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Neues Verbundprojekt

Badeteiche vor Nähr- und Schadstoffen schützen

Sommerzeit ist Badezeit. Viele freuen sich jetzt schon auf ein kühlendes Bad im Teich, See oder Meer. Doch in den letzten Jahren wurden in den zunehmend wärmeren Sommern immer wieder Badestellen an Gewässern aufgrund von Schadstoffbelastungen und Blaualgenblüte geschlossen. Wie belastete Gewässer schonend und nachhaltig wieder in einen guten Zustand überführt werden können, zeigt das neue Verbundprojekt ' – Verbesserung der Ökosystemleistungen' an der Fakultät Life Sciences, das mit 1,65 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium und Bundesamt für Naturschutz gefördert wird.

Herrenteich bei Reinfeld. Blaualgen nehmen dem Karpfenteich den Sauerstoff.

Herrenteich bei Reinfeld. Blaualgen nehmen dem Karpfenteich den Sauerstoff.

Konkret werden in dem Verbundprojekt die Ursachen der Verschlammung und Schadstoffbelastungen im Herrenteich, einer Teichanlage bei Reinfeld in Schleswig-Holstein bekämpft, indem unter anderem die Unterwasservegetation gefördert und Algenwachstum sowie Nährstoffeintrag reduziert werden. Dafür sind ein Monitoring der biologischen Gewässerqualität sowie konkrete Maßnahmen geplant. Insbesondere eine zunehmende Blaualgenblüte, die für Mensch und Tier gefährlich sein kann und deren Gifte über die Haut oder durch Verschlucken aufgenommen werden, stellt eine zunehmende Gefahr für die Teichanlage dar, die auch als Badestelle dient.

Der historische Teich wurde bereits im 12. Jahrhundert von Zisterzienser-Mönchen für die Karpfenzucht angelegt – das regionale Karpfenfest machte Reinfeld über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Doch wie steht es um diese sensible Naturlandschaft mit den zahlreichen großen und kleinen Fischteichen, die im Einzugsgebiet der Trave ihr Wasser in den Fluss entwässern, der dann bei Travemünde in die Ostsee fließt? Ivonne Stresius, Umweltingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, forscht mit weiteren Mitarbeiter*innen unter der Leitung von Prof. Susanne Heise in der Arbeitsgruppe „Angewandte Aquatische Toxikologie“ zu diesem Thema, jetzt auch im Projekt VerTe, das unter der Leitung der Stadt Reinfeld und in Kooperation mit der Technischen Hochschule Lübeck durchgeführt wird.

Das besondere Augenmerk legen die Forschenden auf die Sedimentbewertung. Denn in den Sedimenten der Teiche reichern sich die Schadstoffe aus der Landwirtschaft, der Fischzucht, den Hauskläranlagen der umliegenden Dörfer sowie dem Regenwasser an. „Die Sedimente sind wie ein Zeitstrahl“, erklärt Ivonne Stresius. „In ihren Schichten lässt sich die Umweltverschmutzung bis in die vergangenen Jahrzehnte nachweisen wie beispielsweise das inzwischen verbotene Pflanzenschutzmittel DDT. Die Sedimentproben aus dem Herrenteich untersuchen wir im Labor in Bergedorf auf ihre Wirkung auf Organismen im Wasser. Zusammen mit dem Screening auf bestimmte Schadstoffe erhoffen wir uns Hinweise auf die Belastung des Ökosystems in den Teichen. Zusammen mit den Wasseruntersuchungen der Technischen Hochschule Lübeck erhalten wir Informationen, anhand derer wir auch beurteilen können, warum es zu dieser vermehrten Algenblüte kommt und wie sich die Schadstoffe auf Mensch, Tier und andere Organismen im Wasser wie zum Beispiel Fische auswirken.“

Neben den Einleitungen von Kläranlagen und Regenwasser bringt die Landwirtschaft durch die Düngung der Äcker über das Jahr regelmäßig Stickstoffverbindungen und Phosphate in das Gewässer ein. Damit wird die Alge quasi mitgedüngt.

Umweltingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Ivonne Stresius in der Arbeitsgruppe `Angewandte Aquatische Toxikologie´

Wenn Lebewesen über einen längeren Zeitraum einem Mix aus chemischen Substanzen ausgesetzt sind, hat das nachweislich negative Folgen für sie. Gerade eine Kombination aus Schadstoffen kann gefährlich werden für die Entwicklung, die Fortpflanzung und das Wachstum von für das Gewässer überlebenswichtigen Organismen wie zum Beispiel der Teichmuschel, die das Gewässer filtert. „Neben den Einleitungen von Kläranlagen und Regenwasser bringt die Landwirtschaft durch die Düngung der Äcker über das Jahr regelmäßig Stickstoffverbindungen und Phosphate in das Gewässer ein. Damit wird die Alge quasi mitgedüngt“, sagt Stresius. „Das Ergebnis sehen wir dann im Sommer, das überdimensionierte Algenwachstum führt schlussendlich zum Absterben der Alge, sie sinkt auf den Boden des Teichs und verrottet dort.“

Verschlammung und Sauerstoffmangel sind die Folgen. Fische und andere Organismen im Teich sterben ebenfalls ab oder sind bedroht. Das ist ein kritischer Punkt für das Gewässer. „Die Blaualge bedient sich hier ihres evolutionären Vorteils: Sie holt sich den Stickstoff aus der Luft. Wenn den anderen Algen dieser Nährstoff ausgeht, kann die Blaualge ungehindert weiterwachsen und sich vermehren. Die sogenannte Blaualgenblüten sieht man dann auf dem Wasser als grün-bläulichen Schmierfilm treiben. Blaualgen bilden Cyanotoxine. Manche dieser Giftstoffe wirken als Nervengifte. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem ein Badeverbot empfehlenswert ist“, sagt Stresius, die auch die Gesundheitsämter im Auftrag des Ministerium für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein im Bereich Badegewässer beraten hatte.

Um die Wirkung von Schadstoffen auf Organismen zu beurteilen, setzen die Forschenden in ihren Laboren in Bergedorf verschiedene Kleinstlebewesen als sogenannte Testorganismen ein, die stellvertretend Umweltproben ausgesetzt werden. Eines dieser Kleinstlebewesen ist der Wasserfloh, auch Daphnia genannt. „Dabei untersuchen wir, ob und wie sich die Daphnien unter dem Einfluss verschiedener Schadstoff-Cocktails verhalten. Wir schauen dazu auf die Abnahme ihrer Schwimmfähigkeit im Wasser, also wie schnell sie sich fortbewegen“, erklärt Susanne Heise, Professorin für Ökotoxikologie und Leiterin der Arbeitsgruppe „Angewandte Aquatische Toxikologie“ am Department Medizintechnik der Fakultät Life Sciences.
 

Die Blaualge bedient sich hier ihres evolutionären Vorteils: Sie holt sich den Stickstoff aus der Luft. Wenn den anderen Algen dieser Nährstoff ausgeht, kann die Blaualge ungehindert weiterwachsen und sich vermehren.

Dipl.-Ingenieurin Ivonne Stresius und Projektleiterin von VerTe – Verbesserung der Ökosystemleistungen in den Reinfelder Teichen.

Bei einer bloßen Analyse soll es in dem Verbundprojekt „VerTe“ aber nicht bleiben. „Wir streben konkrete Maßnahmen an“, sagt Stresius. Dabei geht es im ersten Schritt darum, die Nährstoffe zu reduzieren, die in die Teiche eingeleitet werden. Bei Kommunalen Kläranlagen soll die Reinigung verbessert werden, das Potential für den Anschluss von Hauskläranlagen an das öffentliche Abwassernetzt wird ermittelt. Sandfänge, die vor der Mündung von Bächen in die Teiche belastete Feststoffe zurückhalten sollen, können ebenfalls zur Lösung beitragen. Das aber ist teuer, da der Sand regelmäßig entnommen werden muss.“

Um Akzeptanz für Maßnahmen zu erwirken, moderiert Stresius zusammen mit ihrem Team und Kolleg*innen der TH Lübeck regelmäßig Veranstaltungen, an denen Landwirte, Fischzüchter und Behörden zusammensitzen. „Es ist wichtig, die Leute an einen Tisch zu bekommen, um am Ende mit einer Sprache zu sprechen und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Denn nur gemeinsam mit Betroffenen können nachhaltige Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden." Mit einem umfangreichen Konzept für Maßnahmen zur Bildung und Information im Projektgebiet soll das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in der Natur und die Wichtigkeit von Artenvielfalt erhöht werden.

Text: Katharina Jeorgakopulos

Mit einem umfassenden chemisch-physikalischen wie biologischen Monitoring soll die Renaturierung der Teiche in Reinfeld in Schleswig-Holstein mit ihren Lebensgemeinschaften zunächst erfasst und die Einträge und Wege der Nährstoff- und Schadstoffeinleitung in die Teiche identifiziert werden. Ein Maßnahmenkonzept wird zusammen mit den Menschen vor Ort entwickelt. Das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) unterstützen das Projekt mit rund 1,65 Millionen Euro. Die Stadt Reinfeld setzt das Projekt `VerTe – Verbesserung der Ökosystemleistungen in den Reinfelder Teichen´ gemeinsam mit der HAW Hamburg und der Technischen Hochschule Lübeck (THL) bis September 2025 um.

Weitere Informationen:

https://www.euwid-wasser.de/news/politik/bmuv-und-bfn-foerdern-renaturierung-der-reinfelder-teichlandschaft-130423/

https://www.bmuv.de/pressemitteilung/neues-projekt-staerkt-biologische-vielfalt-der-reinfelder-teichlandschaft

NDR Beitrag vom 27. April 2023:https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Reinfeld-Blaualgen-nehmen-Herrenteich-Sauerstoff,blaualgen332.html

Kontakt

Department Medizintechnik
Prof. Dr. Susanne Heise
Professorin für Ökotoxikologie
T +49 40 428 75-6217
susanne.heise (at) haw-hamburg (dot) de

Dipl.-Ingenieurin Ivonne Stresius
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team „Angewandte Aquatische Toxikologie“
Projektmanagerin
T +49 40 428 75-6513
ivonne.stresius (at) haw-hamburg (dot) de

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