„Prozess- und Projektmanagement – Instrumente für eine erfolgreiche und agile Verwaltung“


 

 

 

Gesellschaftliche und technologische Veränderungen beeinflussen staatliche Einrichtungen ebenso wie die Privatwirtschaft und verändern auch Anforderungen an Führungskräfte. Wie kann Führung unter zunehmend schwierigen Rahmenbedingungen gelingen? Was sind Parameter für gelingende Führung? Und welche Ressourcen werden benötigt, um die Anforderungen eines modernen Führungsalltags zu bewältigen? Ralf Warnholtz ist Referent in der Qualifizierung „Führungskompetenz für den Öffentlichen Dienst“. 

Herr Warnholtz, Sie leiten das Modul „Projekt- und Prozessmanagement“ im Rahmen des Weiterbildungsprogramms „Führungskompetenz für den Öffentlichen Dienst“. Welche Zielgruppe sprechen Sie an?

Ich wende mich an Führungskräfte, die neue Ressourcen entdecken und Führungshandeln nachhaltig verändern wollen. Mit der digitalen Transformation der Gesellschaft verändert sich nicht nur das Leben jedes Einzelnen. Bürgerinnen, Bürger sowie Unternehmen erwarten auch vom öffentlichen Sektor, dass die Realität der digitalen Welt auch in die Welt der Behörden Einzug findet.

Wie sieht es denn in der Realität aus?

Faxgeräte im Gesundheitsamt, schlechte Erreichbarkeit von Mitarbeiter*innen im Lockdown und veraltete Technik sind nur drei Beispiele dafür, dass Behörden in diesem Bereich vielerorts noch in den Kinderschuhen stecken. Dazu kommen endlos lange Wartezeiten für einen Termin im Amt, oder Krisenstäbe, die zwischen Freitag 13:00 Uhr und Montagmorgen wegen Dienstschluss und Wochenende nicht gearbeitet haben. Diese Beispiele zeigen eine weitere weitreichende kulturelle Herausforderung auf. Kunden- und Serviceorientierung wird in Verwaltungen nach wie vor oft sehr klein geschrieben.

Warum stehen viele Mitarbeiter in Behörden neuen Entwicklungen so skeptisch gegenüber?

Arbeiten im öffentlichen Sektor bedeutet arbeiten in einem stabilen Umfeld, das nicht so sehr von den wirtschaftlichen Schwankungen des freien Marktes abhängt. So ein kulturelles Umfeld schafft Sicherheit, weil es auf stabilen Strukturen und Regeln beruht. Jeder Mitarbeiter oder jede Mitarbeiterin weiß morgens, was auf sie oder ihn zukommt. Mit vielen Veränderungen im täglichen Tun ist nicht zu rechnen, weil Gesetzte oder Verordnungen ein lange Halbwertzeit haben. Überraschungen im Arbeitsalltag sind sehr selten.

Fazit: Aufgabe für Führungskräfte ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen, da ihnen der Nutzen und der Mehrwert in digitalisierten und automatisierten Prozessen zu arbeiten bewusst und transparent geworden ist.   

Im Jahr 2017 hat das Bundesministerium der Justiz das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz - OZG) verabschiedet. Demzufolge sollen bis Ende 2022 550 Verwaltungsleistungen von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen digital beantragt werden. Wie sieht es damit aus?

Das Ziel, bis zum Jahresende fertig zu werden, wird nicht erreicht. Darum befindet sich gerade ein OZG 2.0 in der Entwicklung. Digital beantragen bedeutet, du und ich können von zu Hause aus Anträge stellen und über das Internet die Anträge an die Behörden senden.

Dort wartet die nächste Aufgabe. Die Anträge müssen weiter bearbeitet und manuell oder mit den dort eingesetzten Fachanwendungen verbunden werden. Aber das geschieht deutlich langsamer und später als vorgesehen.

Die Industrie und die Wirtschaft hatten zehn Jahre Zeit, sich auf diese Veränderung einzustellen, der Öffentliche Dienst hat sich nicht darauf eingestellt - den trifft es jetzt doppelt hart und schnell. Hypothese: Die Notwendigkeit von OZG 2.0 ist ein Symptom dafür, dass es keine ausreichende Kernkompetenz der Verwaltungen ist, prozessorientiert zu denken und zu handeln.

Was folgt daraus?

Alles das, was in den Behörden sicher und stabil war, wird auf den Kopf gestellt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen umfangreiche Veränderungen bevor. Ich spreche von den Menschen, die in der Verwaltung arbeiten wollten, weil sie Stabilität, Sicherheit und wenig Veränderung schätzen. Das bedeutet im Kern: Die überwiegende Anzahl von Prozessen in den Behörden muss vor der Digitalisierung und Automatisierung erst einmal analysiert und optimiert werden. Ich vermittele Führungskräften daher ein Grundverständnis für die  Themenwelt des Prozessmanagements. Sie sollten in der Lage sein, dieses Wissen und den damit verbundenen Nutzen an ihre Mitarbeiter*innen weiterzugeben. Ferner sollten sie in Gesprächen mit Beratungsunternehmen auf Augenhöhe kommunizieren, priorisieren und Entscheidungen treffen können. Alle Prozessuntersuchungen oder Prozessoptimierungen werden mit einer Projektorganisation geplant und umgesetzt. Auch dieses auf Veränderung ausgelegte Vorgehen und die damit verbundenen Methoden und Kompetenzen gehören nicht zum Tagesgeschäft bzw. in die Toolbox der Führungskräfte. Wie beim Prozessmanagement sollte auch das Wissen rund um das Projektmanagement bei Führungskräften vorhanden sein.

Immer wieder ist die Rede von agilen Management-Methoden. Was hat es damit auf sich? 

Agile Führungsansätze kommen aus der Softwareentwicklung und wurden in  Prozess- und Projektmanagementumfelder adaptiert. Für das agile Vorgehen in der Arbeitswelt muss bei den Führungskräften vor allem das dafür notwendige „Mindset“ von Führungskräften entwickelt werden. Es geht um Teamarbeit und „Empowerment“, um Kommunikation auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern. Es geht auch darum, gemeinsame Entscheidungen mit den Mitarbeitern zu treffen und in die Verantwortung zu gehen. Agilität beschreibt dabei eine Vorgehensweise, in der man iterativ Dinge anpasst, reflektiert, verbessert und die Arbeitsweise hinterfragt – damit die Mitarbeiter*innen ebenso wie die Bürger*innen zufrieden sind. Dieser Ansatz, diese Haltung und die dazu gehörige Führungsrolle ist in Verwaltungen und Behörden bei weitem nicht so ausgeprägt wie in anderen Unternehmen.

Konkret bedeutet dieses Vorgehen einen fundamentalen Wandel zum klassischen Führungsverständnis. Agile Leadership im Prozess- und Projektmanagement sind mit neuen Führungsrollen – etwa laterale Führung, Product Owner, Scrum Master – und mit neuen Arbeitsweisen und Methoden verbunden, die auf einer anderen Haltung und anderen Werten beruhen. Es wird lange dauern, bis sich diese Führungsmethoden im Öffentlichen Dienst etabliert haben werden. Wir tragen hoffentlich dazu bei, diese Entwicklung zu beschleunigen...

Zur Person:

Ralf Warnholtz leitet in einer Tandemfunktion das Kompetenzteam Prozessmanagement bei Dataport AöR in Hamburg. Er hat eine hohe Expertise in Projekten/Programmen als Managementberater (in öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft), im strategischen und operativen Geschäftsprozessmanagement, Programm-, Multiprogramm- und Projektmanagement.

In der Qualifizierung Führungskompetenz für den Öffentlichen Dienst lehrt er das Modul „Prozess- und Projektmanagement – Instrumente für eine erfolgreiche und agile Verwaltung“.

Ausführliche Informationen zur Qualifizierung Führungskompetenz für den Öffentlichen Dienst finden Sie hier.......