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Forschungsprojekt GeLebT*

Die Gesundheit von Trans*-Menschen stärken

Trans*-Menschen erfahren im Gesundheitswesen häufig Diskriminierungen, die dazu führen, dass gesundheitsversorgende und ‐förderliche Angebote für sie erschwert zugänglich sind. Das Forschungsprojekt „GeLebT* – Gesundheitsförderung in Lebenswelten von Trans*-Menschen“ soll dazu beitragen, die Situation von Trans*-Menschen in der Gesundheitsförderung und ‐versorgung zu verbessern. Wir haben mit Ray Trautwein und Kilian Rupp, Mitarbeitende des Projekts, gesprochen.

Herz mit Farben der trans* Flagge vor einer Person in einem medizinischen Kittel mit Stethoskop

Das Forschungsprojekt „GeLebT*“ der HAW Hamburg soll dazu beigetragen, die Situation von Trans* Menschen in der Gesundheitsförderung und ‐versorgung zu verbessern.

Können Sie uns einen Status quo bei der Gesundheitsförderung und ‐versorgung von Trans*-Menschen in Deutschland geben?
Ray Trautwein
: Dem Menschenrecht auf Gesundheit entsprechend sollte jede Person die Möglichkeit haben, ein Höchstmaß an Gesundheit zu erreichen – und zwar ohne Diskriminierung. Dieses Recht ist in Deutschland im sogenannten Präventionsgesetz (PrävG) verankert. Trans*-Menschen erleben aber im Vergleich zu cis Menschen, also Personen, die sich mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren, ungleiche Gesundheitschancen. Das sehen wir sowohl auf der Ebene des Verhaltens, also wie trans* Personen ihre Gesundheit selbst beeinflussen können, als auch auf der Ebene der Verhältnisse, also welche Bedingungen für Trans*-Menschen hierbei gesellschaftlich vorliegen. Die Forschungslage zeigt, dass diese Ungleichheit nicht erst bei der Gesundheitsförderung, die im Projekt im Fokus steht, beginnt, sondern bereits bei der Gesundheitsversorgung, denn diese ist für Trans*-Menschen prekär beziehungsweise problematisch. Es braucht eine starke Veränderung in der Gesundheitsversorgung, damit wir überhaupt über die Verbesserung der Gesundheitsförderung von Trans*-Menschen sprechen können.

Kilian Rupp: Ein wesentlicher Punkt ist, dass es im Gesundheitswesen vielfach an trans*spezifischem Wissen fehlt und damit mitunter an Sensibilisierung dafür, welche Bedarfe und Bedürfnisse Trans*-Personen haben, was dann zu diskriminierendem Verhalten führen kann oder auch Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem aufbaut. Es fehlt oft an grundlegenden Dingen, wie an der Verwendung des richtigen Vornamens und der richtigen Anrede und an der Möglichkeit, im Aufnahmebogen auch entsprechende Angaben dazu machen zu können. Dies führt nicht selten dazu, dass Trans*-Personen wegen negativer Erfahrungen das Gesundheitssystem meiden. Viele dieser Missstände sind bereits bekannt und erforscht. Wir wollen durch unsere Forschung aber nicht nur bei den Defiziten bleiben, sondern analysieren, was die Gesundheit von Trans*-Menschen stärkt: Was gibt es dazu für Bedarfe und Bedürfnisse? Und wie können gesundheitsförderliche Lebenswelten gestaltet werden? Dabei wird klar, dass sich derzeit vor allem Akteur*innen der Trans*Communities um gesundheitsförderliche Angebote für Trans*-Personen kümmern – meist ehrenamtlich, es fehlt dort also zum Beispiel an einer ausreichenden Finanzierung. Die Regelangebote zur Gesundheitsförderung sind hingegen oft nicht trans*inklusiv gestaltet, was den Zugang dazu für Trans*- Personen verhindert oder erschwert.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass trans* Menschen einen hohen Bedarf an Gesundheitsförderung haben. Die Gesundheitsversorgung ist allerdings prekär, besonders für trans* Personen, die mehrdimensionale Diskriminierung erleben.

Kilian Rupp, arbeitet als Studierender im Projekt GeLebT*

Sie sind vor drei Jahren mit dem Projekt GeLebT* gestartet – welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen und wie sind Sie vorgegangen?
Ray Trautwein
: Es gab insgesamt drei Erhebungsphasen mit drei verschiedenen Zielgruppen: mit Trans*- Personen haben wir 35 Einzelinterviews geführt, in denen wir nach Meinungen und Informationen gefragt haben, aber auch nach konkreten, erlebten Situationen im Gesundheitswesen oder auch generell in Bezug auf die eigenen Lebenswelten. Hier war es sicherlich hilfreich, dass sich einige Personen bei GeLebT* selbst als trans* identifizieren und so, neben der allgemein sensiblen Interviewführung, ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte. Die zweite Zielgruppe sind Trans*-Expert*innen und -Berater*innen und die dritte Gruppe sind Tätige des Gesundheitswesens, mit umfangreicher und mit geringer Trans*Expertise, und die sogenannten Trans* Peer Educators, also Personen, die selbst trans* sind und Trans*-Personen ehrenamtlich unterstützen. Mit diesen beiden Zielgruppen haben wir Fokusgruppendiskussionen durchgeführt.

Kilian Rupp: Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass Trans*-Menschen einen hohen Bedarf an Gesundheitsförderung haben. Die Gesundheitsversorgung ist allerdings prekär, besonders für Trans*-Personen, die mehrdimensionale Diskriminierung erleben. Daraus ergeben sich spezifische Bedarfe und Bedürfnisse, auf die eine gesundheitliche Regelversorgung ausgerichtet sein sollte. Diese muss hinsichtlich ineinander wirkender Diskriminierungsformen informiert sein und diese berücksichtigen. Es braucht generell Wissen und Kompetenzen hinsichtlich struktureller Vulnerabilitäten von Trans*-Menschen: also, dass Trans*-Menschen eben eine heterogene Gruppe mit diversen Bedarfen und Bedürfnissen sind, die im Alltag, insbesondere im Gesundheitswesen, oft Diskriminierung erfahren.

Es war aber auch spannend zu sehen, wo es gesundheitsförderliche Ressourcen gibt und was Resilienz und Empowerment fördert. Dazu gehört zum Beispiel das Tragen spezifischer Kleidung als ein wichtiger Punkt zum Ausleben der eigenen Geschlechtsidentität.

Ray Trautwein, wissenschaftlicher Mitarbeitender im Projekt GeLebT*

Ray Trautwein: Zudem stellten sich neben dem Gesundheitswesen weitere Lebenswelten als besonders relevant für die Gesundheitsförderung von Trans*-Menschen heraus: die Trans*Communities, der eigene Wohnort, die Arbeitswelt, sportliche Aktivitäten, das familiäre und soziale Umfeld sowie partnerschaftliche Beziehungen. Die Erfahrungen in diesen Lebenswelten sind unterschiedlich: Für einige ist die Arbeit beispielsweise ein Ort, an dem sie Diskriminierung erfahren, für andere ist es ein Ort, der ihnen Freiheit gibt, da sie hier das Geld verdienen, das sie zum Beispiel für eine geschlechtsangleichende OP brauchen, wenn die Krankenkasse sich weigert, die Kosten hierfür zu übernehmen. Binäre Räume, wie Umkleide- und Duschräume, sind für Trans*-Menschen oft herausfordernd, wodurch sie beispielsweise Sportangebote nicht uneingeschränkt nutzen können. Es war aber auch spannend zu sehen, wo es gesundheitsförderliche Ressourcen gibt und was Resilienz und Empowerment fördert. Dazu gehört zum Beispiel das Tragen spezifischer Kleidung als ein wichtiger Punkt zum Ausleben der eigenen Geschlechtsidentität.

Wie kommen die Erkenntnisse der Zielgruppe zugute?
Ray Trautwein: Wir haben zum Beispiel zwei Workshops veranstaltet, in denen wir gemeinsam mit Trans*-Personen, aber auch mit Personen aus dem Gesundheitswesen Handlungsempfehlungen entwickelt haben. Dabei zeigte sich, dass die gewonnenen Erkenntnisse nicht unbedingt neu oder überraschend sind, insbesondere für Akteur*innen der Trans*Communities. Es ist aber von zentraler Bedeutung, dass die Projektergebnisse wissenschafts- und evidenzbasiert vorliegen und auf dieser Basis nun weiter an der Gesundheitsförderung in den Lebenswelten von Trans*-Menschen gearbeitet werden kann.

Zudem wurden wir über die gesamte Projektlaufzeit von einem Projektbeirat, bestehend aus Expert*innen aus den Trans*Communities und dem Gesundheitswesen, begleitet und kritisch beraten. Diese Form der Begleitung ist sicher nicht immer üblich in der Wissenschaft, hatte aber eine wichtige Funktion, da sich so Akteur*innen aller drei Zielgruppen, zu denen wir forschen, aktiv in die Umsetzung des Projektes einbringen konnten.

Für mich war es schon etwas Besonderes an dem Projekt mitzuarbeiten, da ich inhaltlich sehr tief eingestiegen bin. Ich glaube, das ist nicht unbedingt immer der Fall bei Stellen für Studierende in Forschungsprojekten.

Kilian Rupp

Sie, Ray Trautwein, sind wissenschaftlicher Mitarbeitender, und Sie, Kilian Rupp, studentischer Mitarbeitender in dem Forschungsprojekt. Wie konnten Sie Ihre Perspektiven in das Projekt einbringen?
Kilian Rupp
: Für mich war es schon etwas Besonderes an dem Projekt mitzuarbeiten, da ich inhaltlich sehr tief eingestiegen bin. Ich glaube, das ist nicht unbedingt immer der Fall bei Stellen für Studierende in Forschungsprojekten. Und da kann ich ganz viel für mich mitnehmen – insbesondere die forschungstheoretischen und – methodischen Learnings finde ich sehr bereichernd.

Das Projekt ist am Department Pflege und Management angesiedelt und ich komme eigentlich aus der Sozialen Arbeit – ich habe meinen Bachelor in Sozialer Arbeit an der HAW Hamburg gemacht und studiere derzeit noch im Master Soziale Arbeit. Aber das Projekt ist daran total anschlussfähig. Zum einen durch die Perspektive auf die Lebenswelten von Trans*-Menschen und zum anderen auch durch die Orientierung an der Gesundheit als Menschenrecht.

Ich war vor der Mitarbeit im Projekt in der sozialarbeiterischen Praxis tätig und habe da in gesundheitsbezogenen Arbeitsfeldern gearbeitet. Dort konnte ich bereits feststellen, auf welche Herausforderungen und Hürden Trans*-Personen stoßen und dass der Zugang zu Angeboten häufig schon durch die strukturellen Rahmenbedingungen erschwert wird. Ich denke und hoffe natürlich, dass ich diese Perspektive aus der Praxis der Sozialen Arbeit mit in das Projekt einbringen konnte.

Ray Trautwein: Generell, aber auch für die Ableitung der Handlungsempfehlungen, war es sehr hilfreich, dass die studentischen Teammitglieder ihre jeweilige Expertise und (Berufs-)Erfahrung, zum Beispiel in der Sozialen Arbeit, im Projekt eingebracht haben.

Ich selbst habe Gender Studies und Soziologie studiert und habe vor GeLebT* in einem DFG-Projekt gearbeitet, in dem es um die Umsetzung von Antidiskriminierungsrecht in Organisationen ging. Mein Studium und diese Tätigkeit haben mich stark dafür sensibilisiert, dass Menschen nie frei von Strukturen handeln, und Strukturen aber auch nicht eins zu eins so wirken oder umgesetzt werden wie gedacht. Salopp gesagt: Die Kombi macht’s. Das und zum Beispiel meine soziologische Methodenausbildung konnte ich in das Projekt gut einbringen. Zudem bin ich in meiner Freizeit Performance-Künstler, weshalb mir das zielgruppenspezifische Aufbereiten und Präsentieren von Projektinhalten und -ergebnissen, meist zusammen mit meinem Kollegen* Lando Lankenau, immer sehr viel Spaß gemacht hat. Und ich hoffe, dass ich den Studierenden im Forschungsteam von alledem ein bisschen was weitergeben konnte.

Ich selbst habe Gender Studies und Soziologie studiert und habe vor GeLebT* in einem DFG-Projekt gearbeitet, in dem es um die Umsetzung von Antidiskriminierungsrecht in Organisationen ging. Mein Studium und diese Tätigkeit haben mich stark dafür sensibilisiert, dass Menschen nie frei von Strukturen handeln, und Strukturen aber auch nicht eins zu eins so wirken oder umgesetzt werden wie gedacht.

Ray Trautwein

Zum Abschluss des Projekts findet am 7. Juni ein Fachtag an der HAW Hamburg statt – was erwartet die Teilnehmenden?
Kilian Rupp
: Wir werden an dem Fachtag die Forschungsergebnisse und die Handlungsempfehlungen der Öffentlichkeit vorstellen, im Rahmen eines umfangreichen Programms: Zum Thema „Trans*Forming Health Promotion“ findet eine Podiumsdiskussion statt, für die Keynote konnten wir Prof. Shanna Kattari von der University of Michigan gewinnen und wir bieten Workshops mit Expert*innen aus den Trans* Communities und dem Unterstützungssystem für trans* Menschen. Es gibt also viele Möglichkeiten sich zu vernetzen und auszutauschen.

Ray Trautwein: Der Fachtag ist für Personen aus dem Gesundheitsbereich, aus der Wissenschaft, aus der Politik, der Sozialen Arbeit, den Trans*Communities und natürlich auch für Interessierte. Wir freuen uns deshalb, wenn sich auch Studierende und Mitarbeitende der HAW Hamburg anmelden per E-Mail an info (at) projekt-gelebt (dot) de.

Interview: Anke Blacha

Forschungsprojekt GeLebT*

Das wesentliche Ziel des Forschungsprojekts „GeLebT* - Gesundheitsförderung in Lebenswelten von Trans*-Menschen“ ist es, einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und -förderung von Trans*- Menschen zu leisten. Hierfür werden die Bedarfe, Bedürfnisse und Besonderheiten von Trans*-Menschen erhoben und ausgewertet. Aus den Ergebnissen werden Maßnahmen und Handlungsempfehlungen abgeleitet, die auf eine Verbesserung von gesundheitsförderlichen Lebenswelten von Trans*-Menschen abzielen. Damit verbunden ist auch das Ziel, die Bedingungen für informelle Unterstützer*innen der Gesundheitsförderung, sog. Trans* Peer Educators, so zu verändern, dass diese die Gesundheitsförderung von Trans*-Menschen besser unterstützen können. Das Projekt geht davon aus, dass diese Bereiche wichtig sind, um die Selbstbehauptung von Trans*-Menschen in ihrem Lebenslauf zu stärken und zugleich Diskriminierung gegenüber Trans*-Menschen abzubauen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der HAW Hamburg.

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