„Menschen wünschen Führung“


 

„Motivierte und engagierte Mitarbeitende sind das Resultat einer Führung, die auf Integrität und Vertrauen basiert.“

 

Diplom-Psychologe und Buchautor Claus Peter Müller-Thurau erklärt, warum sein Seminar „Praktische Psychologie für Führungskräfte der Öffentlichen Verwaltung“ Vorgesetzten hilft, ihre Mitarbeiter besser zu verstehen – und so für sich und die Ziele ihres Unternehmens zu begeistern.

Herr Müller-Thurau, warum brauchen Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung psychologisches Hintergrundwissen?

Generell sollte jede Führungskraft psychologisch geschult sein, egal, ob sie in einem Unternehmen der freien Marktwirtschaft oder eben, wie in unserem Fall, in einer Behörde arbeitet. Im Prinzip geht es bei Führung immer um eine Frage: Wie kann ich mein Team für mich und die Organisationsziele gewinnen?

Welche Führungskompetenzen sind speziell in der öffentlichen Verwaltung gefragt?

Hier gelten die gleichen Prinzipien wie in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen. Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es Reibung und Reibungsverluste. Als Führungskraft brauche ich daher grundlegende Kenntnisse über die Ursachen menschlichen Verhaltens, über gruppendynamische Phänomene und Prozesse, die ein Team insgesamt oder einzelne Mitarbeiter beflügeln oder lähmen können.

Was genau nehmen die Teilnehmer an Wissen mit nach den fünf Tagen?

Ich vermittle ihnen das wichtigste Grundlagenwissen rund um die Themen Führung, Kommunikation, Motivation und Zusammenarbeit. Aber auch bewährtes Methodenwissen für den direkten Einsatz in der täglichen Praxis. Am Ende werden sie um viele Erkenntnisse reicher sein – vor allem verinnerlicht haben, dass Mitarbeitende im Falle einer Kündigung nicht ihre Organisation verlassen, sondern ihre Vorgesetzten. Das dürfte vielen zu denken geben und deren Führungsverhalten hoffentlich in positiver Weise verändern.

Immer ist die Rede vom „War for Talents“, also dem Kampf um die besten Köpfe. Gilt das auch für die öffentliche Verwaltung?

Auf jeden Fall. Gerade staatliche Stellen sind heute mehr denn je auf motivierte, gut ausgebildete Mitarbeiter angewiesen, um jetzt und in Zukunft ihre komplexen Aufgaben erfüllen zu können. Es wird aber immer schwieriger, diese Köpfe zu finden. Eine Gallup-Studie führte zur erschreckenden Erkenntnis, dass sich nur 15 Prozent aller Angestellten mit ihren Unternehmen identifizieren und mit dem Herzen dabei sind. Weitere 15 Prozent sind auf dem Absprung, also haben innerlich bereits gekündigt. Gut die Hälfte macht Dienst nach Vorschrift, arbeitet sein Pensum stumpf ab und bringt keine neuen Ideen ein. Vielen Unternehmen bzw. Organisationen gelingt es einfach nicht, Mitarbeitende an sich emotional zu binden. Und hier ist Führung gefragt.

Was sind die größten Fehler, die Führungskräfte machen können?

Vorgesetzte wurden meist wegen ihrer fachlichen Kompetenz befördert, haben aber kein Führungswissen. Woher auch, dafür gibt es Seminare wie dieses (lacht). Sie agieren nach eigenen Regeln und Gutdünken. Sie besetzen offene Stellen mit Menschen, die ihnen vom Wesen und der Einstellung her ähneln, also nach dem Prinzip „Pinguine suchen Pinguine“. Das ist zutiefst menschlich, aber oft kontraproduktiv für die Organisation, weil keine neuen Impulse in das Team hineingetragen werden.

Was demotiviert Mitarbeiter besonders?

Ein autoritärer Führungsstil ist ein absoluter Motivationskiller.

In vielen öffentlichen Unternehmen herrscht noch ein geradezu machiavellistisches Machtverhalten. Wer Mitglieder seines Teams schikaniert, um seine Autorität zu demonstrieren, verliert sie. Intrigen und Mobbing vergiften oft auch das Klima innerhalb des Teams und führen bei vielen Mitarbeitenden zur inneren Isolation. Von diesen Menschen kann ich keine großen Leistungen erwarten. All diese Unterströmungen in der Gruppendynamik sollten gute Führungskräfte erkennen und entsprechend handeln.

Wie genau sehen die Prinzipien guter Führung aus?

Generell gilt: Nur, wer die Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste der Menschen in sozialen Gefügen – also auch am Arbeitsplatz – kennt und steuern kann, wird die Ziele seiner Organisation erreichen und deshalb hängen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens mit der Führungskompetenz zusammen. Eine gute Führung beginnt also immer mit dem Verständnis für das, was Menschen bewegt, motiviert oder demotiviert. Anders gesagt: Man kann nicht von einem falschen Menschenbild ausgehen und auch noch erfolgreich sein wollen.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Gern. Die junge Generation etwa folgt einem anderen Wertekanon als die ihrer Eltern. Großunternehmen, die früher den War for Talents mit hohen Gehältern und prestigeträchtigen Statussymbolen wie Chefbüro und dickem Dienstwagen gewonnen haben, müssen umdenken. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Bei vielen jungen, gut ausgebildeten Menschen stehen heute Themen wie Compliance, Fairtrade oder Umweltethik hoch im Kurs. Sie wollen wissen, für wen sie arbeiten und warum. Die Frage nach dem Gehalt ist nicht unwichtig, aber der Nachwuchs erwartet Sinnhaftigkeit und Autonomie. Wer die Generation Y oder Z gewinnen möchte, muss die Frage nach dem Warum glaubwürdig beantworten und Kontrolle durch Vertrauen ersetzen, ohne deshalb naiv zu sein.

Was genau müssen Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeiter von sich zu überzeugen?

Sie müssen deren ‘Positives Psychologisches Kapital‘ erhöhen und dazu gehören Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstwirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz. Das wird von den Mitarbeitenden mit Akzeptanz und Loyalität belohnt. Nichts kann einen Menschen mehr stärken, als das Vertrauen, das man ihm entgegenbringt. Aber dazu gehört auch Mut und wenn jemand Mist baut, kann man sich nicht damit 'rausreden, man habe ihm ja vertraut, sondern dann muss man als Führungskraft nach oben den eigenen Kopf hinhalten. Mitarbeitende haben ein feines Gespür dafür, ob ein Vorgesetzter jemanden wegen eines Fehlers im Regen stehen lässt oder sich schützend vor ihn stellt. 

Kommen wir noch einmal auf das Menschenbild der Führungskraft zurück. Wie sollte das Ihrer Meinung nach aussehen, um das Team hinter sich zu wissen?

Vertrauen ist der Schlüssel, um die Menschen für sich einzunehmen und auf das gemeinsame Ziel einzuschwören. Vertrauen reduziert die Komplexität der Welt und erspart Kontrollkosten. Wir müssen einander täglich vertrauen, sonst kämen wir zu nichts. Wer nach der Devise "alles über meinen Tisch" verfährt, riskiert innere Kündigungen und versäumt es, Prioritäten zu setzen. Kontrolle ist oft die sichtbare Form des Misstrauens. Erst ein positives Menschenbild befähigt einen Vorgesetzten, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der langen Leine zu lassen.

Wie kann ich sicher, dass sie das Vertrauen nicht missbrauchen?

Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich nie. Wir sollten uns die Welt nicht schönreden, Menschen sind nicht immer so, wie sie sein sollten. Vertrauen ist daher eine riskante Vorleistung. Doch gute Führungskräfte können dieses Risiko halbwegs angemessen einschätzen und als Vertrauensgeber verantwortungsbewusst handeln ­– auch im Interesse der Vertrauensnehmer.

Ein wesentlicher Bestandteil Ihres Seminars ist die Persönlichkeits-Psychologie. Muss die Führungskraft also jeden einzelnen Mitarbeiter genau kennen, um ihn zielgenau motivieren zu können?

In gewisser Weise ja. Es gibt hier drei psychologische Grundsätze:

Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht wie alle anderen Menschen. Das bezieht sich zum Beispiel auf die generellen Bedürfnisse nach Sicherheit oder Geborgenheit in der Gemeinschaft. Dafür sorge ich, indem ich ein gutes Miteinander im Team schaffe. Kommen wir zur zweiten Regel, die lautet: Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht wie viele andere Menschen. Das betrifft Fragen der Sozialisation bzw. kulturellen Prägungen. Wer in der Lüneburger Heide aufwuchs, tickt anders, als ein Mensch aus Shanghai oder New York. Hier muss ich als Führungskraft über interkulturelle Kompetenzen verfügen, um Mitarbeitende mit Migrationshintergrund angemessen zu führen.

Und wie lautet der dritte Grundsatz?

Jeder Mensch ist wie kein anderer Mensch. Hier kommen wir zum spannenden Feld der Persönlichkeitspsychologie, die Mitarbeitende als einmalige und einzigartige Individuen begreift, die sie ja auch sind. Als gute Führungskraft sollte ich also wissen, wo die besonderen Stärken und Schwächen, die Sehnsüchte und Sorgen jedes Teammitglieds liegen, um alle auf meinem Weg mitzunehmen.

Zur Person:

Claus Peter Müller-Thurau ist Diplom Psychologe, Personalentwickler und Personalberater, war viele Jahre als Geschäftsführer der Selecteam Gesellschaft für Personal- und Unternehmensberatung mbH für große Unternehmen im Einsatz. Er lehrt an der Fachhochschule Wedel und an der FOM – eufom Hochschule für Ökonomie und Management Hamburg in den Modulen Grundlagen der Psychologie, Wirtschaftspsychologie und Human Resources. Müller-Thurau ist darüber hinaus erfolgreicher Autor vieler Bücher, die sich mit den Human Resources beschäftigen.

Ausführliche Informationen zum Seminar Praktische Psychologie für Führungskräfte der Öffentlichen Verwaltung  und die Anmeldung finden Sie hier.......