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Forschungsprojekt „Ukraine-Nature“

Ausmaß der Kriegsschäden in ökologischen Schutzgebieten

Seit dem Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine im Februar 2022 hat sich die Aufmerksamkeit der Welt auf die schwer unter Beschuss geratenen Städte des Landes fokussiert. Doch die Ukraine beherbergt auch lebendige Feuchtgebiete und Wälder sowie eine große Fläche unberührter Steppe. Am Forschungs- und Transferzentrums "Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement" (FTZ-NK) an der Fakultät Life Sciences wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Leal und Dr. Maria Fedoruk das Forschungsprojekt „Ukraine-Nature“ initiiert.

Wald mit Rauchschwaden über den Bäumen

Rund 46 Prozent des 11.000 Hektar großen Hetmanskyi-Nationalparks, der unter russischer Besatzung stand, wurden schwer beschädigt, u.a. durch Brandlegung und Explosionen.

Ziel des Projekts Ukraine-Nature ist die Untersuchung und Erstellung eines Profils der Schäden an Naturschutzgebieten (z.B. Nationalparks, biologische Reservate) und der natürlichen Ressourcen zu erforschen, ein Profil der Schäden zu erstellen sowie das Ausmaß der Schäden zu kartieren. Die Ergebnisse wurden am 12. Februar 2024 vorgestellt.

Prof. Dr. Leal, Dr. Fedoruk, Sie haben fast eineinhalb Jahre zu den Folgen des Krieges in der Ukraine für die Natur – und damit auch für die Menschen und Tiere, die in ihr und von ihr leben, – geforscht. Welches sind die zentralen Forschungsergebnisse?
Wir haben uns bei unserer Forschungsarbeit auf die vier Gebiete Nationalpark Holosiivskyi, Nationalpark Desniansko-Starohutskyi, Strahlungs- und ökologisches Biosphärenreservat Tschernobyl und Hetmanskyi-Nationalpark fokussiert. Während unserer Forschungen wurde festgestellt, dass wertvolle Lebensräume in den vier untersuchten Schutzgebieten, die zum Smaragd-Netzwerk gehören – einem ökologischen Netzwerk aus Gebieten von besonderem Schutzinteresse –, gefährdet sind durch: Besetzung und Minengefahr, Brände durch Beschuss und Brandlegung durch russische Truppen, Bodenkämpfe und bewaffnete Zusammenstöße, Gewalt aus der Ferne, wie Explosionen und Beschuss, Verlagerung von Militärfahrzeugen und -maschinen sowie deren Wartung und Reparatur.

Das verminte Gebiet der vier untersuchten Schutzgebiete ist inzwischen doppelt so groß wie die Stadt Berlin. Ein bedeutender Teil des Tschernobyl-Schutzgebiets ist durch Minen verseucht. Außerdem wurden etwa 40 Prozent des Gebiets durch Brände beschädigt.

Das verminte Gebiet der vier untersuchten Schutzgebiete ist inzwischen doppelt so groß wie die Stadt Berlin. Ein bedeutender Teil des Tschernobyl-Schutzgebiets ist durch Minen verseucht. Außerdem wurden etwa 40 Prozent des Gebiets durch Brände beschädigt

Prof. Dr. Walter Leal

Auch rund 46 Prozent des 11.000 Hektar großen Hetmanskyi-Nationalparks, der unter russischer Besatzung stand, wurden schwer beschädigt. Im Desniansko-Starohutskyi-Nationalpark wurden im Mai 2023 rund 940 Hektar von insgesamt 16.214 Hektar durch Feuer nahe der russischen Grenze zerstört. Laut dem offiziellen Geoportal des Staatlichen Katastrophenschutzes der Ukraine sind etwa 98 Prozent des Gebietes als potenziell minenverseucht eingestuft. Die Untersuchungsgebiete der Nationalparks Desniansko-Starohutskyi, Hetmanskyi und Holosiivskyi sind von den Auswirkungen des direkten Artilleriebeschusses mit hochexplosiven Granaten und Splittergranaten mit einem Gewicht von 6,5 bis 43,56 Kilogramm gekennzeichnet.

Welche Handlungsempfehlungen können Sie an die Politik geben?
Eine der wichtigsten Empfehlungen an die Politik wäre, die rechtliche Verantwortlichkeit für Umwelt-Kriegsverbrechen zu gewährleisten und natürlich die Bemühungen zur Beendigung des Krieges zu intensivieren. Im Moment können wir angesichts des eingeschränkten Zugangs zu den Gebieten aufgrund der Minen und der Bombardierungen nur eine ständige Überwachung und Bewertung der durch den Krieg verursachten Umweltschäden durchführen. Die folgenden Empfehlungen sind erst möglich, wenn alle militärischen Aktionen eingestellt wurden:

  • Entminung und Minenräumung
  • Beseitigung militärischer Abfälle durch spezialisierte Organisationen und militärisches Personal
  • Biologische Behandlung und Biosanierung
  • Chemische Behandlung von Wasserreservoiren
  • Physikalische Behandlungen von Böden und Landschaften
  • Renaturierung
  • Auflockerung verdichteter Böden durch Belüfter, Gips und das Einbringen organischer Stoffe
  • Reinigung der Gräben und der durch Bombardierungen verursachten Schäden
  • Wiederanpflanzung einer den Standortbedingungen angepassten Vegetation, um Erosion zu verhindern

Die Erfahrungen, die wir mit dem Projekt Ukraine Nature gesammelt haben, bedeuten, dass wir als HAW Hamburg nun über das nötige Know-How und die Erfahrung verfügen, die wir nutzen können, um Menschen in anderen Konfliktgebieten der Welt zu helfen.

Prof. Dr. Walter Leal

Ihr Forschungsprojekt befasst sich mit den Folgen des Krieges für die Umwelt in der Ukraine, weltweit gibt es unzählige Konflikte. Lassen sich Ihre Erkenntnisse auch auf andere Regionen und deren Naturschutzgebiete übertragen?
Ja, wir glauben, dass der Ansatz und die Methoden, die wir verwendet haben, nützlich sind und auch in anderen Konfliktgebieten eingesetzt werden können. Leider gibt es derzeit in vielen Teilen der Welt militärische Konflikte, die - abgesehen von menschlichem Leid - bekanntermaßen auch erhebliche Schäden an der Umwelt verursachen. Die Erfahrungen, die wir mit dem Projekt Ukraine Nature gesammelt haben, bedeuten, dass wir als HAW Hamburg nun über das nötige Know-How und die Erfahrung verfügen, die wir nutzen können, um Menschen in anderen Konfliktgebieten der Welt zu helfen.

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