlt aus dem persönlichen Umfeld heraus inzwischen der Blick auf die Produktion, die Herstellung und die Fertigung von Dingen, die uns im Alltag umgeben. Und selbst für die Schülerinnen und Schüler sind deren Eltern, die in produzierenden Unternehmen z.B. als Ingenieure arbeiten, inzwischen häufig mit digitaler Kommunikation und Tools beschäftigt, so dass das eigentliche Produkt dahinter immer weniger sichtbar wird. Aber das schönste CAD-Modell fliegt nicht, fährt nicht, man kann sich nicht hineinsetzen und keine Creme oder Lebensmittel hineintun. Diese physische Präsenz der Produkte – und damit auch der uns umgebenden Alltagsgegenstände, die wir tagtäglich gebrauchen – wird erst durch die Produktionstechnik und im speziellen durch die Fertigungstechnik real. Jede virtuelle, digitale und smarte Anwendung ist toll und erleichtert das Leben – wobei man sich schon manchmal fragen muss, ob auf dem Heimweg aus dem Urlaub die Heizung schon zu Beginn der Rückfahrt angeschaltet werden muss. Aber die reale Funktion wird durch physische feste Gegenstände bestimmter Geometrie ausgeführt und diese werden mit Hilfe der Fertigungstechnik hergestellt. Das ferngesteuerte Garagentor fährt hoch, weil dort ein Motor ein Getriebe und darüber eine Hebeeinrichtung antreibt. Die Digitalisierung hilft nur, dass ich persönlich nicht mehr direkt danebenstehen muss.
So spielt also die Produktion von industriellen Gütern eine entscheidende Rolle – für viele nicht mehr sichtbar, aber ohne Produktion keine Smartphones, keine Computer, keine Bildschirme, keine Elektroautos, keine S-Bahn, kein Fahrrad, keine Bücher, keine Möbel, keine Verpackungen, keine Bekleidung, keine landwirtschaftlichen Maschinen, keine Münzen. Und die Fertigungstechnik als Teil der Produktionstechnik erklärt uns, mit welchen Verfahren Dinge hergestellt werden können, sei es durch Gießen, Walzen, Biegen, Tiefziehen, Schmieden, Drehen, Bohren, Fräsen, im 3D-Druck, durch Fügeverfahren, Schweißen oder auch beschichtet, damit es gut aussieht oder nicht so schnell verschleißt. Tatsächlich sind es am Ende die fertigungstechnischen Verfahren, die das Produkt zu dem machen, was wir später nutzen und vielleicht sogar gerne ansehen.
Die Fertigungstechnik ist folglich der eigentliche Schlüssel zur Wertschöpfung und Schaffung neuer Werte.
Ich bin mit Leidenschaft Produktions- bzw. Fertigungstechniker, weil ich Freude daran habe, wie Produkte hergestellt werden, z.B. wie durch Schmieden aus einem Metallrohling ein neues Werkstück entsteht, vielleicht auch ein Teil meines Faltrades, mit dem ich so gerne durch Hamburg fahre. Ich bin aber auch deshalb so gerne in der Produktionstechnik, weil bei der Fertigung von Produkten viele Fähigkeiten und Kompetenzen zusammenkommen müssen, damit es funktioniert. Das Sozialsystem Fabrik, die Interaktion von Menschen im Sinne eines gemeinsamen Ziels hat mich immer fasziniert, egal ob Flugzeuge am Ende aus Halle fahren oder Kartons voll mit Gummibärchen. Aber da kämen wir weg von der reinen Technik und hin zu Managementmethoden und vielleicht ein wenig zu einer alten Konkurrenz zwischen Produktionstechnik und -management. Wer ist nun wirklich der entscheidende Faktor auf dem Weg zum fertigen Produkt, das ein Kunde kaufen möchte? Ich glaube, es geht nur zusammen – ich kümmere mich derweil trotz allem lieber um die Späne beim Fräsen und den Werkzeugverschleiß beim Schmieden. Das ist meine Welt – und für die Schülerinnen und Schüler: es könnte auch eure werden!

geschrieben von Prof. Enno Stöver
eingesprochen von Prof. Enno Stöver