Autonome Miniaturfahrzeuge „robust“ machen
Wie das im Detail aussieht, erläutert Stephan Pareigis anhand eines roten „Spielzeug-Busses“, der durch die Anlage fährt: In den Fahrbahnen befindet sich ein Draht und unter dem Bus ein kleiner magnetischer Taster. Indem dieser sich nach dem Draht ausrichtet, lenkt er den Bus entlang der Fahrbahn. Das ist an sich nichts Besonderes, nach diesem Prinzip (Faller Car Systems) funktionieren auch all die kleinen Bahnen, Busse, Autos usw. im Miniatur-Wunderland. Im Forschungslabor aber geht es darum, die Software-Architektur von autonomen Miniaturfahrzeugen so „robust“ zu machen, dass sie die notwendigen Sicherheitsanforderungen erfüllen.
„In den Fahrzeugen steckt ein Mikrocontroller“, erklärt Pareigis. „Mit Hilfe einer kleinen Kamera und eines Magnetsensors (Hall-Sensor) sammeln wir während der Fahrt Bilddaten und messen den Lenkwinkel. Die gefilmten Bilddaten markieren („labeln“) wir anschließend mit dem Lenkwinkel. So lernt das System beispielsweise: „Immer, wenn ich auf das gelbe Haus zufahre, muss ich eine Rechtskurve machen.“
Der Algorithmus muss sich der Realität anpassen
In der wirklichen Welt kann es aber passieren, dass vor einem Haus eine Baustelle errichtet oder dessen Fassade eingerüstet wird. Dann lautet die spannende Frage: Wie reagiert der Algorithmus? Wenn das Fahrzeug plötzlich links abbiegt, wie bei einem anderen eingerüsteten Haus, ist das falsch. Der Algorithmus muss entsprechend verändert werden. „Auf diese Weise können wir hier die sicherheitsrelevanten Systeme relativ einfach testen, ohne jemanden zu gefährden“, fährt der Forschungsleiter fort. „Im Prinzip versuchen wir ja auch, Technologie zu verstehen. Mit den Bilddaten, die aus so einer Szenerie stammen, füttern wir Algorithmen für das maschinelle Lernen.“
Was im Labor an Mikrofahrzeugen erprobt wird, dient dann auch in größeren Fahrzeugen als Grundlage, zum Beispiel in dem Industrieroboter mit dem Namen „Husky“. Mit ihm sollen die Grundlagen bald in der realen Welt getestet werden – als Teil des interdisziplinären Forschungsprojekts „Testfeld Intelligente Quartiersmobilität“ (TIQ). Der Begriff bezieht sich auf die Bewegung von Menschen oder Gütern in einem Radius von weniger als drei Kilometern. Das „Quartier“ kann ein Wohngebiet, Einkaufsviertel oder eine Fußgängerzone sein, ein Schulgelände, Uni-Campus oder Park.
Es gibt viele unterschiedliche „Quartiere“
Ganz gleich, welches der oben genannten Quartiere man wählt, die Fragen bleiben im Prinzip die gleichen: Wie kann man die Mobilität zwischen Fußgängern, Rad-, Roller- und Skateboard-Fahrern oder Kleinfahrzeugen des Lieferverkehrs möglichst konfliktfrei organisieren? Zumal, wenn unter den Fußgängern auch besonders Schutzbedürftige sind, wie Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, Rollstuhl-Fahrer oder Senioren mit Rollator? Und das alles vor dem Hintergrund eines insgesamt wachsenden Verkehrsaufkommens?
Bevor man solche Fragen beantworten kann, ist es deshalb notwendig, in einem Testfeld alle Bewegungen zu erfassen. Im TIQ-Forschungsprojekt geschieht dies über eigens entwickelte Sensoren, welche die gewünschten Daten liefern sollen. „Und zwar ausdrücklich unter Wahrung des Datenschutzes“, erklärt der Mechatronik-Ingenieur Maximilian De Muirier, Doktorand von Professor Pareigis. „Damit sind keine Rückschlüsse auf Individuen möglich. Das nennt sich Privacy By Design“. Die Bilder, die als Beispiel dafür auf dem Laptop gezeigt werden, erinnern an das, was der Bildschirm eines autonomen Testfahrzeugs an Sensordaten zeigt oder – entfernt – an die Scans zur Passagierkontrolle am Flughafen: Schemenhafte Darstellungen von Personen.
Maschinelles Lernen sagt Bewegungen voraus
Nach Erhebung der Daten werden diese mit Methoden des maschinellen Lernens analysiert, um etwa Bewegungen vorhersagen zu können. Der nächste Schritt kann eine Visualisierung der Daten sein, um sie beispielsweise für die Stadtplanung zu nutzbar zu machen. Auch andere Daten, wie die zur Wettervorhersage oder Messwerte von Luftschadstoffen und Pollen, lassen sich nach Angaben der Wissenschaftler*innen in den Datensatz integrieren. Ein weiterer Schritt wäre, die Daten zur Interaktion mit den Menschen auf der Straße zu verwenden. Als Beispiel nennt Pareigis „smarte“ Straßenlaternen in Dänemark, die bei Dunkelheit erst angehen, wenn sich ein Passant, Rad- oder Autofahrer nähert. Solche Interaktionen seien auch via Mobiltelefon oder Blindenstock denkbar.